Wer sich für die bisherigen Finals den einen Moment herauspicken möchte, der die Serie (vor-)entschieden haben könnte, kann sich gerade in Spiel 4 diverse Defensivsequenzen der Lakers aussuchen. Anthony Davis war dabei in fast jede involviert, blockte vier Würfe und veränderte unzählige weitere durch seine Aktivität und Präsenz.
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Den einprägsamsten Moment hatte Davis dennoch am anderen Ende des Courts. Das liegt in der Natur der Sache, weil Offensiv-Aktionen üblicherweise besser in Erinnerung bleiben als defensive ("The Block" mal ausgeklammert). Also dann: Wenn die Lakers sich Banner Nr. 17 holen sollten, war dieser Dreier von Davis vermutlich der Wurf zum Titel.
Dieser Wurf weckte Erinnerungen - an einen vergleichbaren Dagger von Kevin Durant, den dieser 2017 in Spiel 3 der Finals über LeBron James versenkte, um seinen ersten Titel einzutüten. Auch in diesem Fall stimmte der Contest von Verteidiger Bam Adebayo, doch die langen Arme und der hohe Release machen es nahezu unmöglich, Davis zu blocken.
Die Defense ist seinem Wurf - so wie es auch bei Durant der Fall ist - gewissermaßen ausgeliefert. Diese Parallele ist kein Zufall.
Sollten die Lakers den Titel holen, wird man am Ende viele Gründe dafür aufführen können - ihre elitäre Star-Power, die überragende Defense, den kollektiven IQ des Teams rund um den besten Spieler seiner Generation. Nicht zu unterschätzen ist aber auch die Entwicklung dessen Co-Stars hin zu einem elitären Shooter.
Los Angeles Lakers: Wer bringt das Spacing?
Die Lakers zählten die gesamte Saison über zum engsten Favoritenkreis auf den Titel; was jedoch immer wieder als potenzieller Schwachpunkt aufgeführt wurde, war das mangelnde Spacing. Nur elf Dreier trafen die Lakers pro Spiel (Platz 23), bei einer Quote von 34,9 Prozent (Platz 21). Es wurden folglich Zweifel laut, ob die beiden Superstars Davis und LeBron James genug Platz für ihre effektivsten Abschlüsse in Korbnähe haben würden, gerade in den Playoffs.
Diese Zweifel waren in gewisser Hinsicht berechtigt - sieht man, wie die Heat Davis verteidigen, seitdem sie ihre Zonenverteidigung in den Ruhestand geschickt haben, ist der Platz tatsächlich sehr begrenzt.
Spielern wie Kentavious Caldwell-Pope, Danny Green, Rajon Rondo oder Alex Caruso gibt Miami gerne offene Dreier, wenn die Alternative komplette Davis-Dominanz unter den Körben ist. Deswegen haben die Lakers in vier Spielen bisher 41,5 Dreier pro Partie genommen, das sind fast exakt zehn mehr pro Spiel als während der Saison (Quote: 35,5 Prozent).
Miami lässt Davis fast immer von Spielern verteidigen, gegen die er keinen Schnelligkeitsvorteil hat und die oft in der Lage sind, vor ihm zu bleiben, zumal schnell geholfen wird. Die Marschroute ist klar: Der Abschluss am Korb soll um jeden Preis verhindert werden! So soll Davis auch möglichst wenige Freiwürfe bekommen.
Anthony Davis ist in den Playoffs ein anderer Spieler
Das ist die richtige Marschroute, und trotzdem unterliegt sie einer fehlerhaften Annahme. Denn Davis ist nicht mehr der Spieler, den man limitiert, sobald er von der Zone ferngehalten wird - dafür ist sein Wurf viel zu gut geworden. In der Bubble zumindest; die Unterschiede zwischen seinen Quoten außerhalb der Zone sind im Vergleich der verschiedenen Saisonsegmente schier unglaublich.
Die Shotcharts verdeutlichen das sehr gut. Die erste Abbildung zeigt Davis' Wurfeffizienz während der Regular Season , die das Bild eines Spielers zeichnet, der von überall auf dem Court abschließen kann, aber bei weitem nicht überall effizient ist. Beige bedeutet nah am Ligadurchschnitt, Rot ist deutlich drunter, Grün deutlich über Durchschnitt. Keine Überraschung: Am Korb ist Davis ein Monster (65,6 Prozent Wurfquote).
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Nun zu seinen Zahlen in den Playoffs.
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Das ist ein anderer Spieler, oder? Vor allem aus der Mitteldistanz hat Davis in der Postseason eine neue Effizienz gefunden. Miami ist dadurch bereits das vierte Team, das feststellt, dass die "herkömmlichen" Schemen, um Spieler wie Davis zu verteidigen, nur noch bedingt valide sind.
Es ist immer noch weitaus besser, ihn zum Jumpshooter zu machen statt ihm den Weg zum Korb freizumachen - aber das Resultat ist immer häufiger das gleiche. Davis mit einem so starken Jumper verschiebt jede Gleichung, er wird zum perfekten Play-Finisher. Adebayo könnte es im obigen Beispiel defensiv nicht viel besser machen, es spielt keine Rolle.
Das war im Lauf dieser Postseason immer wieder der Fall, auch die Nuggets wurden teilweise von AD aus der Mitteldistanz abgeschossen.
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Spannend ist nun vor allem die Frage, ob diese Entwicklung haltbar ist.
Zur Veranschaulichung: Über den Lauf seiner Karriere hat Davis bisher 31,9 Prozent seiner Dreier getroffen, in den vergangenen drei Jahren nahm er pro Spiel zwischen 2,2 und 3,5 Dreier und traf zwischen 33 und 34 Prozent davon. Das ist okay, aber nicht besonders gut. In den bisherigen Playoffs sind es 40,4 Prozent bei 2,7 Versuchen, eine exzellente Quote.
Gleichzeitig sind es auch nur 21 Treffer bei nur 52 Versuchen - also eine sehr kleine Stichprobe. Auch bei den Mitteldistanzwürfen ist noch kein Volumen erreicht, bei dem man davon ausgehen kann, dass es von nun an die neue Realität repräsentiert. Das ist den Lakers für den Moment natürlich egal, schließlich wären sie auch dann Meister, wenn Davis in dieser Bubble-Zeit nur einen ausführlichen Hot Streak hatte (und sie noch den vierten Sieg holen!). Es ist dennoch im Kopf zu behalten.
NBA Bubble: Nicht nur Davis ist on fire
Auffällig ist nämlich, dass Davis nicht der einzige Bubble-Spieler mit einem gewissen Anstieg seiner Effizienz ist, der sich nicht wie bei etwa Tyler Herro darauf zurückführen lässt, dass ein extrem junger Spieler in den Monaten der Corona-Pause an seinen Schwächen gearbeitet hat.
Allein bei den Lakers findet sich mit Rajon Rondo ein weiteres Paradebeispiel: 31,6 Prozent Dreierquote über die Karriere, 39,5 Prozent in den Playoffs. Markieff Morris? 34,5 Prozent Karriere, 43,1 Prozent Playoffs. Jamal Murray oder Donovan Mitchell fallen ebenfalls in diese Kategorien. Das sind aber auch nur die prominenten Fälle.
Generell ist das Shooting in der Bubble präziser geworden, auch wenn sich die enormen Unterschiede der ersten Restart-Wochen in den Playoffs etwas reduziert haben. Die Dreierquote der gesamten Liga beispielsweise hat sich von der Regular Season (35,8 Prozent) zu den Playoffs ganz leicht gesteigert (36 Prozent), was nach nicht viel klingen mag, aber nur selten passiert:
Jahr 3FG% Regular Season 3FG% Playoffs Differenz 2018 36,2 35,1 -1,1 2019 35,5 34,5 -1,0 2020 35,8 36 +0,2
Auch das durchschnittliche Offensiv-Rating ist in den Playoffs höher (111,3) als in der Regular Season (110,6). Dazu wurden bereits etliche Theorien aufgestellt, beispielsweise müsste die Tiefenwahrnehmung in einer leeren Halle ja eine andere sein, die Geräuschbelastung ist auch neu. Sind Spieler damit näher an Trainingsbedingungen, in denen normale NBA-Profis grundsätzlich kaum daneben werfen?
Das ist eine Frage, die sich auf der Makro-Ebene erst mit mehr Zeit, einer größeren Stichprobe und einem Gegentest beantworten lässt. Derzeit ist aber nicht absehbar, wann und wie NBA-Spiele wieder vor Fans stattfinden können. Womöglich findet auch die kommende Saison überwiegend in verschiedenen Bubbles statt.
Auch auf der Mikro-Ebene ist die Frage der Haltbarkeit höchst interessant. Der Jumper war vorher nicht direkt eine Schwäche, aber auch keine Stärke von Davis - in diesen Playoffs ist das anders. Mit einem so guten Wurf ist Davis eine nahezu perfekte Scoringwaffe, auf die es eigentlich nur eine Antwort geben kann (die Miami teilweise auch fand): Ihn gar nicht erst an den Ball kommen lassen beziehungsweise ihn sofort unter Druck setzen, sobald er den Ball fängt .
In den vergangenen beiden Spielen nahm Davis nur 9 beziehungsweise 16 Würfe, in den vergangenen DREI Spielen stand er nur insgesamt siebenmal an der Freiwurflinie - beides ist an sich viel zu wenig.
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Davis und LeBron: Eine perfekte Partnerschaft
Davis hat noch nicht das Ballhandling und den Plan, um sich in jeder Situation gegen jede Defense Würfe zu erarbeiten. Das wäre die finale Stufe, der Punkt, den beispielsweise Durant und LeBron vor ihm erreicht haben. Davis ist ein Big Man mit fast allen Fähigkeiten eines Flügelspielers, er ist nur in der Hinsicht noch ein "klassischer" Big, dass man ihn ein wenig füttern und in Szene setzen muss.
Deswegen braucht er jemanden wie LeBron, um seinen höchsten Level zu erreichen, der darauf achtet, dass das Spiel nicht an Davis vorbeiläuft.
Das macht die beiden wiederum zu einem so perfekten Duo: Davis kann in diesem Tandem der vielleicht beste Zielspieler der Liga sein, ohne das Alpha & Omega der Lakers-Offense sein zu müssen. Im Kern ist er streng genommen die zweite Option, aber dann eben auch die beste ihrer Art. Früher oder später wechselt vielleicht die Rollenverteilung, aber das derzeitige Setup dient beiden Stars.
LeBron wusste schon, warum er ausgerechnet diesen Spieler neben sich haben wollte, um das eigene Titelfenster so lange wie möglich offen zu halten. Vermutlich müssen die Lakers auch in der kommenden Saison als Topfavorit gelten, zumal das Zusammenspiel von LeBron und seinen Co-Stars traditionell ab dem zweiten Jahr noch besser wird. Ist Davis' neue Effizienz real, sind diesem Duo keine Grenzen gesetzt - selbst wenn es nicht ausschließlich von elitärem Spacing umgeben ist.