Social Media ist in der heutigen Zeit oft auch der Platz von Spott und Häme. Wenn Fußballspieler den Verein wechseln und anschließend davon sprechen, dass sie "schon als Kind in der Bettwäsche von Klub XY geschlafen haben" oder sie "schon immer Fan der Mannschaft waren", sind sarkastische Kommentare meist nicht weit.
Ähnliche Worte fielen auch nach Edouard Mendys Transfer von Stade Rennes zum FC Chelsea. Doch im Vergleich zu vielen anderen könnte man ihm diese auch abkaufen, schließlich lieferte er eine plausible Begründung hinterher.
"Ich war schon als kleines Kind Chelsea-Fan. Ich liebe diesen Klub. Als 12-Jähriger hatte ich die Chance, zu einem Spiel zu gehen. Vorher gingen wir in ein Geschäft und dann sah ich dieses Trikot. Ich habe es sofort gekauft, ich mochte den Klub schon immer", erläuterte er kurz nach seiner Unterschrift unter den Fünfjahresvertrag bei den Blues.
Edouard Mendy im Steckbrief
geboren 1. März 1992 in Montivilliers Größe 1,96 m Gewicht 86 kg Position Torhüter starker Fuß rechts Stationen Le Havre Caucriauville, AS Cherbourg, Olympique Marseille B, Stade Reims, Stade Rennes, FC Chelsea Ligue-1-Spiele/Gegentore 63/62
Chelseas neuer Keeper Edouard Mendy war mit 22 vereinslos
Mit dem Wechsel zum ambitionierten Klub aus London ging für Mendy also ein Traum in Erfüllung. Hätte ihm das jemand vor sechs Jahren prognostiziert, hätte er denjenigen wohl für verrückt erklärt, denn zu diesem Zeitpunkt stand er monatelang ohne Verein da - im Alter von 22 Jahren.
Mendy wurde in Frankreich geboren, seine Mutter kommt aus dem Senegal, sein Vater aus Guinea-Bissau. Mit 13 holte ihn Le Havre, bekannt als eine der besten Torhüterschulen des Landes. Mendy, der Gianluigi Buffon und Manuel Neuer zu seinen Vorbildern zählt, wurde allerdings bereits nach einem Jahr wieder aussortiert. Er zog zu einem Amateurklub aus Le Havre weiter.
Es sollte fünf Jahre dauern, ehe er mit guten Leistungen wieder einen Profiklub auf sich aufmerksam machen konnte. Der Drittligaverein Cherbourg holte den damals 19-Jährigen. "Im ersten Jahr spielte er nicht viel, weil er nur als Ergänzung zu unserem ersten Torhüter kam", erklärte Präsident Gerard Gohel bei SPOX und Goal . "Das änderte sich in den nächsten beiden Spielzeiten. Jeder erkannte seine Qualität, seinen positiven Charakter und seine freundliche Art", ergänzte er.
Cherbourgs Abstieg konnte Mendy nicht verhindern, den Gang in Liga vier wollte er nicht mit antreten. Mehrere französische Klubs zeigten Interesse, doch Mendy sagte allen in dem Glauben, er würde nach England zu einem League-One-Klub wechseln, ab. Das versicherte ihm jedenfalls ein ehemaliger Berater, doch der Transfer kam nicht zustande und Mendy stand plötzlich ohne Verein da.
Er meldete sich arbeitslos und der Traum von einer Karriere als Fußballprofi schien geplatzt. Es folgte ein Jahr voller Ungewissheit. "Wenn man ein Jahr arbeitslos ist, kommen natürlich Zweifel auf. Das würde selbst den Besten der Welt so gehen", erinnerte sich der 1,96-Meter-Riese 2018 in einem Interview mit SPOX und Goal . "Man wägt die Pros und Kontras ab, um die beste Lösung zu finden."
Letztlich hätte ihn sein Umfeld davon überzeugt, den Traum vom Profi-Dasein weiterhin zu verfolgen. "Hätte mir meine Familie davon abgeraten, hätte ich sicher mit dem Fußball aufgehört. Dafür kann ich ihnen nicht genug danken", ergänzte er damals.
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Olympique Marseille holte Edouard Mendy aus der Arbeitslosigkeit
Nach einem Jahr Pause bot sich endlich eine neue Chance. Mit Olympique Marseille meldete sich sogar ein absoluter Top-Klub Frankreichs, doch bei OM wurde er lediglich als vierter Torhüter geholt. Bei der ersten Mannschaft kam Mendy nicht zum Einsatz, nach Spielen bei der Zweitvertretung meldeten sich dann zumindest ein paar Klubs aus der zweiten Liga.
"Ich kann nicht verstehen, warum manche Leute denken, dass es bei OM nicht geklappt hat", zeigte sich der senegalesische Nationalspieler im Nachhinein verwundert und begründete: "Ich bin als Arbeitsloser zu Marseille gekommen. Das empfinde ich als positiv. Ich habe genug gespielt, um ein paar Vereine aus der Ligue 2 auf mich aufmerksam zu machen."
Er wechselte zu Stade Reims und ab diesem Zeitpunkt sollte es für den damals 24-Jährigen stetig bergauf gehen. In seiner zweiten Spielzeit wurde er die Nummer eins. In 34 Spielen blieb er starke 18-mal ohne Gegentreffer und hatte großen Anteil am Aufstieg in die Ligue 1.
Auch im Oberhaus präsentierte er sich mehr als ordentlich, in 14 Partien hielt er seinen Kasten sauber und veranlasste Stade Rennes, mehr als sieben Millionen Euro für seine Dienste auf den Tisch zu legen. Dort knüpfte er nahtlos an seine Leistungen in Reims an, auch dank ihm schaffte der Klub aus der Bretagne am Saisonende den Einzug in die Champions League.
In dieser wird Mendy nun aber nicht mehr mit den Franzosen, sondern mit Chelsea an den Start gehen. Dort soll er das Problem auf der Torhüterposition lösen, obwohl die Blues erst vor zwei Jahren Kepa für 80 Millionen Euro von Athletic Club aus Bilbao holten und ihn damit zum teuersten Torhüter aller Zeiten machten.
Mit seiner imposanten Statur für einen Torhüter, mit seinen schnellen Aktionen und seiner Bescheidenheit hat er gute Chancen, bei den Blues sofort die unumstrittene Nummer eins zu werden und im Alter von 28 Jahren endlich in die Riege der großen Torhüter vorzustoßen.
"Ich bin sehr stolz. Wenn ein Klub wie Chelsea an dir Interesse zeigt, beweist das, dass du Woche für Woche gut gearbeitet hast. Es heißt immer, harte Arbeit zahlt sich aus, und es ist tatsächlich so. Für mich ging es Schritt für Schritt nach oben, diesen Weg will ich nun weitergehen", hielt sich Mendy nach dem Wechsel mit großen Kampfansagen noch zurück.
"Sehr zufrieden": Frank Lampard lobt Edouard Mendy nach Chelsea-Debüt
Blues-Legende Petr Cech setzte sich persönlich ein und trat mit Mendy während der Verhandlungen in Kontakt. Auch der Tscheche wechselte damals von Stade Rennes nach London. 24 Millionen Euro kostet der neue Torhüter, sechs weitere Millionen können durch Bonuszahlungen noch dazu kommen.
Mendys Debüt ließ nicht lange auf sich warten. Fünf Tage nach seinem Wechsel bot ihn Trainer Frank Lampard im EFL Cup bei den Tottenham Hotspur erstmals auf und Mendy zeigte eine ansprechende Leistung, auch wenn sein neuer Klub letztlich im Elfmeterschießen unterlag.
"Ich finde, dass er sehr gut war. Er hatte gute Paraden, eine war sehr stark", resümierte Lampard nach der Partie. "Ich bin sehr, sehr zufrieden mit jedem Teil seines Spiels. Wirklich!" Worte, die deutlich zeigen, wie das Rennen um den Platz zwischen den Pfosten letztlich ausgehen sollte, denn auch in der Premier League war Mendy kurz darauf erste die Wahl des Trainers.
Und die Verletzung, die sich Mendy vor ein paar Tagen im Training der senegalesischen Nationalmannschaft zugezogen hat, wird die künftige Nummer eins des FC Chelsea aller Voraussicht nach nur kurz aufhalten können. Die Blessur sei "nur ein kleines Problem", verkündete Mendy bei Instagram und beteuerte, dass er so schnell wie möglich zurückkehren wird. Nach seinem langen Anlauf vor dem Sprung auf das Top-Niveau will er sich jetzt nicht mehr stoppen lassen.