Nach der historisch schlechten Rückrunde 2019/20 bat der FC Schalke 04 am 1. Juli zu einer Pressekonferenz, in der es um die Vergangenheit und die Zukunft gehen sollte. Für die Planung der sportlichen Zukunft gab es aus Klubsicht zwei nachvollziehbare Optionen: Den noch bis 2022 gebundenen Trainer David Wagner vorzeitig zu entlassen und einen geordneten Neustart zu wagen. Oder Wagner das Vertrauen auszusprechen und ihm eine echte zweite Chance zu geben.
Schalke tat damals so, als hätte man sich für zweitere Option entschieden. Sportvorstand Jochen Schneider, der im Klub als Wagner-Befürworter galt und immer wieder seinen Wunsch nach Kontinuität auf dem Trainerposten geäußert hatte, verkündete: "Ich habe totales Vertrauen in unser Trainerteam, deshalb machen wir auch mit David Wagner weiter."
Drei Monate und zwei Bundesligaspiele später war das angeblich "totale Vertrauen" verbraucht - und zwar nach nur einer wirklichen Niederlage. Natürlich war das 0:8 beim FC Bayern München am 1. Spieltag in der Deutlichkeit schockierend, von einem Punktgewinn beim schwersten Spiel der Saison hätte aber niemand ausgehen dürfen.
Bereits nach dem darauffolgenden 1:3 gegen Werder Bremen entließ Schalke Wagner, machte sich damit einerseits äußerst unglaubwürdig und ging gleichzeitig den einzig völlig falschen Weg. Den Weg, der eigentlich keine Option hätte sein sollen.
Schalke verspielte mit dem Vorgehen eine große Chance
Es wäre nachvollziehbar gewesen, Wagner nach der vergangenen Saison zu entlassen. Seine Mannschaft hatte die letzten 16 Bundesligaspiele nicht mehr gewonnen und sich dabei teilweise in einem desolaten Zustand präsentiert. Das Umfeld war konsterniert, ein neuer Trainer hätte womöglich für einen Hauch von Aufbruchstimmung sorgen können.
Schalke hielt aber an Wagner, der in der vergangenen Saison immerhin eine äußerst vielversprechende Hinrunde hingelegt hatte, fest. Das wäre nachvollziehbar gewesen, wenn er eine echte zweite Chance bekommen hätte. Wie die Öffentlichkeit heute weiß, war das Vertrauen in den Trainer aber schon damals nicht total, sondern eher minimal. Ansonsten wäre Wagner nicht nach nur zwei Niederlagen entlassen worden.
In diesem Fall hätte sich Schalke zwingend schon im Sommer von Wagner trennen müssen. Darauf verzichtet wurde wohl auch aus Angst vor einer kostspieligen Abfindung. Weil Schalke ihn nach nur zwei Bundesligaspielen trotzdem entließ, ist diese Abfindung eben drei Monate später fällig. Gleichzeitig verspielte der Klub mit diesem verspäteten Vorgehen die große Chance, sich bei der Nachfolgersuche Zeit lassen und mit einem neuen Trainer die Transferpläne besprechen zu können.
Nun ist Schalke früh in der Saison auf eine schnelle Notlösung auf dem Trainerposten angewiesen, gehandelt werden der Ex-Trainer Ralf Rangnick und der ehemalige Mainzer Sandro Schwarz. Arbeiten muss der neue Trainer mit einem verunsicherten und nicht selbst zusammengestellten Kader. Aus Schalker Sicht ist das der einzige Fall, der unbedingt hätte vermieden werden sollen.