"Kompliment, Lewis, du hast Geschichte geschrieben", funkte die Mercedes-Box nach der Zieldurchfahrt ins Cockpit ihres Rekordfahrers. "Danke, Jungs, danke, ohne euch wäre das alles nicht möglich", antwortete dieser: "Ich bin so stolz auf euch alle."
Seine Fahrt in die Geschichtsbücher der Formel 1 vorbei an Michael Schumacher verschlug dem Briten fast ein bisschen die Sprache. "Ich hätte mir niemals erträumt, dort zu stehen, wo ich hier und heute stehe. Das ist so ein großer Tag, ich muss das alles erstmal sacken lassen", sagte der alte und wohl auch neue Formel-1-Weltmeister nach seinem Triumphzug beim Großen Preis von Portugal.
"Ich hab ihm schon am Nürburgring gesagt: Jetzt hol dir auch die 92, das hat er getan", sagte Vettel, der mit seinem zehnten Platz "natürlich nicht zufrieden" war, dem Sieger aber neidlos gratulierte: "Diese Konstanz über die Jahre muss man erstmal bringen. Glückwunsch, Lewis."
Während Leclerc zumindest mal wieder in den Spitzenregionen des Feldes reinschnupperte, bleibt Vettel nur die Verzweiflung: "Dort, wo ich die Zeit verliere, beiß' ich mir schon das ganze Jahr die Zähne aus. Ich will mal sagen, irgendein Idiot kommt vielleicht nie dahinter, aber ob ich vielleicht ein kompletter Idiot bin? Das wage ich zu bezweifeln. Irgendwann sollte man ja auch Glück haben und die Kurve treffen. Ich treffe sie nie und wenn dann nur annähernd mit sehr viel Schwierigkeit. Auf der anderen Seite sieht das viel leichter aus", grübelte er im Gespräch mit RTL .
Hamiltins Teamkollege Bottas fehlten am Ende mehr als 25 Sekunden auf den Sieg. Wirklich erklären konnte sich der Finne das selbst nicht so ganz. Im Interview nach dem Rennen sagte er, dass er einfach keine Pace gehabt habe. Den Grund dafür kenne er nicht. Er habe heute einfach keine Chance gegen Hamilton gehabt.
Portugal-GP: Die Analyse
Beide Mercedes-Piloten kamen nur gemächlich vom Fleck, weshalb Verstappen noch auf der Start- und Zielgeraden einen Angriff auf Bottas startete, den der Finne jedoch wenige Kurven später konterte. Auch Sergio Perez (Racing Point) ging am Niederländer vorbei, worauf es zu einer Berührung zwischen beiden Boliden kam und sich der Mexikaner ins Kiesbett verabschiedete.
Vor allem in den ersten Runden schienen die auf weich gestarteten Fahrer auf der leicht nassen Strecke einen Vorteil gegenüber den Autos auf Medium zu haben, weshalb der von sieben kommende Carlos Sainz mühelos an beiden Mercedes vorbei ging und die Führung übernahm. Hinter dem McLaren-Pilot kam es zum Duell der beiden Silberpfeile, das Bottas nach einem Verbremser Hamiltons zunächst für sich entscheiden konnte. Im hinteren Teil es Feldes erwischte Kimi Räikkönen (Alfa Romeo) einen starken Start und reihte sich nach der ersten Umrundung auf Platz sechs ein.
Bereits nach drei Runden änderte sich dieses Bild jedoch schlagartig. Durch das rasche Abtrocknen der Strecke schlossen Bottas und Hamilton problemlos auf Sainz auf und gingen in Runde sieben (Bottas) bzw. acht (Hamilton) am Spanier vorbei. Auch Verstappen machte mit dem McLaren kurzen Prosess und eroberte Platz drei zurück.
Anfangs des ersten Stints schien Hamilton vor allem darauf bedacht, seine Pneus nicht überzustrapazieren, um später mit frischeren Reifen attackiern zu können. So knabberte der amtierende Weltmeister ab Runde 15 kontinuierlich am Rückstand auf seinen Teamkollegen und schloss nach 20 Umläufen zu Bottas auf.
Mit offenem Flügel hatte Hamilton schließlich keine Probleme, vorbei zu ziehen. Da der Finne auch in der Folge das Tempo Hamiltons nicht mitgehen konnte, vergrößerte sich der Abstand zwischen den beiden Mercedes bis zum ersten Stopp Hamiltons, welchen dieser in Runde 40 absolvierte, auf über zehn Sekunden.
In der zweiten Rennhälfte zeichnete sich ein ähnliches Bild ab. Auch auf den harten Reifen schien Hamilton besser klar zu kommen und konterte schnelle Runden von Bottas stets mit eigenen Bestzeiten. Nach der kompletten Renndistanz von 66 Runden hatte der Finne über 25 Sekunden Rückstand auf den Tagessieger - eine Welt in der Formel 1. Auch der Extrapunkt für die schnellste Rennrunde ging an Hamilton.
Hinter den beiden Silberpfeilen fuhr Verstappen ein einsames Rennen als Dritter, sowohl nach vorne als auch nach hinten betrug der Abstand zum nächsten Fahrzeug über zehn Sekunden. Vettels Teamkollege Charles Leclerc stellte seinen Ferrari auf einem starken vierten Rang ab. Die Top-10 komplettierten Pierre Gasly (AlphaTauri, 5.), Carlos Sainz (McLaren, 6.), Sergio Perez (Racing Point, 7.), Esteban Ocon (Renault, 8.) Daniel Ricciardo (Renault, 9.) und Vettel (Ferrari) als Zehnter.
Portugal-GP: Die Reifenstrategie
Entgegen der Annahme und druch die leicht feuchte Fahrbahn begünstgt, hatten vor allem die auf Soft gestarteten Piloten einen Vorteil am Start, da diese deutlich schneller Temperatur in die Reifen bekamen und dementsprechend über mehr Grip verfügten. Speziell Räikkönen machte sich dies zu Nutze und kletterte allein in der ersten Runde zehn Plätze nach oben.
Nach nicht einmal zehn Runden war dieser Vorteil aber dahin. Zusehends brachen die Rundenzeiten der Fahrer auf Weich ein, weshalb die erste Boxenstoppwelle nicht lange auf sich warten ließ. Die auf den Mediums gestartete Spitze zog ihren Stopp hingegen extrem weit nach hinten, entschied sich nach dem Wechsel aber ebenfalls für die sichere Variante und fuhr das Rennen auf den harten Reifen zu Ende.
Highlight des Rennens: Enge Zweikämpfe
Obwohl das Streckenlayout des Autodromo Internacional do Algarve eigentlich nicht zum Überholen geschaffen ist, durften sich die Zuschauer des Portugal-GPs über einige spannende und enge Duelle auf der Strecke erfreuen. Vor allem die Kurvenkombinationen nach den beiden langen Geraden waren Schauplatz einiger enger und größtenteils fair geführter Zweikämpfe.
Top des Rennens: Kimi Räikkönen
Auch mit 40 Jahren zeigt der Ex-Weltmeister Wochenende für Wochenende, warum er nach wie vor zu den schnellsten Leuten im Feld gehört. Trotz unterlegenem Material lieferte sich Räikkönen spannende Duelle mit den Mittelfeldteams und landete am Ende wegen guter Strategie und einem ganz starken zweiten Stint auf Rang elf - unter anderem vor dem Red Bull von einem gewissen Alexander Albon. Ebenfalls sehr gut unterwegs: Pierre Gasly.
Flop des Rennens: Valtteri Bottas
Eigentlich lief zu Rennbeginn alles nach Plan für den Finnen. Trotz eines eher mauen Starts entriss Bottas seinem Teamkollegen die Führung und schien das Rennen fortan kontrollieren zu können - zumindest bis zu dem Zeitpunk, als sich Hamilton entschied die Handbremse zu lösen. Zwischen Runde 15 und Runde 50 nahm der Brite Bottas knapp 20 Sekunden Zeit ab, teilweise lag pro Umlauf über eine Sekunde zwischen den beiden Teamkollegen. Da die WM so gut wie entschieden ist, kann sich der Finne eigentlich schon jetzt auf das kommende Jahr vorbereiten.
Formel 1: Der WM Stand nach 12 von 17 Rennen
- Fahrerwertung:
Platz Fahrer Team Punkte 1 Lewis Hamilton Mercedes 256 2 Valtteri Bottas Mercedes 179 3 Max Verstappen Red Bull 162 4 Daniel Ricciardo Renault 80 5 Charles Leclerc Ferrari 75 6 Sergio Perez Racing Pont 74 7 Lando Norris McLaren 65 8 Alexander Albon Red Bull 64 9 Pierre Gasly AlphaTauri 63 10 Carlos Sainz McLaren 59
- Kontrukteurswertung:
Platz Team Punkte 1 Mercedes 435 2 Red Bull 226 3 Racing Point 126 4 McLaren 114 5 Renault 120 6 Ferrari 93 7 AlphaTauri 77 8 Alfa Romeo 5 9 Haas 3 10 Williams 0