Eric Maxim Choupo-Moting wechselt also zum FC Bayern. Das mag für viele überraschend kommen, mich verwundert es ehrlich gesagt aber nicht. Vielmehr ist Choupo nach PSG zum zweiten Mal bei einem Klub angekommen, zu dem er angesichts seiner Fähigkeiten perfekt passt.

Ich selbst habe Choupo im Sommer 2011 kennengelernt, als er vom Hamburger SV zu uns nach Mainz wechselte. Wenn ich an Choupo denke, kommt mir zu allererst eine Eins-gegen-Eins-Übung aus dem Sommertrainingslager in den Sinn, bei der Choupo der unangenehmste aller Gegenspieler war. Entscheidend ist, dass Choupo Qualitäten vereint, die man in dieser Kombination ganz selten findet. Einerseits ist er beweglich und technisch stark, kann den Ball gut kontrollieren, dribbeln und Leute ausspielen. Andererseits bringt er als großer, kräftiger und stabiler Spieler eine extrem gute Physis mit, weiß seinen Körper exzellent einzusetzen. Ich als Innenverteidiger hatte damals wenige Eigenschaften, mit denen ich mich erwehren konnte - und nicht nur ich bin bei der besagter Übung ein ums andere Mal an ihm verzweifelt.

Choupos Bewegungen sind vor allem angesichts seiner Größe ungeheuer geschmeidig, gleichzeitig kann er mit dem Rücken zum Tor Bälle festmachen, sich drehen und dann ins Eins-gegen-Eins gehen. Im direkten Duell ist sein Signature Move, beim Andribbeln sein rechtes Bein anzuheben und eine Rechts-Links-Bewegung anzutäuschen, um dann am Gegenspieler vorbeizuziehen. In meinen Augen ist Choupo wirklich ein sehr besonderer Fußballer.

Ich kann mich noch gut an ein Telefonat mit meinem Berater erinnern, nachdem sich Choupo, der zuvor von seinem Vater betreut worden war, bei Roger Wittmann vorgestellt hat. Roger fragte mich damals, was ich von Choupo halte und wie ihn einschätze. Da habe ich ihm nur gesagt, dass er der beste Eins-gegen-Eins-Spieler ist, dem ich in meiner bisherigen Karriere begegnet bin. Das war für Roger der endgültige Grund, mit ihm zusammenzuarbeiten.

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Nur ein Unterschied zu Ibrahimovic und Lewandowski

Ohne Übertreibung: Es ist wirklich verrückt, wie gut Choupo eigentlich ist. Sein wahrscheinlich einziges echtes Manko war immer, dass er gemessen an seiner Qualität und den Situationen, die er sich erarbeitet hat, zu wenig Zählbares aufs Papier gebracht hat. Denn Choupo bringt wirklich alles mit, ist schnell, versteht den Fußball, sprintet oft diagonal zum Tor, läuft hinter die Kette, kann flach und hoch angespielt werden. Das Einzige, das ihn von Jungs wie Robert Lewandowski oder Zlatan Ibrahimovic unterscheidet, ist die Konsequenz im Torabschluss. Vom Spiel im letzten Drittel beziehungsweise in der Box abgesehen ist er ein absoluter Ausnahmespieler, der sich im Verlauf seiner Karriere extrem verbessert hat.

Ich kann mich zum Beispiel noch daran erinnern, dass er im Passspiel zu Mainzer Zeiten ein bisschen schlampig war. Thomas Tuchel hat ihn gefordert, gefördert und getriezt, wie er es mit allen Spielern macht, bei denen er besonderes Potenzial sieht. Letztlich ist es kein Zufall, dass er ihn 2018 von Stoke City zu PSG geholt hat.

Charakterlich ist Choupo zudem ein ganz feiner Kerl, ein sehr positiver, glücklicher, zufriedener Mensch ist, der sich vom Profigeschäft nicht so sehr beeindrucken und stressen lässt. Es gibt viele Jungs, die sehr verbissen an die ganze Sache herangehen und sich einschließen, wenn sie mal nicht spielen. Choupo dagegen hat sich auch in sportlich schwierigen Zeiten nie runterziehen lassen. Aus meiner Sicht ist es außergewöhnlich, dass jemand als Offensivspieler auf so einem Level spielen kann und gleichzeitig so mannschaftsdienlich und sozialkompatibel ist.

Choupo-Moting ist kein Go-to-Player wie Boateng oder Huntelaar

Andererseits hat ihm der Egoismus, den offensive Superstars a la Lewandowski zumeist mitbringen, vielleicht auch gefehlt. Auf Schalke war er beispielsweise nie der absolute Go-to-Player, der er angesichts seiner Fähigkeiten hätte sein können. Wenn man diese Rolle haben will, muss man sie einfordern, leben und auch egoistisch zur Schau stellen, wie es damals bei Schalke Kevin-Prince Boateng oder Klaas-Jan Huntelaar getan haben.

Man muss mit Blick auf Choupos Torausbeute aber auch berücksichtigen, dass er in seiner Karriere über weite Strecken mehr Flügelstürmer oder hängende Spitze als Stoßstürmer war. Zudem hat ihn die Fähigkeit, sich nicht so sehr in den Mittelpunkt zu stellen, dahin gebracht, wo er jetzt ist. Klaas-Jan und Kevin spielten nicht für PSG und Bayern, auch wenn Letzterer kurz bei Barca unter Vertrag stand.

Wenn ich an Choupo denke, sehe ich ihn immer lachend vor meinem geistigen Auge. Er kommt wirklich mit jedem gut aus, verbringt in seiner Freizeit sehr viel Zeit mit seinen Mitspielern und verbreitet eine positive Stimmung. In Fußballvereinen gibt es immer Grüppchen - das ist ganz normal. Choupo hat die besondere Fähigkeit, irgendwie zu allen dazuzugehören.

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Choupo-Moting: Zwischen Instagram-Showman und personifizierter Bodenständigkeit

Ich weiß noch, wie wir im Sommer 2017 beide bei einem ROGON-Camp mitgemacht haben, einem Trainingslager in Österreich für vertragslose Spieler. Ich fand es beeindruckend, wie Choupo das komplette Fußballer-Klischee gelebt hat - mit teuren Autos, extravaganten Klamotten und der obligatorischen Show auf Instagram - und gleichzeitig einen unfassbar lockeren und respektvollen Umgang mit Spielern pflegte, die teilweise in der U19-Bundesliga oder irgendwo in der 3. Liga rumhingen. Da hat man einfach gesehen, wie geerdet er ist.

Für den FC Bayern ist Choupo für mich definitiv der perfekte Rollenspieler. Mit seiner Größe, Kraft und Bulligkeit gibt er den Münchnern weitere Option, ist Lewandowski in seiner Spielweise gleichzeitig nicht unähnlich.

Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass er sich gut integrieren und schnell anerkannt sein wird. Einer wie Choupo ist einfach gut fürs Mannschaftsklima, die Abschiedsposts von Kylian Mbappe und Co. sprechen eine deutliche Sprache. Choupo war bei PSG innerhalb der Mannschaft sehr anerkannt, wurde von allen gemocht.

Und auch aus Sicht der Bayern ergibt der Transfer absolut Sinn. Mit einem Lewandowski ist es nicht so einfach, einen hochtalentierten oder nominellen Top-Stürmer zu verpflichten, der öffentlichkeitswirksam seine Rolle einfordert und im Vordergrund stehen will. Insofern ist die Verpflichtung Choupos durchaus smart. Mit ihm haben sie jemanden, der in der Öffentlichkeit nicht das ganz große Standing hat und von dem keine Wunderdinge erwartet werden. Gleichzeitig weiß jeder, der mit Choupo zusammengearbeitet hat, dass er große Qualitäten hat. Nur weil Choupo vor PSG nicht bei den ganz großen Klubs gespielt hat und nie die allerbesten Statistiken hatte, bedeutet das nicht, dass er als Fußballer schlechter ist als andere.

Insofern ist Choupo in meinen Augen ein perfekter Lewy-Backup - und eben noch mehr. Er hat bei PSG unter anderem im Viertelfinale der Champions League gegen Atalanta Bergamo bewiesen, dass er in entscheidenden Momenten ein Spiel signifikant verändern kann.