Vor ein paar Wochen und Monaten wäre die Erwartungshaltung vor dem Sunday Night Game in Woche 3 zwischen den New Orleans Saints und Green Bay Packers noch eine gänzlich andere gewesen. Nachdem beide ihre Offseason mal wieder mit Enttäuschungen in den Playoffs begannen, ging die Schere deutlich auseinander - die Saints waren obenauf, die Packers zumindest mal oberflächlich betrachtet in einer Schaffenskrise.
Die Saints hatten es nach längerer Ungewissheit am Ende geschafft, Quarterback Drew Brees davon zu überzeugen, doch noch ein Jahr dranzuhängen. Und um dem 41-Jährigen die Entscheidung zu versüßen, wurde mit Emmanuel Sanders endlich ein zweiter Top-Wide-Receiver geholt.
Ganz anders ging es zu in Wisconsin: Statt dem sicherlich leicht frustrierten Team-Gesicht Aaron Rodgers endlich den erhofften zweiten Top-Receiver an die Hand zu geben, wurde von ihm weg "optimiert" - im Draft kamen in den ersten drei Runden ein neuer Quarterback (!) sowie zwei Running Backs. Also genau das, was Rodgers nicht brauchte.
Springen wir nun in die Gegenwart, ergibt sich ein ganz anderes Bild. Nun nämlich sind die Packers und Rodgers obenauf, während hinter Brees die Fragezeichen Schlange stehen.
Rodgers führt die Liga nach zwei Spielen mit einem QBR von 91,0 an, dazu belegt er laut Football Outsiders jeweils den vierten Rang in DYAR und DVOA. Und auch wenn die Sample Size hier sehr überschaubar ist, ist dieser Wandel durchaus bemerkenswert. Im Vorjahr noch lag Rodgers auf Rang 20 in QBR (50,4).
Green Bay Packers: Mehr Struktur in der Offense
Doch was hat sich geändert? Nach zwei Spielen sieht es zumindest danach aus, dass die Struktur in der Offense von Head Coach Matt LaFleur klarer ausgeprägt ist. Man überlässt weniger dem Zufall und geht mehr nach einem klaren Plan vor. Ein deutliches Indiz dafür ist, dass Rodgers, der als notorischer Improvisator gefürchtet ist, in 151 Offensiv-Snaps in diesem Jahr nur zwei Scrambles aufweist - er brach also nur zweimal auf eigene Faust aus der Pocket aus. Vielmehr setzt er nun mehr auf das einstudierte Zusammenspiel mit den Kollegen: "Wenn ich das richtige Timing habe und im Rhythmus bin, denke ich, dass diese Offense effizienter sein kann, solange die Jungs offen sind. Diese zwei Faktoren hängen in diesem Jahr eng zusammen", erklärte Rodgers jüngst.
Ein Grund dafür sind "viele kleinere schematische Anpassungen, die wir in der Offseason und im Training Camp gemacht haben", fuhr der 36-Jährige fort.
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Es ist zwar noch zu früh, diese Veränderungen abschließend zu bewerten, doch fällt eben auf, was im Vorjahr noch weniger verbreitet war. Am sichtbarsten ist dabei die Tendenz zu mehr Jet-Motion. Seien es die klassischen End Arounds, Pop Passes, die statistisch gesehen Vorwärtspässe sind, oder eben einfach die dadurch möglichen Play-Fakes. All das hilft Rodgers auch dabei, den Ball schneller loszuwerden. Laut Pro Football Focus hat er die Zeit bis zum Pass deutlich reduziert im Vergleich zu den vergangenen Jahren. In den ersten beiden Spielen 2020 benötigte er nur 2,39 Sekunden im Schnitt zum Passversuch, im Vorjahr waren es noch 2,74. Das gibt somit auch dem Gegner weniger Zeit, zu erkennen, was die Packers im jeweiligen Spielzug vorhaben.
Green Bay Packers: Personnel-Gruppierungen nach zwei Spielen
Personnel-Package Anzahl Snaps 11 53 12 45 21 39 13 11 22 3
(Die erste Zahl gibt jeweils die Anzahl der Running Backs an, die zweite die Zahl der Tight Ends. D.h. bei 11-Personnel ist ein Running Back und ein TIght auf dem Feld - hinzu kommen dann noch drei Wide Receiver, deren Anzahl immer impliziert ist. Maximal sind immer fünf Spieler auf dem Feld, die abgesehen vom Quarterback dazu berechtigt sind, den Ball zu fangen.)
Ebenfalls in diese Unberechenbarkeit hinein spielt die Tatsache, dass LaFleur auf äußerste Variabilität setzt. Schaut man sich seine Personal-Gruppierungen der ersten zwei Spiele an, fällt schnell auf, dass sehr häufig auf mehrere Running Backs gesetzt wird - hierbei ist zu beachten, dass das Bild etwas verfälscht wird durch die Einteilung von Rookie Josiah Deguara, der von den Packers als Tight End gelistet wird, aber doch eigentlich eher ein Fullback ist und diese Rolle von der Position her auch spielt. 12-Personnel und auch 13-Personnel hatte somit meist doch mindestens zwei Running Backs im Backfield, teils auch drei im Jumbo-Package.
All das sorgt dafür, dass sich der Gegner zwangsläufig mit den Gedanken befassen muss, dass die Packers, wie von LaFleur immer gern gesehen, laufen könnten. Mit Aaron Jones haben sie aktuell den NFL-Leader in Scrimmage Yards. Doch genauso ist es möglich, dass Rodgers auf Deep Balls - Pässe, die mindestens 20 Air Yards fliegen - setzt. Und mit Marquez Valdes-Scantling scheint er nun auch seinen Deep Threat gefunden zu haben. Er ist groß (1,93 Meter) und schnell (er lief die 40 Yards in 4,30 Sekunden). Entsprechend fing er in den beiden Spielen gegen Minnesota und Detroit auch schon drei Pässe für mehr als 20 Yards. Rodgers wiederum führt die Liga an mit 17 solcher Versuche (7 Completions).
Die Frage muss allerdings erlaubt sein, ob die bisherigen Gegner denn wirklich der große Maßstab sein sollten. Die Vikings und Lions stellen aktuell die Ränge 20 respektive 31 nach Defense-DVOA. Sie sind damit gute Aufbaugegner, aber werden es die Packers auch schaffen, gegen stärke Konkurrenz so groß aufzuspielen (42,5 Punkte im Schnitt)?
Green Bay Packers: Ziehen die Saints der Offense den Zahn?
Diese Frage könnte sich bereits in der Nacht auf Montag beantworten, dann nämlich warten die Saints im Superdome, wo sie bereits in Woche 1 Tom Brady und dessen neuer Bucs-Offense den Wind aus den Segeln nahmen.
Viel spannender als deren Defense ist jedoch deren Offense. Brees nämlich sah im Gegensatz zu Rodgers bislang alles andere als überragend aus. Im Vorjahr noch führte Brees die NFL noch in DVOA (39,8 Prozent) an und belegte jeweils Rang 3 in Sachen DYAR und QBR. In dieser Saison allerdings ist es Rang 17 nach QBR, sowie jeweils 15 bei DVOA und DYAR. Seine Effizienz ging also deutlich zurück.
Im Grunde knüpft Brees aktuell an seine eher schwache Playoff-Vorstellung gegen die Vikings im Januar an. Rein optisch betrachtet wirkt sein Arm nicht mehr so stark wie früher, zudem fehlte ihm zuletzt gegen die Raiders die Präzision auch über mittlere Distanzen. Dass er laut Next Gen Stats mit 3,6 Average Completed Air Yards die zweitkürzesten Pässe der Liga wirft, ist dabei allerdings auch seiner Offense an sich geschuldet, die nun mal auf (sehr) kurzen Pässen aufbaut, obgleich dieser Wert im Vorjahr noch 5,2 CAY betrug.
"Ich fühle mich gut, fast schon großartig", entgegnete Brees Fragen nach seinen bislang eher wenigen längeren Pässe. "Es gibt einige Statistiken, denen ich überhaupt keine Aufmerksamkeit gebe. Und Yards per Attempt ist eine davon", sagte Brees zur Tatsache, dass sich dieser Wert bei ihm im Vergleich zum Vorjahr nun um ein Yard auf 6,9 reduziert hat. " Brees betonte zudem, dass er sich mehr darauf konzentriere, sein Team in eine Position zu bringen, in der es erfolgreich sein kann. "Es ist mir egal, wie wir es machen. Ich will einfach nur gewinnen."
Nachdem er in Woche 1 noch relativ effizient aufgetreten war, kam gegen die Raiders in Woche 2 erschwerend hinzu, dass Brees sein Top-Target Michael Thomas vermisste. Jener dürfte mit einer Stauchung des oberen Sprunggelenks auch gegen die Packers ausfallen. Und da die erhoffte zweite Option Sanders bislang eher enttäuschte, ist das Receiving Corps eine unbekannte Größe. Sanders hatte gegen Las Vegas eine Reception spät im Spiel für 18 Yards (3 Targets) und war damit überhaupt kein Faktor gegen eine Secondary, die nicht zur Elite gehört, was man vom Personal her nicht unbedingt über die Packers sagen kann, auch wenn auch jene Unit noch Defizite aufwies zuletzt.
Green Bay Packers vs. New Orleans Saints: Running Backs im Fokus
Fixpunkt der Saints-Offense ist somit gerade Running Back Alvin Kamara, die Nummer 4 in Sachen Scrimmage Yards in dieser Saison. Zudem gelangen ihm in den ersten beiden Spielen jeweils 2 Touchdowns, klar die meisten in seinem Team. Diese Tendenz ist allerdings eine weitere Parallele zu den Packers, denn auch bei denen könnte nun Top-Receiver Davante Adams mit einer Oberschenkelverletzung ausfallen, sodass sich die Frage stellt, wie er denn zu ersetzen ist, abgesehen von mehr Touches für Jones aus dem Backfield.
Kann MVS auch zur temporären Nummer 1 aufsteigen, nachdem Adams bislang eine sehr gute Rolle gespielt hat und kaum zu halten war? Erschwerend hinzu käme, dass dem Team gerade ohnehin Kadertiefe auf Wide Receiver fehlt. Sollte Adams ausfallen, wären mit MVS, Allen Lazard und Malik Taylor nur noch drei gesundere Receiver vorhanden.
Dieses Prestigeduell am Sonntagabend könnte somit auf einen Zweikampf der üblichen Verdächtigen, also der Quarterbacks, hinauslaufen. Und die offensichtlichen Frage wäre dann: Was waren die bisherigen zwei Spiele auf beiden Seiten wert? Ist Rodgers jetzt doch wieder richtig gut, oder half einfach die Tatsache, dass er zweimal gegen löchrige Secondarys ran durfte und Teams, die kaum Pass Rush kreierten? Und was ist mit Brees? War Woche 2 nur ein Ausrutscher? War die für seine Verhältnisse beachtliche Ungenauigkeit - seine Passquote beträgt aktuell 64,7 Prozent, in den vergangenen zwei Jahren lag sie jeweils über 74 Prozent - nur eine Anomalie? LaFleur jedenfalls geht davon aus: "Das passiert nicht allzu oft und es ist nur eine Frage der Zeit, bevor er ins Rollen kommt, wie wir das von ihm gewöhnt sind."
Für beide QBs wird der Schwierigkeitsgrad nun allerdings erhöht. Die Saints-Defense ist eine anderen Herausforderung als die bisherigen Packers-Konkurrenten aus der NFC North. Sie verfügt sowohl über guten Pass Rush als auch über eine vorzeigbare Secondary. Und die Packers bringen gerade in Sachen Pass Rush mehr Talent mit als die Raiders - obwohl es Letzteren durchaus gelang, Brees unter Druck zu setzen. Dieses Aufeinandertreffen in Runde 3 wird nicht nur eine Momentaufnahme sein, es wird ein richtungsweisendes Spiel und zeigen, wie weit diese beiden Titelanwärter schon sind - oder, ob man sich Sorgen machen muss.