Fehlende Konstanz kostete Head Coach Alvin Gentry letztlich den Job. New Orleans zeigte über die vergangene Saison immer wieder gute Ansätze, brachte aber die durchaus vorhandenen PS nie über einen längeren Zeitraum auf die Straße. Natürlich fehlte mit Top-Pick Zion Williamson über weite Strecken einer der zwei oder drei besten Spieler, doch gerade die Vorstellung in der Bubble, wo auch Zion mit dabei war, wirkte über große Teile erschreckend.
Die Pelicans gingen als Favorit auf den letzten Playoff-Spot in den Restart, trotz des leichtesten Spielplans aller Teams konnten jedoch nur zwei Spiele (Memphis und Washington) gewonnen werden. Teilweise wirkten die Pels ohne Leidenschaft, gerade am hinteren Ende des Feldes war es bisweilen peinlich, was New Orleans dem TV-Publikum bot, auch wenn das Defensiv-Rating von knapp 114 (Platz 18) gar nicht so dramatisch daherkam.
Für den Vice President of basketball operations, David Griffin, war es dennoch Grund genug, um Gentry nach fünf Jahren zu entlassen. "Unsere Angewohnheiten waren schlichtweg nicht gut genug", analysierte im August nach der Entlassung, diese Angewohnheiten sollten vom neuen Coach unbedingt verbessert werden.
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New Orleans Pelicans: Van Gundy als neuer Hoffnungsträger
Die Frage war nur, in welche Richtung die Pelicans gehen wollen - und diese war alles andere als leicht zu beantworten. Einerseits ist der Kader mit vielen jungen Spielern gespickt, auf der anderen Seite werden auch noch dekorierte Veteranen wie Jrue Holiday oder J.J. Redick bezahlt.
In der abgelaufenen Saison misslang der Spagat aus Entwicklung der jungen Spieler und gleichzeitiger Wettbewerbsfähigkeit. Auf dem Papier galten die Pelicans als möglicher Playoff-Kandidat, die abschließende Bilanz von 30-42 (Platz 13 im Westen) darf durchaus als Enttäuschung gewertet werden.
Es wäre verständlich gewesen, wenn New Orleans nun auf einen jungen Coach, womöglich einen ohne jegliche Head-Coaching-Erfahrung, gesetzt hätte. Mit der Anstellung von Stan Van Gundy wurde dagegen ein erfahrener Coach mit einer gewissen Reputation verpflichtet. SVG brachte sich nach schwachen Jahren in Detroit durch seine starke Arbeit als TV-Experte wieder ins Gespräch, nun erhielt er einen der spannenderen Posten in der NBA.
Die Verpflichtung des 61-Jährigen deutet zunächst einmal darauf hin, dass die kommende Saison nicht abgeschenkt werden soll. Stattdessen wird New Orleans versuchen, im umkämpften Westen wieder die Playoffs zu attackieren. Die Pelicans stehen mit dieser Marschroute nicht alleine da. Golden State, Minnesota, Sacramento und Phoenix haben alle den gleichen Anspruch, einen Schritt zurück könnten in der kommenden Saison wohl nur OKC, womöglich Memphis und San Antonio machen.
Kommen wir aber mal zu ein paar Baustellen, die auf Van Gundy warten:
Die teils grauenhafte Defense
Ohne jeden Zweifel gibt es bei den Pelicans Dinge, die sich recht leicht verbessern lassen. Van Gundy gilt als eine der besseren Defensiv-Coaches der Liga, in sieben seiner elf Jahren in der NBA lagen seine Teams in den Top-10 in defensiver Effizienz. Hier muss natürlich erwähnt werden, dass SVG in Miami (Alonzo Mourning, Shaq), Orlando (Dwight Howard) und mit Abstrichen Detroit immer gute Big Men zur Verfügung hatte.
In New Orleans findet Mr. "Build a f'ing wall" dies nicht vor. In Holiday und Lonzo Ball stehen zwar zwei gute Guard-Verteidiger im Kader, die restlichen Akteure sind dagegen eher weniger für ihre Künste gegen den Ball bekannt, vor allem nachdem Derrick Favors in der Offseason Free Agent wird. Gerade Williamson war in seiner Rookie-Saison am hinteren Ende des Feldes eine echte Enttäuschung und schleppte sich oft nur zurück.
Zion war gewissermaßen das Sinnbild für die teils fragwürdige Umschaltbewegung der Pelicans. Mit 15,4 zugelassenen Punkten aus Fastbreaks zählten die Pels zu den schlechtesten drei Teams der Liga, gerade in dieser Kategorie sollten sie unter Van Gundy deutlich besser werden.
Zion Williamson
Neben solchen Details muss die Entwicklung von Williamson im Vordergrund stehen. Seine offensive Power ist unbestritten, in Sachen Defense und auch Fitness blieben aber viele Fragen offen. Der Top-Pick von 2019 wirkte in der Bubble alles andere als austrainiert, hier werden die Pelicans ansetzen müssen.
Gerüchten zufolge wog der 20-Jährige in der Bubble erneut über 130 Kilo, bei einer Körpergröße von knapp 2 Metern ist das im Hinblick auf seine Knie, mit denen er in dieser Saison schon Probleme hatte, für die Zukunft kein Erfolgsrezept. Bei allen Perspektiven muss dies das oberste Ziel der Pelicans sein. Dass der Hoffnungsträger der Franchise nur 24 Spiele in einer Spielzeit absolviert, soll sich auf keinen Fall wiederholen.
Spannend wird auch sein, wie Van Gundy den Forward einsetzen möchte. Unter Gentry startete Zion meist auf der Vier, verbrachte aber auch einige Zeit als kleiner Fünfer. Im Angriff war das zwar kaum zu stoppen, andersrum aber eben auch nicht, weil Williamson defensiv noch keinerlei Orientierung besitzt.
Die Vertragssituationen von Brandon Ingram und Lonzo Ball
Als Power Forward könnte aber auch Brandon Ingram agieren, der sich durch seine MIP-Saison einen Maximal-Vertrag erspielt haben dürfte. New Orleans wird sich mit dem 23-Jährigen einigen und für mindestens vier weitere Jahre mit dem früheren Nr.2-Pick planen können.
Etwas schwieriger ist die Situation mit Ball. Der Point Guard spielte bis zur Corona-Unterbrechung eine gute Saison und beeindruckte viele mit seinem massiv verbesserten Shooting. Nach dem Restart war dagegen nicht mehr viel davon zu sehen, weswegen die Fragen bleib, inwieweit Balls guter Run nur ein sogenannter "Hot Streak" war.
Ball geht nun in die letzte Saison seines Rookie-Vertrags, theoretisch könnte der Point Guard schon mit Beginn dieser Offseason eine vorzeitige Verlängerung unterschreiben. Dass dies geschieht, ist unwahrscheinlich, schließlich fehlte Ball die Konstanz in seinem Spiel, um den Guard bereits frühzeitig für viel Geld zu binden.
Die Verhandlungen dürften ohnehin zäh werden, schließlich wird Ball von Klutch Sports und LeBron-Buddy Rich Paul vertreten. Zur Erinnerung: Paul war es, der als Berater von Anthony Davis öffentlich einen Trade seines Klienten forderte. Griffin war damals zwar noch nicht im Amt, aber Besitzerin Gayle Benson dürfte diese Episode nicht vergessen haben.
Die Statistiken von Ingram und Ball für die Pelicans
Minuten Punkte FG% 3P% Rebounds Assists Steals Ingram 33,9 23,8 46,3 39,1 6,1 4,2 1,0 Ball 32,1 11,8 40,3 37,5 6,1 7,0 1,4
Was passiert mit Holiday und Reddick?
Der Elefant im Raum bleibt aber Jrue Holiday, um den sich nun schon seit einiger Zeit Trade-Gerüchte ranken. Der Guard besitzt noch einen Vertrag bis 2022, könnte aber schon im kommenden Sommer aus seinem Vertrag aussteigen. Der frühere All-Star passt mit seinen 30 Jahren nur bedingt in die Altersstruktur des Kaders.
Für den Moment ist Holiday sicherlich eine Verstärkung, ob er dies aber auch noch in zwei, drei Jahren sein kann, wenn sich womöglich ein Titelfenster für die Pelicans öffnen könnte, muss angezweifelt werden. Eine weitere Frage ist, was Holiday überhaupt möchte. Nach dem Trade von Davis blieb Holiday loyal, inzwischen ist er trotz Zion oder Ingram eine Art Identifikationsfigur im Big Easy.
Sollte also kein überzeugendes Angebot in dieser Offseason kommen, ist es wahrscheinlich, dass Holiday zumindest mal bis zur Trade Deadline in Louisiana bleibt. Ist dann der Playoff-Zug bereits abgefahren, werden die Pels mit Sicherheit immer noch ein gutes Paket für den 30-Jährigen bekommen.
Ähnlich dürfte es sich mit Redick (36) verhalten, dessen Vertrag 2021 ausläuft. Der Shooter startete unter SVG seine Karriere und lobte den Coach in seinem Podcast bereits in den höchsten Tönen. Es ist unwahrscheinlich, dass er einen Trade forcieren wird, um sich einem "echten" Titelanwärter anzuschließen.
New Orleans Pelicans: Win now oder Win bald?
Vielleicht ist dies in ein paar Monaten auch gar kein Thema mehr. Schon in der vergangenen Saison konnten die Pelicans in Phasen auch mit den Spitzenteams mithalten, am Ende fehlte meist die Abgezocktheit beziehungsweise in den entscheidenden Momenten die Erfahrung.
In Ingram und Williamson haben die Pels bereits zwei potenzielle All-NBA-Spieler, sodass die Frage bald nicht "Wie gut können die Pelicans in den kommenden Jahren?" lauten könnte, sondern "Was braucht das Team, um jetzt zu gewinnen?"
An Draft-Picks mangelt es nicht, dafür hat der Davis-Trade gesorgt. Das Fundament scheint gelegt, nun kommt es darauf an, wie New Orleans sein Team in der Zukunft um die beiden Stars ausrichtet. Eine echte Free-Agent-Destination wird NOLA nie werden, womöglich könnte aber mit den zahlreichen Assets Verstärkung per Trade geholt werden.
Auch wenn New Orleans mit seinem jungen Kern Zeit hat, die Uhr hat bereits jetzt zu ticken begonnen. Klassische Rebuilds wie es OKC zum Ende der 00er Jahre machte, gibt es in der heutigen NBA kaum noch. Die Anstellung von Van Gundy deutet an, dass New Orleans in der kommenden Spielzeit absolut wettbewerbsfähig sein möchte - und dies scheint auch die richtige Entscheidung zu sein.