1:1 gegen Spanien, 1:1 gegen Schweiz, 3:3 gegen Türkei. Das erste Fazit nach drei Einsätzen in dem Corona-bedingt erst im September begonnenen Länderspieljahr fällt für das DFB-Team ernüchternd aus. Gerade vor dem Hintergrund, dass das Team von Joachim Löw sowohl gegen die Spanier als auch gegen die Türken jeweils bis zur 90. Minute vorne lag, sich in der Nachspielzeit aber noch um den Lohn seiner Arbeit brachte.
Das Problem, eine Führung nicht ins Ziel zu bringen, ist auch der fehlenden Führung innerhalb der Mannschaft geschuldet. Die braucht dieser junge, wegen des prall gefüllten Spielplans immer wieder wild durcheinandergewürfelte Kader offensichtlich. Und die dürfte er auch bekommen, wenn mit Toni Kroos ein international erprobter Mittelfeldstratege wieder voll ins Geschehen eingreift, vor allem aber wenn die Erfolgsgaranten des FC Bayern zurückkehren. Es war fast schon ein Hilferuf an so manchen Kollegen aus München, was die deutsche Elf bisweilen zeigte.
Leistungsträger wie Manuel Neuer, Niklas Süle, Joshua Kimmich und Leon Goretzka, die in den bisherigen Länderspielen im Jahr 2020 geschont wurden, reißen ihre Mitspieler lautstark mit, weil sie dem Erfolg alles unterordnen. Gepaart mit der individuellen Klasse von Offensivakteuren wie Serge Gnabry und Leroy Sane wäre diese deutsche Mannschaft durchaus ernst zu nehmen, wie sie ja auch schon in mehreren Partien nach der WM-Schmach von 2018 angedeutet hat. So wie am Mittwochabend, als eine getunte U21 auf dem Kölner Rasen stand, aber nicht.
Neuhaus als Lichtblick - Defensive überzeugt erneut nicht
Zumindest schafften es die ebenfalls ersatzgeschwächten Türken mit einfachen Mitteln, nämlich guter Staffelung und schnellen Gegenstößen mit Ball, die Elf von Löw vor große Probleme zu stellen. Gerade spielerisch war es über weite Strecken ein enttäuschender Auftritt der DFB-Elf. Das zwischenzeitliche 2:1 durch den positiv überraschenden Debütanten Florian Neuhaus, der sich mit Kai Havertz durch die Hintermannschaft der Türken kombinierte, ging als einer der wenigen Lichtblicke eines zähen Abends aus deutscher Sicht durch.
Ansonsten war das Spiel des DFB-Teams geprägt von mühseligen, oftmals zu langsam vorgetragenen Angriffen. Auch ein taktisches Problem? Die vom Experiment anscheinend zur Dauerlösung gewordene Dreierkette mit den nicht immer sattelfesten Emre Can, Robin Koch, Antonio Rüdiger und später Jonathan Tah sowie Niklas Stark überzeugte jedenfalls (wieder einmal) nicht, weil die Außenspieler Benjamin Henrichs und Nico Schulz zu wenige Impulse im Eins-gegen-Eins setzten und auch aus dem Zentrum kaum Angebote kamen. Der bemühte Julian Brandt machte wie so oft einiges richtig, aber auch einiges nicht so richtig, während Ersatzkapitän Julian Draxler bis auf seinen Treffer mit dem Pausenpfiff für wenige erleuchtende Momente im letzten Drittel sorgte. Auch 80-Millionen-Mann Havertz und der vom SC Freiburg zu Benfica Lissabon gewechselte Luca Waldschmidt hingen trotz ihrer Torbeteiligungen in der Luft.
Das DFB-Team braucht eine Siegerachse des FC Bayern
Die Frage an den Bundestrainer muss jetzt aber nicht lauten, warum er denn nicht noch über einen Thomas Müller nachdenke, sondern wie er es ohne die von ihm auf Dauer Aussortierten schaffen will, dem entzauberten Weltmeister von 2014 ein neues Gesicht und eine neue Identität zu verleihen.
Löw bezeichnete nach dem Spiel die Chancenverwertung als eines der größten Probleme, bemängelte zugleich die fehlende Ballkontrolle und damit verbunden: vermeidbare Risikopässe in gefährlichen Zonen wie der des eingewechselten Tah auf Neuhaus vor dem 2:2. Schusseligkeiten, die bei der EM im kommenden Jahr nicht passieren dürfen. Die wohl auch nicht passieren werden, wenn eine Mannschaft auf dem Rasen steht, deren Automatismen greifen. Die eine Siegerachse stellt. Maßgeblich angeführt vom FC Bayern.