Ein kleiner Abstecher zur Metro-Haltestelle Beniferri in Valencia genügt, um herauszufinden, wie es um den FC Valencia bestellt ist. Dort, im Nordwesten der drittgrößten Stadt Spaniens, steht das "Nou Mestalla", das neue Mestalla. Besonders neu sieht es aber nicht aus. Es ist vielmehr ein großer, liebloser Steinklotz, umgeben von Unkraut und rostigen Baumaschinen.

Dem Verein fehlen auch 13 Jahre nach Beginn der Bauarbeiten die finanziellen Mittel zur Fertigstellung seiner neuen Spielstätte.

Das Projekt war wegen der spanischen Immobilienkrise im Grunde von Anfang an zum Scheitern verurteilt, dazu kam die allgemeine Misswirtschaft von Ex-Präsident Manuel Llorente beim FC Valencia. Peter Lim, Llorentes Erbe, sorgte bei den Anhängern von "Los Che" jedoch für Aufbruchstimmung, als er im Frühjahr 2014 für 94 Millionen Euro 70,04 Prozent der Anteile des Vereins kaufte und ihn so vor dem Bankrott bewahrte.

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FC Valencia: Kein neues Stadion, höhere Schulden

Der Geschäftsmann aus Singapur kündigte großspurig an, den Schuldenberg von damals knapp 365 Millionen Euro zu tilgen und den Bau des Stadions schnellstmöglich abzuschließen. Viele glaubten ihm. Viele wurden enttäuscht.

Mittlerweile droht dem Steinklotz sogar der Abriss. Für Nostalgiker unter den Fans wär es zwar wohl kein allzu großes Problem, würde ihre Mannschaft auch in Zukunft im alten Mestalla spielen.

Valencias Schuldenberg ist in der Ära Lim aber um weitere 150 Millionen Euro angewachsen, wie mehrere spanische Medien übereinstimmend berichten. Und so verwundert es nicht, dass sich die Mitglieder der bekannten Fan-Gruppierung "Curva Nord" in großer Regelmäßigkeit verabreden, um gegen Lim zu protestieren.

Zuletzt trafen sie sich vor dem alten Mestalla und zündeten Kerzen an. "Unser Klub ist tot", so ihre Botschaft. Auf nahezu allen Spruchbändern zu lesen: "LIM GO HOME!"

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FC Valencia: Der Zorn entlädt sich an Lims Marionette Murthy

Dabei ist Lim eigentlich schon zu Hause. Er kommt ein- bis zweimal im Jahr in repräsentativer Funktion nach Valencia. Den Rest des Jahres verbringt er lieber im 11.300 Kilometer entfernten Singapur, seiner Heimat.

Zum einen kann er sich dort den für ihn wirklich wichtigen Dingen des Lebens widmen, nämlich seinen Geschäften, zu denen etwa der Vertrieb von Palmöl gehört. Zum anderen braucht er dort keinen persönlichen Bodyguard, wenn er auf die Straße geht. In Valencia gibt es nicht wenige Leute, die den 67-Jährigen gerne ihren Zorn spüren lassen würden.

Dieser Zorn entlädt sich gerade an Anil Murthy, einem anderen singapurischen Geschäftsmann, der im Organigramm des FC Valencia seit 2017 als Präsident aufgeführt wird. Tatsächlich ist Murthy aber nur eine Marionette von Lim, dem die bedauernswerte Aufgabe obliegt, den Anweisungen aus der Ferne Folge zu leisten. Anweisungen, die inzwischen nicht mehr nur die Fans irritieren, weil sie auch unmittelbare sportliche Konsequenzen haben.

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FC Valencia: Spieler macht Ärger auf Instagram Luft

"Erst ein ambitioniertes Projekt zerstört, dann meinen Trainer und jetzt auch mich hintergangen. Vielen Dank, Anil Murthy", tat Geoffrey Kondogbia am Donnerstag auf Instagram kund. Näher wollte der zentralafrikanisch-französische Mittelfeldspieler nicht auf seine Aussagen eingehen, es lag aber auf der Hand, worum es ging.

In Valencia kursierte zuletzt das Gerücht, Kondogbia solle wie so viele andere Spieler vor ihm verkauft werden, um Geld in die klammen Klubkassen zu spülen. Daraus wurde trotz eines Angebotes von Atletico Madrid am "Deadline Day" aber nichts. Ein Schlag ins Gesicht für einen ehrgeizigen Fußballer wie Kondogbia. Denn wer sich als ehrgeiziger Fußballer definiert, ist seit dieser Saison in Valencia falsch aufgehoben.

Die Mannschaft ist nach einer für Lim-Verhältnisse mittlerweile typischen Chaos-Saison mit drei Trainern nicht im internationalen Geschäft vertreten. Überhaupt hat sie wenig mit der Mannschaft zu tun, die im Mai 2019 die Copa del Rey gewann und kurzzeitig den Anschein erweckte, wieder zu dem Valencia werden zu können, das zu Beginn des Jahrtausends den beiden Großen, Real Madrid und dem FC Barcelona, die spanische Meisterschaft streitig gemacht hatte.

Das Unheil begann mit dem Aus von Erfolgstrainer Marcelino Garcia, der keine vier Monate nach dem größten Triumph in der jüngeren Vereinsgeschichte gehen musste, nachdem er die Funktion von Lim-Konzern Meriton Holdings infolge der zurückhaltenden Transferpolitik des Klubs infrage gestellt hatte.

Die Mannschaft, angeführt von Kapitän Dani Parejo, rebellierte daraufhin mehrere Tage, ehe sie unter Marcelinos überfordertem Nachfolger Albert Celades wieder den Trainingsbetrieb aufnahm. Die chaotischen Geschehnisse außerhalb des Rasens gingen aber nicht spsrcos an den Spielern vorbei. "Wir wissen nicht, in welche Richtung sich der Verein bewegt. Es gibt überhaupt keinen Plan", klagte Parejo im Februar.

Heute spielt er ein paar Kilometer südlich von Valencia Fußball. Er und sein Mittelfeldpartner Francis Coquelin wurden an den FC Villarreal verscherbelt, Kritik und Widerstand werden unter Lim nun einmal nicht geduldet. Dazu verkaufte der Klub auch noch Torjäger Rodrigo Moreno an Leeds United und verlor in Ferran Torres sein wohl größtes Offensivtalent seit David Silva an Manchester City.

Valencias neuer Trainer wollte schon hinschmeißen

Die Fans liefen insbesondere nach dem Abgang ihres Lieblings Parejo Sturm. Der in den Sozialen Netzwerken sogar mit Morddrohungen konfrontierte Murthy kam nicht umhin, sich erstmals in seiner Amtszeit als Präsident über die offiziellen Vereinskanäle zu Wort zu melden und den plötzlichen Ausverkauf zu erklären.

"Alle Vereine müssen sparen, wir auch", sagte der 47-Jährige. "Ich kann aber versprechen, dass wir nach der Transferperiode eine Mannschaft haben werden, die dem FC Valencia gerecht ist."

Am Morgen des 6. Oktober stand fest, dass auch dieses Versprechen eine Lüge gewesen war. Der Klub hatte bis zur Schließung des Transferfensters keinen einzigen neuen Spieler verpflichtet. Ganz zum Ärger des neuen Trainers Javi Gracia, der wutentbrannt in Murthys Büro aufschlug, um nur wenige Wochen nach seiner Ankunft seine Kündigung einzureichen.

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Lims Tochter: "Dürfen mit dem Verein machen, was wir wollen"

Murthy hatte sich auf dieses Szenario jedoch schon bestens vorbereitet und eine Klausel in Gracias Vertrag einbauen lassen, die dem Klub im Falle einer einseitigen Kündigung drei Millionen Euro bescheren würde. Gracia wollte diese Summe logischerweise nicht zahlen und machte, auch weil ihn die Mannschaft darum bat, weiter. "Wir müssen unsere Ansprüche nach unten schrauben", sagte der 50-Jährige, mit diesem Kader sei Europa "kein Thema" für Valencia.

Nach sechs Spielen stehen sieben Punkte auf dem Konto von Gracias Mannschaft. Weitaus bedenklicher als die tabellarische Situation ist aber die vergiftete Atmosphäre, die sich durch den gesamten Verein zieht. Exemplarisch für Lims Schreckensherrschaft stehen die Worte seiner Tochter Kim, die ihre Reichweite als Influencerin Anfang Juli nutzte, um Valencias Anhängerschaft noch mehr zu provozieren.

"Ich höre immer wieder von Kritik an unserer Familie. Tatsache ist: Der Verein gehört uns und wir dürfen mit ihm machen, was wir wollen", schrieb sie bei Instagram. Die Frage, die sich jeder Valencianista stellt: Was wollen Lim und sein Gefolge mit dem Klub machen? Der wirtschaftliche Ruin ist bereits erreicht, der sportliche droht erreicht zu werden.

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Valencia-Legende: "So kann es nicht weitergehen"

Neun Trainer wurden seit 2014 verschlissen, Spieler kamen und gingen - meist auf Geheiß des portugiesischen Vermittlers Jorge Mendes, der aufgrund seiner engen Freundschaft zu Lim im Hintergrund ähnlich viel rumpfuscht wie bei den Wolverhampton Wanderers.

Darüber hinaus wurden fähige Führungskräfte wie Francisco Rufete oder Mateu Alemany mit teils fragwürdigen Methoden abgesägt. Alemany etwa erfuhr über die Medien von seiner Entlassung als Sportdirektor im November 2019, auf eine Begründung warte er "bis heute", so der 57-Jährige. Cesar Sanchez, sein Nachfolger, warf im Juni nach nur einem halben Jahr selbst hin. Ein neuer Kaderplaner wurde seither nicht bestimmt.

"Es passieren seltsame und traurige Dinge im Verein", weiß Valencia-Legende Gaizka Mendieta. "So kann es nicht weitergehen." Wie viele andere Beobachter glaubt auch der frühere Mittelfeldspieler, dass Lim weder in den Verein investiert noch sich um dessen fußballerischen Niedergang zu scheren scheint, weil er ihn schnellstmöglich verkaufen möchte.

Murthy dementiert diese Gedankenspiele immer wieder. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass man aber nicht allzu viel auf seine Worte geben sollte.