Natürlich kann sich Josep Maria Bartomeu ganz und gar nicht über das 1:3 des FC Barcelona im Clasico gegen Real Madrid am Samstag gefreut haben; man muss davon ausgehen, dass der hochumstrittene Barca-Präsident eine ähnlich unruhige Nacht gehabt hatte wie die meisten Cules.
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Aber die Niederlage gegen Real, so schmerzhaft sie auch war, verschaffte dem Boss eine kurze Atempause.
Am Sonntag schimpften und diskutierten die Cules vor allem über den Videoschiedsrichter und die "Explosion" (El Mundo Deportivo) von Barca-Trainer Ronald Koeman wegen der in der Tat höchst zweifelhaften Entscheidung vor Sergio Ramos' Elfmeter zum 2:1.
Fakt ist aber auch, dass Barca erstmals seit 2016 nun wieder zwei Ligaspiele hintereinander verloren hat, vor dem 1:3 im Clasico hatte es ein 0:1 in Getafe gegeben. Immer eindeutiger scheinen zudem die Indizien, dass der im Sommer mehr oder weniger zum Bleiben gezwungene Lionel Messi sich Woche für Woche von einem eher mäßig talentierten Doppelgänger auf dem Rasen vertreten lassen muss, anders ist die Formdelle des Superstars kaum sinnvoll zu erklären.
Vor dem Champions-League-Spiel am Mittwoch bei Juventus (21 Uhr auf DAZN und im LIVETICKER ) versinkt das seit Sommer von Koeman angeleitete Barcelona in der heimischen Liga im Mittelmaß, aktuell liegt man nur auf Platz 12.
Bartomeu: Wann wird der Präsident der Ex-Präsident sein?
Das alles waren am Sonntag die drängenderen Themen in der Gemeinschaft der Blaugrana. Und eben nicht das allgemeine Führungschaos, die grassierende Misswirtschaft, der Verlust der Identität und die Frage, wann der Präsident denn nun der Ex-Präsident sein wird: Im März 2021, wenn Bartomeus Amtszeit regulär endet? Irgendwann Anfang November, sollte der von mehr als 20.000 Mitgliedern per Unterschrift durchgedrückte Misstrauensantrag gegen die aktuelle Klubführung erfolgreich sein? Oder doch schon viel schneller, vielleicht sogar schon: am Montagabend.
Nach dem 2:8 gegen den FC Bayern im Champions-League-Finalturnier von Lissabon, dieser Naturkatastrophe eines Fußballspiels, hatte das Barca-Mitglied Jordi Farre eine Unterschriftenaktion gegen das aktuelle Präsidium angestrengt. 16.250 der rund 150.000 Mitglieder hatten den Misstrauensantrag unterschreiben müssen, am Ende hatten Farre und seine Leute mehr als 20.000 Unterschriften zusammen.
Bis Anfang November müsste nun statutengemäß eigentlich ein Referendum an sieben Orten in Katalonien über die Absetzung des Präsidiums stattfinden. Zwei Drittel der Wähler müssten sich gegen Bartomeu stellen, um den seit 2014 amtierenden Patron aus dem Amt zu jagen.
Eine vom Präsidium mit Verweis auf die Corona-Pandemie beantragte Verschiebung des Referendums untersagten vergangene Woche die katalanischen Behörden. Am Montag soll nun das Barca-Präsidium zusammenkommen, um zu entscheiden, ob es zum Referendum kommen soll - oder ob der bisher fest an seinem Posten klebende Bartomeu doch sofort zurücktritt und den Weg freimacht.
Bartomeu hat bisher jede Krise bei Barca ausgesessen
Derlei Spekulationen hatten zwar schon öfter die Runde gemacht, nach Messis mittlerweile legendärer Kündigung per Burofax hatte es sogar Demonstrationen gegen den Geschäftsmann, der mit Hafen- und Flughafentechnik sein Vermögen gemacht hat, gegeben. Doch bisher hatte Bartomeu noch jede Krise ausgesessen.
Auch die Niederlage im Clasico wäre eigentlich kein Grund für einen Rücktritt. Dass nun aber tatsächlich die Zeit für die Bartomeu-Dämmerung gekommen sein könnte, hat konkret mit dem drohenden Referendum zu tun. Respektive mit der drohenden juristischen Schlammschlacht, sollte es nicht stattfinden.
Dazu kommt, dass das Präsidium mittlerweile nicht mal mehr in der Lage ist, eigentlich als Erfolgsmeldungen gedachte Aktionen als Erfolge verkaufen zu können.
Am Dienstag hatte Barcelona die zu diesem Zeitpunkt und zu diesen Konditionen durchaus überraschenden langjährigen Vertragsverlängerungen von Torwart Marc-Andre ter Stegen, Abwehrchef und Co-Kapitän Gerard Pique, Frenkie de Jong und Clement Lenglet verkündet . Das Quartett hatte im Zuge dessen sogar freiwillig einem zumindest zeitweisen Gehaltsverzicht von dem Vernehmen nach 30 bis 50 Prozent zugestimmt.
Bartomeu: Piques Interview bringt ihn in Bedrängnis
Doch am Freitag, einen Tag vor dem Clasico, hatte Pique der Klubführung und vor allem Präsident Josep Maria Bartomeu gründlich die Leviten gelesen. "Wenn wir Spieler in bestimmten Momenten die Macht hatten, dann nur, weil andere sie nicht ausüben wollten", sagte Pique in einem aufsehenerregenden Interview in der Qualitätszeitung La Vanguardia etwa.
Das bezog sich auf die Entlassung von Trainer Enesto Valverde im Januar 2020, die laut Bartomeu und Co. seinerzeit auch der Mannschaftsrat unterstützt haben soll. "Das ist der Knackpunkt. Wir wurden zu einem Treffen einberufen und uns wurde ein Entschluss übermittelt, dem wir zustimmen oder ablehnen sollten. Dabei dachten wir uns: 'Meine Herren, das ist eine Entscheidung, die ihr treffen solltet'", sagte Pique nun.
Pique, Enkel eines Barca-Direktors und Barca-Mitglied auf Lebenszeit, ging in diesem Interview auf alle herumschwirrenden Vorwürfe gegen Bartomeu und Co ein: Jahrelange Misswirtschaft, der Umgang mit Lionel Messi und anderen Klub-Legenden, ethisch-moralische Fragen - und befeuerte sie noch. Zu Lionel Messi habe er nach dessen Kündigung etwa gesagt, er solle durchhalten. "Ein Jahr, dann kommen neue Leute."
Bartomeu: Schmutzkampagne gegen Legenden "Barbarei"
Der Umgang mit Messi sei überhaupt ein Unding gewesen. "Ich als Präsident hätte da anders gehandelt. Wenn ein Spieler in 16 Jahren so viel gegeben hat, dann ist es die Pflicht, eine Übereinkunft hinzukriegen. Es kann einfach nicht sein, dass die beiden Parteien so weit auseinanderliegen. Wie kann es sein, dass der beste Spieler der Geschichte eines Tages aufsteht und ein Burofax schickt, weil er sich unverstanden fühlt? Was ist das los?", fragte sich Pique: "Leo verdient alles. Das neue Stadion sollte nach ihm benannt werden. Wir müssen unsere Statuen schützen und sie nicht beschmieren."
Zu der als "Barcagate" in die Geschichte eingegangenen Schmutzkampagne gegen Klub-Legenden und Bartomeu-Kritikern wie Pep Guardiola, Xavi, aber auch Messi und Pique, die von einer vom Klub beauftragten Social-Media-Agentur durchgeführt wurde, sagte Pique: "Es ist eine Barbarei, dass mein Klub Geld ausgibt, um uns zu kritisieren". Zumal der gleiche Klub nun die Spieler abermals gebeten habe, auf Geld zu verzichten. Bartomeu habe ihm gesagt, er habe von der Affäre nichts gewusst. "Ich habe es geglaubt. Doch nach all dem ist die Person, die dafür zuständig war, immer noch beim Klub angestellt", sagte Pique.
Der Misstrauensantrag gegen das aktuelle Präsidium zeige ansonsten, dass "der Klub so lebendig ist wie nie". Selbstredend, dass er "als Mitglied von meinem Stimmrecht Gebrauch machen" werde.
Womöglich wird es aber nicht mehr dazu kommen. Das Interview schlug höhere Wellen, als es eine Niederlage im Clasico schaffen könnte. Und das will was heißen.
Primera Division: Die Tabelle nach dem siebten Spieltag:
Platz Team Sp. Tore Diff Pkt. 1. Real Sociedad 7 14:3 11 14 2. Real Madrid 6 9:4 5 13 3. FC Granada 6 8:8 0 13 4. FC Villarreal 7 8:8 0 12 5. Atlético Madrid 5 10:1 9 11 6. Cádiz 7 6:6 0 11 7. CA Osasuna 6 6:4 2 10 8. Getafe 6 5:4 1 10 8. Elche 5 5:4 1 10 10. Betis Sevilla 7 7:11 -4 9 11. SD Eibar 7 5:6 -1 8 12. FC Barcelona 5 9:5 4 7 13. FC Sevilla 5 5:4 1 7 14. FC Valencia 7 9:11 -2 7 15. Deportivo Alavés 7 5:8 -3 7 16. Athletic Bilbao 6 4:6 -2 6 17. Huesca 7 5:10 -5 5 18. Celta de Vigo 6 3:9 -6 5 19. Levante 5 5:10 -5 3 20. Real Valladolid 7 5:11 -6 3