Lukebakio im falschen Hemd - oder: Herthas Probleme:
Jetzt mal Hände hoch, wer sich noch an Marcell Fensch erinnert? Der sollte für den 1. FC Köln mal sein Bundesliga-Debüt geben, als Einwechselspieler. Wollte rein, hatte aber das Trikot nicht zur Hand. Leider in der Kabine vergessen. War eine große Geschichte damals und für Fensch der Anfang vom Ende der Profikarriere - noch bevor die hätte richtig beginnen können.
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An diesem Wochenende trabte Dodi Lukebakio zur Einwechslung und hatte ein Trikot an. Nur eben das falsche: Darauf stand "Dilrosun". Nun mag das eine kleine, unbedeutende Episode gewesen sein und für Lukebakio ohne größere Folgen, sie illustriert aber eigentlich ganz gut, was bei Hertha BSC derzeit alles nicht funktioniert. (Video: Lukebakio mit falschem Trikot) .
Die Berliner haben sich eine sündhaft teure Truppe zusammengekauft, aber es fehlt dieser Ansammlung von sehr guten Spielern an grundlegenden Tugenden und einem tragfähigen Plan. Für den ist der Trainer zuständig, für alles andere aber die Spieler. Und genau da hapert es ganz gewaltig. Bisher funktionieren die vielen Hopp-oder-Topp-Spieler nicht, jene, die in einer guten Phase alles auseinanderspielen können, in den schlechten Phasen aber abtauchen.
Die noch nicht so viel Leidenschaft und Herzblut mitbringen (können) für ihren Klub, weil sie erst ein paar Wochen da sind. Oder schon ein paar Jahre, aber keine Verbindung aufbauen zu Hertha BSC. Das ist so früh in der Saison eine schwierige Phase für so ein ambitioniertes Projekt, das Jens Lehmann so gerne in den Europapokal redet. Und am kommenden Wochenende geht's zum Auswärtsspiel nach Leipzig...
RB Nagelsmann Leipzig
A propos RB Leipzig: Die Mannschaft ist nicht nur Tabellenführer, sondern macht einen unglaublich gefestigten Eindruck. Natürlich waren die Kontrahenten bisher - Mainz, Leverkusen, Schalke, Augsburg - nicht eben furchteinflößend.
Aber die Art und Weise, wie Leipzig seine Gegner erdrückt, sie geduldig und beinahe fehlerlos auseinanderspielt und sich entgegen dem allgemeinen Pressing-Umschalt-Trend der Liga fast schon erfreut, wenn sich der Gegner tiefer postiert und den eigenen Strafraum verteidigt, ist schon beeindruckend.
Man merkt Leipzig die kurze Sommerpause bisher überhaupt nicht an und auch die Abgänge der beiden besten Torjäger Timo Werner und Patrik Schick, letzte Saison zusammen für 38 Tore gut, scheinen die Mannschaft nicht besonders zu beeindrucken. Und in Konrad Laimer und Marcel Sabitzer haben die beiden heimlichen Chefs der Mannschaft wegen Verletzungen noch keine Minute gespielt.
Aber das Fundament in Leipzig ist nach einem Jahr Nagelsmann-Fußball unglaublich stark, die fußballerische Basis fängt auch Ausfälle mehrerer wichtiger Spieler bisher spielend auf. Das muss diese Handschrift eines Trainers sein, von der man immer wieder liest.
Wataru Endo: Die VfB-Granate aus Japan
Shonan Bellmare, Urawa Red Diamonds, VV St. Truiden. Das klingt jetzt nicht nach großer Fußballwelt und bisher ist Wataru Endo auch so ziemlich unter jedem Radar geflogen. Bis ihn Sven Mislintat in Belgien ausgegraben und in diesem Sommer fest verpflichtet hat. Für die fast schon lächerliche Summe von 1,75 Millionen Euro. Endo wurde von Stuttgarts Ex-Trainer Tim Walter lange verschmäht, schwang sich dann zum entscheidenden Mosaiksteinchen für den Aufstieg auf und zeigt nun der Bundesliga, wie auch ein No-Name-Spieler das zentrale Mittelfeld dominieren kann.
Endo ist der beste Zweikämpfer der gesamten Bundesliga, im Schnitt gewinnt der Japaner 15 direkte Duelle pro Partie. Und kein Abwehr- oder Mittelfeldspieler ist in der Luft so stark wie Endo - bei 1,78 Metern Körpergröße sehr erstaunlich. Ihn nun aber nur auf seine Fähigkeiten als Abräumer zu reduzieren, wäre viel zu kurz gegriffen. Endo ist unglaublich geschickt auch unter starkem Gegnerdruck, dreht sich immer wieder teilweise spektakulär raus, kann das Spiel aufbauen, Steckpässe spielen, ist mannschaftsdienlich und absolut zuverlässig.
Ein ziemlich kompletter Spieler und der unbesungene Held des gelungenen Stuttgarter Saisonstarts. Wäre Endo erst 21 und nicht schon 27 Jahre alt, die halbe Bundesliga würde sich schon bald um ihn reißen.
Rashica: Heilsbringer oder Sorgenkind?
Milot Rashica, Werder Bremen und Bayer Leverkusen waren die Protagonisten der ungewöhnlichsten Transfergeschichte der letzten Wechselperiode. Es war ein ziemliches Theater, das am Ende nur Verlierer produzierte: Bayer bekam einen dringend benötigten Offensivspieler nicht, Werder wartet bis heute auf die noch dringender benötigte Kohle. Und Rashica? Der spielt jetzt eben bis auf Weiteres in und für Bremen, scheint mit seiner neuen, alten Aufgabe aber noch ordentlich zu fremdeln.
Sein Trainer Florian Kohfeldt gab Rashica ein paar Tage frei, um den Kopf frei zu bekommen und die Enttäuschung etwas sacken zu lassen. Viel gebracht hat das zumindest für Rashicas Rückkehr auf den Rasen aber nicht. In Freiburg bekam Rashica 24 Minuten Spielzeit, wurde in einem auf der Kippe stehenden Spiel eingewechselt, sollte vielleicht sogar den Unterschied machen für Werder - und blieb wie ein Geist (Video: Rashica lustlos? Seine "Lowlights") .
Rashica kam auf nur acht Ballaktionen und spielte zwei Pässe. Beide in die Beine des Gegners. Er startete kein Dribbling, hatte keinen Torschuss oder eine Vorlage, stattdessen aber vier von seinen fünf Zweikämpfen verloren. Werder spielte stark überspitzt formuliert zu zehnt, in dieser Form ist Rashica jedenfalls alles andere als eine Hilfe für seine Mannschaft. Es wird eine der großen Aufgaben für Kohfeldt, den Spieler wieder für sich und sein Team zu begeistern. Werder ist aber auf Rashicas Tore angewiesen, einen Totalausfall auf dieser Position kann sich die Mannschaft nicht leisten.
Der Coronafluch hält an
Neun Spiele, vier Remis und fünf Auswärtssiege - der Coronafluch für die Heimteams hat es auch in die neue Saison geschafft. Nach einem Ausreißer am letzten Spieltag mit gleich sechs Heimsiegen hat sich der "alte" Trend wieder manifestiert. Und noch etwas ist nach nun vier Spieltagen kein Zufall mehr: Das Spielniveau in Deutschlands Spitzenklasse ist reichlich überschaubar geworden.
Die Palette an unterdurchschnittlichen Leistungen reicht von vielen technischen Fehlern über eine gewisse taktische Einöde bis hin zu fehlenden Abläufen. Die Ausnahmen bilden Teams wie die Bayern, Leipzig, meisten Dortmund, Frankfurt und Stuttgart sorgen wenigstens mit ihren eher unorthodoxen Spielern und Spielweisen für ein paar Farbtupfer.
Das Gros der Teams spielt aber schlechteren Fußball als noch in der letzten Saison. Werder, Hertha, Köln, Mainz, Leverkusen, Schalke, Wolfsburg, auch Freiburg und sogar die gut gestarteten Augsburger: Das ist fußballerische Magerkost, viel Schema F in der taktischen Ausrichtung und kaum spielerischen Highlights.
Vielleicht ist die ungewohnte Saisonvorbereitung schuld daran, vielleicht ist die Bundesliga abseits der großen drei, vier Klubs aber auch ein schnöder Einheitsbrei. Das wäre auf Dauer natürlich ein veritables Problem.