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Die Rookie-Receiver: Was ist dran an dem Hype?
Draft-Klassen zu bewerten ist eine Sache für sich. Manche sagen, dass erst nach drei Jahren das erste Fazit gezogen werden sollte, wenngleich sich bis dahin die Umstände für einzelne Spieler mehrfach verändert haben, Verletzungen eine Rolle gespielt haben und diverse andere Faktoren entscheidendem Impact gehabt haben können.
Der in meinen Augen beste Weg sind regelmäßige Updates. Unmittelbar nach dem Draft bewertet man am ehesten den Prozess eines Teams und gewichtet die eigenen Pre-Draft-Analysen zu den jeweiligen Spielern noch stark.
Diese Einschätzung kann jedoch dann schon bald überholt sein, wenn ein Team einen Spieler überraschend anders einsetzt - und der Spieler plötzlich ungeahnte Qualitäten zeigt. Ein Paradebeispiel dafür ist in diesem Jahr Chargers-Rookie-Quarterback Justin Herbert, der zwar einige der erwarteten Probleme hat - in puncto Deep Passing Game und Umgang mit Pressure aber viel weiter ist als sein College-Tape vermuten ließ.
Manchmal werden Spieler schlicht im College nicht gemäß ihrer Stärken eingesetzt. Das kann die gesamte Draft-Einschätzung über den Haufen werfen - und dann ist es wichtig, die zumindest in den entsprechenden Teilen auch schnell hinter sich zu lassen.
Das Kronjuwel der Draft-Klasse 2020 waren im Vorfeld ohne Zweifel die Wide Receiver. Insgesamt 35 Receiver wurden im Draft dieses Jahr ausgewählt, und damit fast so viele wie Offensive Tackles und Offensive Guards zusammengerechnet (38).
Und was ist der Zwischenstand, das erste Update gewissermaßen? Kurz zusammengefasst: Sehr, sehr gut.
Nach den ersten sechs Spielen gibt es mindestens sieben Rookie-Receiver, die nicht nur positiv herausstechen, sondern bereits tragende Rollen innerhalb ihrer Offenses haben: Justin Jefferson (Vikings), CeeDee Lamb (Cowboys), Chase Claypool (Steelers), Laviska Shenault (Jaguars), Tee Higgins (Bengals), Henry Ruggs (Raiders) und Jerry Jeudy in Denver. San Franciscos Brandon Aiyuk hat ebenfalls immer mehr seine Rolle gefunden.
Auffällig ist dabei, wie die Rookie-Receiver bereits in vorteilhafte Rollen und Matchups gepackt werden. Lamb spielt in Dallas über 90 Prozent seiner Snaps im Slot, wo er rein körperlich schon ein klares Mismatch darstellt. Auch Jeudy mit knapp 80 Prozent im Slot, Ruggs (50 Prozent) und Jefferson (42 Prozent) bekommen den Vorteil, häufiger mit einem freien Release arbeiten und dann das ganze Feld attackieren zu dürfen.
Bei all diesen frühen Erfolgsgeschichten ist außerdem übergreifend klar, was für einen deutlich sichtbaren Plan die jeweiligen Teams für ihre Rookie-Receiver haben.
Claypool in Pittsburgh bekommt von Woche zu Woche eine ausgeprägtere Rolle, nicht nur was die Volume angeht, sondern auch die Art und Weise, wie die Steelers ihn einsetzen. Shenault in Jacksonville ist die klare Nummer 2 und wird wie das Schweizer Taschenmesser eingesetzt, das er ist. Und Ruggs hat die Raiders-Offense komplett transformiert, es ist eine absolut andere Offense, wenn Ruggs auf dem Feld steht.
Wir sind natürlich noch früh im Prozess, sehr früh.
Aber mit der Halbzeit-Marke dieser Saison am Horizont ist mein erstes Zwischenfazit klar: Diese Receiver-Klasse wird dem Hype bislang absolut gerecht, und mehr.
Holredas : Darf man Ryan Tannehill hypen?
Man darf! Mit einigen Einschränkungen, aber man darf. Dass Tannehills Titans-Karriere ziemlich wenig mit seiner Dolphins-Karriere zu tun hat, ist keine Neuigkeit. In Miami hatte er mal gute Phasen, gute Spiele - aber keinen konstanten Erfolg, und wenn die Dolphins mal über einen längeren Zeitraum gut spielten, dann war es meist verknüpft mit einem dominanten Run Game und Tannehill fiel eher selten wirklich auf.
Das änderte sich bereits letztes Jahr, nachdem er für Marcus Mariota in Tennessee übernommen hatte. Die Schlagzeilen bekam oftmals Derrick Henry, gerade weil er dann in den Playoffs für die Highlights sorgte - doch der Spieler, der die Offense geöffnet und sie zur gefährlichsten Big-Play-Offense der Liga gemacht hatte, war Tannehill.
Und hier passte auch einfach viel zusammen. Tannehill war spektakulär im vertikalen Passspiel, Tennessee hatte ein erbarmungsloses Play-Action-Passspiel und arbeitete viel mit simplen mitteltiefen und tiefen Crosser-Elementen. Hinter einer sehr guten Offensive Line, mit Henry als Rushing-Bedrohung und A.J. Brown, der sofort einschlug. Tannehill holte das Maximum aus idealen Umständen heraus.
Was mich dieses Jahr am meisten beeindruckt, ist die Tatsache, dass ein gewisses Maß an Regression genau da eingesetzt hat, wo man es vermuten musste - und Tannehill inzwischen dennoch wieder auf einem sehr hohen Level spielt. Es sind merklich weniger Big Plays bei tiefen Pässen als letztes Jahr, das vertikale Element kommt zwar weiter primär via Play Action, doch über die vergangenen Spiele - synchron zur Rückkehr von A.J. Brown - hat Tannehill sich auch im Dropback Passing Game merklich stabilisiert.
Der Kreuzbandriss bei Left Tackle Taylor Lewan ist jetzt ein echter Schock für dieses Titans-Team, umso mehr, da Erstrunden-Pick Isaiah Wilson bisher zumindest sportlich überhaupt nicht in Erscheinung getreten ist. Das könnte für die Offense noch ein ernsthaftes Problem werden.
Kann Tannehill das Team trotzdem tragen, sollte das nötig werden? Umso mehr, falls die eigene Defense weiter anfällig bleibt? In einer schon jetzt eindrucksvollen zweiten Karriere-Hälfte wäre das ein bemerkenswerter Schritt in Richtung der Top-10-Quarterbacks.
Hendrik : Sind die Steelers das beste oder zumindest das ausgeglichenste Team in der AFC?
Das "beste Team" geht mir doch zu weit, dafür habe ich noch zu viele Fragezeichen. Pittsburghs Offense läuft zunehmend sehr rund, doch wo ist das Ceiling hier für die Steelers? Gleichzeitig ist die Defensive Line eine der zwei, drei besten D-Lines ligaweit; die Secondary dahinter aber wackelt Woche für Woche und gegen stärkere Teams wird sich das auch gravierender bemerkbar machen.
Aber was ich den Steelers gebe, ist, dass sie ausgeglichen sind. Eine Top-10-Defense, eine Top-12-Offense auf die gesamte Liga betrachtet, so würde ich Pittsburgh grob einordnen. Zu was das reicht, wird sich zeigen; meine Vermutung ist, dass Pittsburgh offensiv den konstanten Sprung in die Top-8 schaffen muss, um in dieser Saison wirklich für Furore sorgen zu können.
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Trade-Deadline: Die spannendsten Trade-Szenarien
MurphysLawyer : Welche Trades möchtest du vor der Deadline sehen?
Was letztlich tatsächlich realistisch passieren könnte, ist eine andere Geschichte und war an dieser Stelle bereits in der Vorwoche Thema .
Ich gehe etwa stark davon aus, dass der Trade von Jets-Defensive-Tackle Steve McLendon nach Tampa Bay nur der Anfang eines großen Ausverkaufs bei Gang Green war. Die Texans könnten jetzt irgendwann anfangen, sich zumindest ein paar Draft-Ressourcen durch Trades zurückzuholen und auch in Washington deutet vieles auf einen großen Umbruch hin.
Mit alledem im Hinterkopf - diese Trades würde ich sehr gerne sehen:
Jamison Crowder von den Jets zu den Packers
Gerüchten zufolge nehmen die Jets derzeit Anrufe zu jedem Spieler entgegen - abgesehen von Rookie-Tackle Mekhi Becton. Neben Sam Darnold und Quinnen Williams dürfte Jamison Crowder der attraktivste Trade-Kandidat sein. Und im Gegensatz zu den anderen beiden wäre es in seinem Fall vor allem leistungsbedingt, nicht aufgrund des theoretischen Potenzials oder einer noch immer vorhandenen Pre-Draft-Haltung.
Crowder dagegen ist einfach ein konstant verlässlicher Slot-Receiver. Das war er bereits in Washington, und das ist er auch jetzt unter furchtbaren Umständen in New York. Vor diesem Spieltag hatte unter Receivern mit mindestens 75 Slot-Snaps nur Julian Edelman (2,97) mehr Yards pro gelaufener Slot-Route als Crowder (2,9). Er rangiert damit vor CeeDee Lamb, vor Tyreek Hill, vor Tyler Lockett.
Mit seinen Qualitäten wäre Crowder eine exzellente Ergänzung zu Davante Adams und den eher größeren Receiver-Targets in der Packers-Offense. Green Bay ließ nach dem Rückstand gegen die aggressive Bucs-Defense nicht zuletzt einen offensiven Plan B vermissen. Crowder könnte für solche Szenarien eine echte Alternative sein und Green Bays Passspiel eine zusätzliche Dimension geben.
Sam Darnold von den Jets zu den Colts
Das ist in einer Saison die Jets-Fans einfach nur noch beenden wollen die letzte große Frage: Wie fällt das Urteil zu Sam Darnold aus? Gibt es so etwas intern überhaupt schon? Möchte man ihn behalten, um ihn als mögliches Verkaufsargument für den Nachfolger von Adam Gase zu nutzen? Oder muss der Umbruch ohnehin so gravierend sein, dass Darnold keinen zweiten Vertrag in New York bekommen wird?
Genug gezeigt, um einen solchen zu rechtfertigen, hat er bislang jedenfalls nicht. Einzelne Highlight-Momente sind mit dabei, mehr aber auch nicht. Indianapolis könnte der ideale Spot für ihn sein: Er kann hinter Rivers und in einem stabilen Umfeld mit angesehenen Coaches lernen, sollte der Routinier aber doch irgendwann rapide abbauen, wäre er eine Alternative neben Jacoby Brissett dahinter. Und Indianapolis hätte für die kommende Saison intern zwei Optionen, um die mögliche Rivers-Nachfolge zumindest vorerst zu klären.
Gleichzeitig ist Darnold aber auch erst 23 Jahre alt, er ist 2021 noch sehr günstig und vielleicht könnte er ja tatsächlich seine Entwicklung unter signifikant besseren Umständen, mit besserem Coaching, in komplett andere Bahnen lenken.
J.J. Watt von den Texans zu den Seahawks
Die große Frage: Kann Houston es sich Image-technisch erlauben, J.J. Watt zu traden? Dessen Vertrag würde es allemal zulassen, und Watt wäre eine der wenigen Trade-Optionen, die den Texans womöglich tatsächlich wertvolles Draft-Kapital einbringen würde. Watt wird bald 32 Jahre alt, hat eine lange Verletzungsakte - und ist gleichzeitig aber auch das Gesicht dieses Teams, und das seit vielen Jahren.
Er ist auch der einzige halbwegs gefährliche Pass-Rusher in Houston, doch gleichzeitig ist es für die Texans eine ganz simple Frage: Wollen sie mit Watt über 2021 hinaus verlängern? Falls das nicht der Plan ist, dann könnten sie ihn genauso gut jetzt traden. Houston wird in jedem Fall einen Umbruch durchlaufen müssen und dürfte kaum nächstes Jahr wieder zu den Titelkandidaten zählen.
Ganz anders die Lage in Seattle. Die Seahawks gehören in dieser Saison zum engsten Kreis der Titelanwärter, und solange die Offense derart den Fuß auf dem Gaspedal hält, kann Seattle jedes Spiel gewinnen. Und doch ist das Pass-Rush-Defizit überdeutlich: Jamal Adams strahlt dabei noch die größte Gefahr aus, kein Seahawks-Verteidiger hat nach fünf Spielen mehr als zwölf Quarterback-Pressures. Um die eigene Offense ein wenig zu entlasten und der Defense etwas mehr Spielraum zu geben, wäre Watt eine spannende Lösung, selbst wenn es nur kurzfristig wäre. Watt könnte nach der Saison ohne Dead Cap entlassen werden.
Und die Seahawks haben ja bereits letztes Jahr gute Erfahrungen mit einem Ex-Texans-Pass-Rusher als kurzfristige Hilfe gemacht.
Dwayne Haskins von Washington zu den 49ers
Zu Haskins' Situation und Washingtons Quarterback-Politik generell später noch mehr, klar scheint zu sein: Haskins spielt in den Planungen von Ron Rivera keine Rolle mehr und Washington ist einer der heißesten Kandidaten, um im kommenden Draft sehr hoch einen neuen Quarterback auszuwählen.
Haskins' Trade-Value wird dementsprechend über die kommenden Monate fallen und fallen - sollte die Annahme bezüglich der Quarterbacks in Washington richtig sein, dann wäre es sinnvoll, den Trade noch jetzt bis zur Deadline durchzuziehen.
Und wer käme dafür in Frage? Teams, die über diese Saison hinaus auf eine ungewisse Quarterback-Zukunft zusteuern. Pittsburgh womöglich, vielleicht auch Detroit oder Atlanta, sollten dort tiefgreifende Umbrüche erfolgen. Oder eben die 49ers.
San Francisco ist in der Kategorie in einer gleichermaßen schwierigen wie auch spannenden Situation: Die Niners haben eine solide Lösung mit Garoppolo, der allerdings auch klare Limitierungen mitbringt. Haskins müsste noch eine große Entwicklung hinlegen, um auf Garoppolos Level zu kommen. Doch sollte er das in diesem Szenario innerhalb der nächsten eineinhalb Jahre schaffen, wäre er vor allem eines: Eine deutlich günstigere Alternative für eine Offense, die keinen Superstar-Quarterback braucht, um auf einem hohen Level zu arbeiten.
Ryan Kerrigan von Washington zu den Raiders
Der Ausverkauf in Washington sollte auch vor verdienten Spielern nicht Halt machen - umso mehr, wenn die nach und nach entbehrlich werden, gleichzeitig aber immer noch Trade-Value haben.
In genau diese Kategorie fällt Ryan Kerrigan. Kerrigan ist noch immer ein solider bis guter Edge-Rusher, spielt allerdings nicht nur in einem Team, dessen Saison sportlich betrachtet nirgendwohin führt - sondern zusätzlich noch auf einer Position, die zu den wenigen Nicht-Baustellen in Washingtons Kader gehört.
Mit Chase Young und Montez Sweat hat man in der Hauptstadt die Zukunft mit First-Round-Picks jeweils in den letzten beiden Jahren gedraftet, und die Anzahl der Snaps drückt das mehr und mehr aus. Das macht Kerrigan wertvoll für Teams, die in diesem Jahr sportlich angreifen können. Seattle wäre auch hier zu nennen - aber warum eigentlich nicht die Raiders?
Las Vegas spielt eine sehr gute Saison bisher, die Offense hatte gegen Kansas City ein spektakuläres Spiel. Was weiter fehlt, ist ein dominanter Edge-Rusher; Kerrigan in die Rotation mit Crosby, Ferrell und Arden Key zu packen, würde der sehr inkonstanten Raiders-Defense deutlich mehr Stabilität verleihen.
A.J. Green von den Bengals zu den Patriots
Ich hatte am Montag bereits ausführlicher darüber geschrieben : Bei keinem Team ist es so offensichtlich wie bei den Patriots. New England braucht dringend einen echten Outside-Receiver - dann könnten die Pats auch in dieser Saison noch für Furore sorgen.
Das ist natürlich leichter gesagt als getan, denn allzu häufig sind diese Spielertypen nicht verfügbar. Bei A.J. Green allerdings könnte genau das der Fall sein - die Timeline passt einfach nicht, zwischen seinem Karriere-Spätherbst und dem Punkt, an dem die Bengals als Franchise stehen.
Für New England dagegen könnte er die perfekte (Zwischen-)Lösung sein, mit der man die gesamte Offense öffnen kann. Das würde dann potenziell auch die gesamte AFC ein gutes Stück weit spannender machen.
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Was machen die Browns mit Mayfield - und die Washington-Lehre
ChristophSebald und hainge : Causa Mayfield: Wie würdest Du als GM mit Mayfield und der QB-Situation in Cleveland verfahren? Der Eindruck verfestigt sich, dass er kein Top-10-QB wird. Aber die Browns haben vermutlich zu gute Umstände um in den kommenden Jahren einen der Top-Quarterbacks zu picken. Also wie verfahren?
Ein - für den neutralen Beobachter - sehr spannendes Dilemma. Die Browns haben viel in Mayfield investiert und phasenweise hat er die Ansätze eines Franchise-Quarterbacks gezeigt. Wir wissen, dass das Talent, wenn auch inkonstant, da ist.
Aber Mayfields Entwicklung zeichnet eben von der grundlegenden Richtung her ein anderes Bild: Er ist noch immer zu ungeduldig in der Pocket, er hat noch immer Probleme damit, das Feld konstant zu lesen. Die Umstände in Cleveland lassen ihn signifikant besser aussehen als letztes Jahr , doch Mayfield für sich betrachtet spielt keineswegs bedeutend besser.
Was ist also das wahrscheinlichste Szenario? Zunächst einmal ist es gut, dass die Browns Mayfields Entwicklung über die nächsten Monate noch weiter beobachten können und wer weiß - womöglich macht er doch irgendwann den großen Fortschritt in Stefanskis Offense. Aber rein von der Prognose ist es deutlich wahrscheinlicher, dass die Browns bald folgende Frage für sich beantworten müssen: Wären sie gewillt, für mehrere Jahre den Weg zu beschreiten, den die Bengals über Jahre mit Andy Dalton gegangen sind? Oder will Stefanski dann lieber seinen eigenen Quarterback auswählen und entwickeln?
Ersteres ist dabei keineswegs abwertend gemeint. Dalton und die Bengals hatten einige sehr gute Jahre, zumindest was die Regular Season angeht. Insbesondere 2015 war die Offense eine der ligaweit besten Units - bis Dalton verletzt ausfiel. Doch die Offense war eben dann gut, wenn Dalton mit die besten Umstände um sich herum hatte. 2015 fingen ein dominanter A.J. Green, Marvin Jones, Mohamed Sanu und Tyler Eifert seine Pässe, während er hinter einer - den Right Tackle mal ausgenommen - exzellenten Offensive Line viel Zeit bekam.
Die Browns sind aktuell nahe dran an vergleichbaren Umständen. Doch wie lange kann man die aufrecht erhalten? Und überhaupt: Sollte das die Formel sein? Oder ist es zu riskant, ein Upgrade für einen durchschnittlichen Quarterback zu suchen, auf die Gefahr hin, dass man die guten Umstände komplett verschwendet, weil man sich auf der wichtigsten Position im Umbruch befindet?
Noch muss Cleveland diese Frage nicht final beantworten. Doch falls sich Mayfields Entwicklung so fortsetzt, sollten die Browns zumindest mal die Day-2-Quarterback-Prospects für den kommenden Draft genauer unter die Lupe nehmen. Die 2018er Draft-Klasse, aus der auch Mayfield kommt, ist die erste Klasse, für die die 5th-Year-Option nicht nur für den Verletzungsfall komplett garantiert ist - sie ist generell vollständig garantiert. Das wird so manche Entscheidung in dieser Hinsicht signifikant verändern.
Football_andtheotherfootball : Warum ist Washington nicht für Tua mit dem Nummer-2-Pick im Draft gegangen, wenn Haskins keine wirkliche Chance bekommt?
Ich erinnere mich noch sehr lebhaft an die Debatten damals, und der Tenor war meist ja recht eindeutig: Washington wäre verrückt, Haskins nach einem Jahr aufzugeben. Und grundsätzlich kann ich diese Position sehr gut verstehen, entscheidend ist die Frage, was der Standpunkt von Ron Rivera und dem neuen Trainerstab bei Haskins im Frühjahr war. Dazu gleich noch einige Gedanken.
Aber generell wirft es eine interessante allgemeine Frage auf: Der Quarterback ist mit Abstand die wichtigste Position auf dem Feld, da dürfte kaum jemand widersprechen - und abgesehen von sehr wenigen Ausnahmen sind Teams nur relativ selten im Draft in der Position, eines der Top-Quarterback-Prospects zu bekommen. Arizona hat hier eine Art Barriere durchbrochen: Die Cardinals waren sich sicher, dass Murray das größere Talent ist, und gaben Top-10-Pick Josh Rosen nach nur einem Jahr auf.
Rückblickend die eindeutig richtige Wahl, natürlich hätte es aber auch schiefgehen können. Doch interessanter ist ja die Frage nach dem Prozess dahinter: sollten Teams nicht generell noch mehr gewillt sein, einen Quarterback auch nach einem Jahr schon aufzugeben, beziehungsweise zumindest ernsthafte Konkurrenz zu holen, sofern man die Möglichkeit dazu hat? Die Situation in Washington mit dem Wissen aus dieser Saison kombiniert mit dem Pre-Draft-Eindruck von Haskins gegen den Pre-Draft-Eindruck von Tua könnte andere Teams vielleicht dazu verleiten, früher auch (oder gerade?) auf der Quarterback-Position die Reißleine zu ziehen.
Nun kann es natürlich schlicht sein, dass Washington keinen der Quarterbacks im diesjährigen Draft mochte. Vielleicht hat ihnen nur Joe Burrow gefallen, auf den sie keine Chance hatten. Das darf man nicht vergessen, aber für wahrscheinlicher halte ich ein anderes Szenario: Eben, dass man die Möglichkeit sah, mit Chase Young als "sicherstem" Prospect dieser Draft-Klasse den Neustart unter neuem Regime mit möglichst wenig Kontroverse zu beginnen. Und Young ist ja auch ein toller Spieler, da gibt es keine zwei Meinungen.
Es ist eher die übergreifende Perspektive, die hier Fragen aufwirft. Hat Rivera Kyle Allen geholt, weil er bereits anhand seiner Evaluierung vor dem Draft und in der vergangenen Saison wusste, dass Haskins nicht seine langfristige Lösung ist? Hat er nur die erste Gelegenheit abgewartet, um Haskins abzusägen? Hatte Haskins in diesem Setup überhaupt eine faire Chance, wenn er nach vier Spielen in einer neuen Offense degradiert wird - oder hat er sich hinter den Kulissen über die vergangenen Wochen so desolat präsentiert, dass er sich selbst ins Aus geschossen hat?
Aus Washingtons Sicht muss man fast hoffen, dass Letzteres der Fall ist. Denn Ersteres würde darauf schließen lassen, dass Rivera mit einer stark vorgefertigten Meinung in der Hauptstadt begonnen hat und sich zudem sehr stark in die Offense einmischt. Was sein gutes Recht als Head Coach ist, für die Entwicklung dieses Teams aber wäre das vermutlich nicht der ideale Weg.
Hottte : Ravens, Saints, Eagles - der Trend geht zu 2-QB-Sets. Natürlich spielen sie selten eine Rolle, aber welche Teams könnten den Trend noch mitgehen?
Ein Thema, bei dem ich weiterhin zwiegespalten bin. Vielleicht ergibt es am ehesten Sinn, zuerst direkt auf die Frage einzugehen: Für Teams, die keinen Top-Quarterback haben, kann das eine Option sein. Anders gesagt: Wenn Drew Brees letztes Jahr in Topform war und dann plötzlich Taysom Hill auf dem Feld steht, hatte ich immer eher das Gefühl, dass das ein Sieg für die Defense und nicht eine zusätzliche Option für die Offense ist.
Denn ja, eine Defense muss sich dann auf diese weitere Möglichkeit einstellen - aber die Offense muss diese Spielzüge ebenfalls einstudieren und dafür Trainingszeit opfern. Insofern sehe ich unter dem Strich den Gewinn für die Offense deutlich geringer, als die einzelnen Highlight-Plays vermuten lassen würden. Zumindest wenn man einen Top-10-Quarterback aufbietet.
Dass es eine Starhilfe für die Offense mit einem nach wie vor wackligen Quarterback sein kann, wie jetzt am Sonntag bei den Eagles, wäre für mich das stärkste Gegenargument. "Starthilfe" kann in dem Fall heißen, dass eine Offense generell auf keinen grünen Zweig kommt, so wie es bei Philadelphia gegen Baltimore bis zum 20-Yard-Run von Jalen Hurts der Fall war. Es kann aber auch etwa heißen, dass man gegen eine exzellente Bend-but-don't-Break-Defense spielt und Richtung Red Zone alternative Möglichkeiten braucht, um im komprimierten Raum den Ball weiter zu bewegen.
Aber reicht das, um daraus einen Trend zu machen oder generell eine Idee, die Teams verfolgen sollten? Anders gefragt: Ist das die Ressourcen wert, die es kostet, einen passenden Quarterback dafür zu finden und dann die entsprechenden Plays auch einzustudieren? Da bleibe ich sehr skeptisch.