Was ist passiert und wie ist die Saison einzuschätzen?

Die Celtics haben nach einer enttäuschenden Vorsaison mit dem Ausscheiden in Runde zwei einen Schritt nach vorne gemacht, dennoch bleibt das Gefühl, dass Boston eine Chance auf die Finals liegengelassen hat. Miami war kein klassischer 5-Seed, sie verdienen das Duell mit den Los Angeles Lakers, auf der anderen Seite hinterließen Bostons Probleme in der Crunchtime einen faden Beigeschmack.

Zunächst aber das Positive. Nach einer Spielzeit voller negativer Schlagzeilen um Kyrie Irving und Streit innerhalb des Teams verkörperten die Celtics mit Ausnahme von Spiel 2 gegen die Heat eine echte Gemeinschaft, die gerne miteinander Basketball spielte. Das war im Jahr zuvor nicht selbstverständlich, als man sich mitunter auf dem Feld angiftete.

Jayson Tatum und Jaylen Brown haben nach einem Jahr Stagnation einen Schritt nach vorne gemacht, auch Daniel Theis konnte sich nach zwei Lehrjahren unter Al Horford und Aron Baynes als Starter etablieren. Kemba Walker entpuppte sich als guter Anführer, ein Rookie wie Grant Williams war beständig in der Rotation.

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Mit dem amtierenden Champion Toronto Raptors wurde ein höher gesetztes Team eliminiert. Doch was gegen die Kanadier in teils spannenden Schlussphasen noch gut ging, misslang gegen die Heat. Bei jeder Niederlage führten die Celtics zwischenzeitlich im vierten Viertel, zieht man alle Schlussviertel ab, erzielte Boston sogar gleich 22 Punkte mehr als das Team, welches sich durchsetzte.

"Wir hatten genug Chancen", bemängelte auch Coach Brad Stevens. "Am Ende hat uns aber der Wille gefehlt, diese auch zu nutzen." Es ist womöglich auch der fehlenden Erfahrung zuzuschreiben. Klar, Brown und Tatum sind fast schon alte Hasen in der Eastern Conference, doch noch nie hatten sie eine solche Verantwortung wie in diesen Playoffs. Auch für den 30-jährigen Walker war Playoff-Basketball auf diesem Niveau eine neue Erfahrung.

"Ich glaube, dass wir es am Ende erzwingen wollten", sagte Walker. "Wir hatten gute Gelegenheiten, konnten sie aber nicht nutzen."

Celtics vs. Heat: Die Serie im Überblick

Spiel Datum Uhrzeit Team 1 Team 2 Ergebnis 1 16. September 0.30 Uhr Boston Celtics Miami Heat114:117 OT 2 18. September 1 Uhr Boston Celtics Miami Heat101:106 3 20. September 2.30 Uhr Miami Heat Boston Celtics106:117 4 24. September 2.30 Uhr Miami Heat Boston Celtics 112:109 5 26. September 2.30 Uhr Boston Celtics Miami Heat 121:108 6 28. September 1.30 Uhr Miami Heat Boston Celtics 125:113

Was fehlt Jayson Tatum noch zu einem echten Superstar?

Manchmal wird man zum Opfer seiner eigenen Leistungen. Vor einem Jahr wurde noch darüber diskutiert, warum Tatum so wenig Freiwürfe zieht, warum er so viele lange Zweier nimmt. An all diesen Dingen hat der 22-Jährige gearbeitet und verdiente sich so seinen Platz im All-Star- und auch im All-NBA Third-Team.

Durch seine starken Vorstellungen, vor allem in Abwesenheit von Walker, entwickelte sich der Forward zur klaren Nummer eins im Team. Die rohen Zahlen in den Playoffs lesen sich mit knapp 26 Punkten bei 44 Prozent aus dem Feld recht gut, doch gerade Miami zeigte, dass man den Drittjahresprofi noch zu oft aus dem Rhythmus bringen kann.

Klar, über 6 Assists pro Spiel in der Serie zeigten, dass Tatum auch neben seinem Scoring Einfluss auf das Spiel nehmen kann, doch als erste Option darf es nicht passieren, dass man drei Spiele in Folge im ersten Viertel ohne Field Goal bleibt. "Es ist schwer", gab Tatum auf die Frage zu, wie es sei, ein Go-to-Guy in den Playoffs zu sein.

"Wenn du aber dieser Anführer sein willst und das von dir erwartest, dann gehst du durch diese schweren Zeiten und lernst daraus." Und genau das sollte Tatum auch machen. Die Rollen sind nun klar verteilt, er ist das Gesicht für die kommenden Jahre und dürfte in der Offseason seine vorzeitige maximale Vertragsverlängerung bis 2025 oder gar 2026 bekommen.

Ob Tatum es mal in die höchste Kaste von Superstars schaffen wird, also denjenigen, welche die klare Nummer eins bei einem Championship-Team sein können, wird sich zeigen. Die Voraussetzungen dafür sind weiterhin alle da und auch die diesjährigen Playoffs unterstreichen das Motto "Wings are Kings" mal wieder deutlich. Und Tatum ist schon jetzt einer der sechs Besten - mit jeder Menge Luft nach oben.

Ist Daniel Theis die langfristige Lösung auf der Fünf?

Die Skepsis war vor der Saison groß, ob Theis in die großen Fußstapfen von Horford und Baynes treten könnte. Im Rückblick kann man feststellen, dass diese Zweifel unangebracht waren. Theis hatte einen großen Anteil daran, dass Boston mal wieder eine Top-5-Defense stellte, welche das Fundament für den Erfolg der Celtics bildeten.

Natürlich gibt es weiterhin Matchups wie Joel Embiid oder auch zuletzt Bam Adebayo, die den früheren Bamberger vor Probleme stellen, doch damit er ist nicht der Einzige in der NBA. Theis nahm dennoch jede Aufgabe verbissen an und glich so seine fast täglichen Größennachteile in direkten Duellen aus.

Zusammen mit Enes Kanter und später in der Saison auch Robert Williams III lieferte er über 48 Minuten solide Center-Minuten und das zum Schnäppchenpreis von gerade einmal 5 Millionen Dollar im Jahr. Trotz allem gab es immer wieder Stimmen, dass Boston auf der Fünf nachlegen sollte, die Celtics taten es nicht.

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Das hat auch Gründe. Durch die Verträge von Walker, Brown, Tatum und auch Hayward haben die Celtics nicht den Luxus, sich einen teuren Center zu leisten. Theis bewies auch, dass dies nicht notwendig ist. Vermutlich werden die Celtics darum mit einer ähnlichen Big-Man-Rotation in die neue Saison gehen und gleichzeitig darauf setzen, dass der Timelord langsam an größere Aufgaben herangeführt werden kann.

Solange Williams aber noch nicht bereit ist, wird Theis weiter seinen Platz in der Starting Five behalten. Vielleicht bekommt der Deutsche dann auch ein wenig mehr Liebe von den Referees. Es war schon auffällig, wie wenig Kredit der 28-Jährige bei den Schiedsrichtern hatte und wie viele fragwürdige Fouls er gepfiffen bekam.

Daniel Theis: Seine Statistiken in der NBA

Saison Spiele Minuten Punkte FG% Rebounds Blocks 17/18 63 14,9 5,3 54,1 4,3 0,8 18/19 66 13,8 5,7 54,9 3,4 0,6 19/20 65 24,1 9,2 56,6 6,6 1,3

Muss Gordon Hayward getradet werden?

Hayward bleibt der Pechvogel bei den Celtics. 2017 kam der Forward mit großen Erwartungen aus Utah, durch zahlreiche Verletzungen konnte der 30-Jährige aber bislang den Ansprüchen nie gerecht werden. Die abgelaufene Saison war dabei noch die beste für Hayward, in der Regular Season legte der inzwischen vierfache Vater 17,5 Punkte, 6,7 Rebounds und 4,1 Assists bei 50 Prozent aus dem Feld auf.

War er fit, war er die optimale Ergänzung zum Trio Walker/Brown/Tatum, da er als Spielmacher vom Flügel die Offense am Laufen halten konnte. In den Playoffs konnte er daran nur bedingt anknüpfen, auch weil er sich zum Postseason-Auftakt gegen die Philadelphia 76ers gleich wieder am Knöchel verletzte.

Gegen Miami deutete er in Spiel 3 an, dass er diesem Team sehr wohl helfen kann, doch es wurde über die Serie ersichtlich, dass ihm nach der Pause doch der Rhythmus fehlte. Eine endgültige Einschätzung zu Hayward ist somit kaum zu treffen, auch wenn einige den früheren 9. Pick im Draft 2011 gerne als Sündenbock darstellen würden.

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Hayward kann in der Offseason aus seinem Vertrag aussteigen, das ist aber unwahrscheinlich, da er eine Option in Höhe von 34,2 Millionen Dollar sein Eigen nennt. Diesen Betrag wird er in der kommenden Saison nicht wert sein, auch wenn er erneut eine stabile Saison spielen würde.

Entsprechend kompliziert dürfte es auch sein, ihn zu traden, selbst mit einem auslaufenden Vertrag. Jared Weiss von The Athletic brachte nun die Möglichkeit ins Spiel, dass Hayward im Austausch mit Victor Oladipo zu den Indiana Pacers getradet werden könnte. Ob Oladipo zu den Celtics passen würde, sei mal dahingestellt, er würde aber weitere Unterstützung für Walker im Backcourt garantieren.

Da auch sein Vertrag ausläuft, könnte Boston schauen, ob der Shooting Guard ansatzweise sein altes Niveau erreicht und könnte in der Free Agency 2021, ohne Blick auf den Cap, den 28-Jährigen mit einem neuen Vertrag ausstatten. Die Pacers würden eine neue Identifikationsfigur bekommen, schließlich kommt Hayward gebürtig aus Indianapolis und würde wohl die eine oder andere Karte mehr verkaufen, wenn denn mal wieder Fans in den Hallen zugelassen werden würden.

Welche weiteren Entscheidungen stehen in der Offseason an?

Wenn wir davon ausgehen, dass Hayward, wie zu erwarten, seine Option über 34 Millionen Dollar zieht, stehen bei den Celtics im kommenden Jahr bereits 13 Spieler fest unter Vertrag. Ein weiterer Spieler mit Option ist Kanter, der diese über 5 Millionen vermutlich ebenso ziehen wird.

Alle weiteren Leistungsträger sind langfristig gebunden. Walker hat noch drei Jahre Vertrag, Browns neues Arbeitspapier über vier Jahre und 107 Millionen startet erst mit der kommenden Saison. Tatum wird seine maximale Rookie Extension bekommen, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

Free Agent wird lediglich Brad Wanamaker, der auch in den Playoffs einen soliden Backup gab und wohl wieder für das Minimum zu haben wäre. Allerdings ist es durchaus möglich, dass für einen ähnlichen Preis ein besserer Backup gefunden werden kann. Guards gibt es zum Dumping-Preis, als Beispiel kann Trey Burke genannt werden, den die Mavs vor dem Restart noch von der Resterampe holten und der auch in den Playoffs seinen Beitrag leisten konnte.

Ein erfahrener Center würde dem Team sicherlich auch gut tun, Platz ist dafür aber wohl keiner, wenn Kanter seine Option zieht. Für den Flügel besitzen die Celtics zudem noch eine Team-Option für Semi Ojeleye (1,8 Mio.), auch ihn wird Boston vermutlich halten. Vielleicht wird hier noch ein wenig nachgebessert, womöglich vertrauen die Bosse aber auch auf die Entwicklung der diesjährigen Rookies Grant Williams und Romeo Langford, wobei vor allem ersterer gute Ansätze zeigte.

Alles in allem dürfte es mit Ausnahme eines möglichen Hayward-Trades eher ruhig in Beantown zugehen. Das Fundament für die kommenden Jahre ist gelegt, nun gilt es, organisch zu wachsen. Das kann weiter für Schmerzen sorgen, womöglich haben die Celtics diese aber nicht in den entscheidenden Momenten wie in der abgelaufenen Saison.