"Das hier ist etwas, über das Leute in Baltimore diskutiert haben: Lässt du Lamar mit einer hohen Führung in einem bereits entschiedenen Spiel auf dem Feld?" Diese Frage stellte CBS -Kommentator Kevin Harlan knapp zwei Minuten vor dem Ende des Spiels zwischen den Texans und den Ravens am vergangenen Sonntag.
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Tatsächlich hatten die Ravens ihr erstes Saisonspiel so deutlich gewonnen, dass die einzige Kritik an Head Coach John Harbaugh und seinem Team nach dem dominanten 38:6-Sieg über die Cleveland Browns in der Frage, wieso Lamar Jackson bei einer 32-Punkte-Führung seines Teams im letzten Viertel immer noch auf dem Feld stand und damit weiter einer Verletzungsgefahr ausgesetzt war, bestand.
Und nur eine Woche später ließ sich eine ähnliche Frage auch im Spiel gegen die Texans stellen, auch wenn Harbaugh zuvor klargestellt hatte, dass er seinen Quarterback nicht deutlich vor Spielende vom Feld holen werde. Nicht in der NFL, so der 57-Jährige.
Erneut hatte Baltimore sein Spiel von der ersten Minute an dominiert. Während gegen die Browns spätestens der Touchdown-Catch von Willie Snead Mitte des dritten Viertels praktisch für die Vorentscheidung sorgte, entschied gegen die Texans Mark Ingrams 30-Yard-Touchdown-Run bei einem Fourth Down zwölf Minuten vor dem Ende das Spiel.
NFL: Baltimore Ravens setzen Trend aus der Vorsaison fort
In zwei Spielen haben die Ravens 71 Punkte erzielt (nur Seattle und Green Bay kamen auf noch mehr Punkte) und nur 22 Punkte zugelassen (Arizona liegt mit 35 Punkten abgeschlagen auf Rang zwei), laut DVOA ( Defense-adjusted Value Over Average ) war Baltimore bislang das mit weitem Abstand beste Team der NFL.
Und das, obwohl die Ravens mit den Browns und den Texans durchaus konkurrenzfähige Gegner zum Start der Saison vor der Brust hatten: Houston hatte im Vorjahr die AFC South gewonnen und war bis in die Divisional Round der Playoffs eingezogen, auch Cleveland galt als Anwärter auf einen Playoff-Spot. In unserem Power Ranking vor dem Saisonstart landeten sie auf den Plätzen 9 und 21 .
Die Ravens setzten damit einen Trend aus der vergangenen Saison fort: Bereits 2019 schlug Baltimore Playoff-Teams wie die Seahawks, Patriots und Texans mit mindestens zwei Touchdowns Vorsprung, der Sieg über die Texans am vergangenen Sonntag markierte Baltimores 14. Sieg in der Regular Season in Folge - im Schnitt gewann der AFC-North-Champion diese Spiele mit satten 19 Punkten Vorsprung.
Tatsächlich schien der in der NFL eigentlich außergewöhnliche Klassenunterschied zwischen den Ravens und ihren Gegnern in den ersten beiden Saisonspielen niemanden wirklich zu überraschen. In den vergangenen Tagen wurde eher über Teams wie die Packers, die Seahawks oder die Rams gesprochen - klare, dominante Siege der Ravens scheinen mittlerweile eher als die Norm, nicht als die Ausnahme angesehen zu werden.
NFL: Baltimore Ravens gehen eigene Schwächen an
Baltimore würde wohl weitestgehend unbestritten als das beste Team der NFL angesehen werden - wäre da nicht das Playoff-Spiel gegen die Tennessee Titans im vergangenen Januar gewesen. Nach einer in jeder Hinsicht herausragenden Regular Season schieden die Ravens damals bekanntlich gleich im ersten Playoff-Spiel sang- und klanglos aus.
Gegen die Titans wurde dem Team um MVP Lamar Jackson nach zwölf Siegen in Serie urplötzlich eine Kombination aus fehlender Qualität in einigen Mannschaftsteilen (wie in der Run-Defense gegen Derrick Henry) sowie Pech (wie bei zwei zu kurzen Fourth-and-One-Runs) zum Verhängnis. Es war eine Niederlage, die Baltimore über Monate hinweg weiter beschäftigen sollte.
Über den vergangenen Sommer hinweg krempelte das Front Office der Ravens große Teile der Front Seven um: Calais Campbell wurde aus Jacksonville geholt, Derek Wolfe in der Free Agency verpflichtet. Im Draft wählten die Ravens zudem die Linebacker Patrick Queen und Malik Harrison sowie Defensive Tackle Justin Madubuike aus. Die Neuzugänge sollten für mehr Qualität in der defensiven Front sorgen, sowohl im Pass-Rush als auch in der Run-Defense.
Tennessee hatte die Schwächen der Ravens, vor allem in der Defensive, schonungslos offengelegt. Diese Schwächen sollten im Anschluss ausgemerzt werden.
Baltimore Ravens mit einer der besten Defenses der NFL
Bislang sind die Ergebnisse, die aus diesen Veränderungen resultieren, vielversprechend: Nach zwei Saisonspielen stellt Baltimore laut DVOA die drittbeste Defense der NFL, sowohl gegen den Pass als auch gegen den Run zählen die Ravens demnach zu den drei besten Teams der NFL.
Die Defense, in der Campbell, Wolfe und Queen allesamt sofort signifikante Rollen eingenommen haben, forcierte gegen die Offenses rund um Baker Mayfield und Deshaun Watson doppelt so viele Turnover (vier) wie sie Touchdowns (zwei) zuließ. "Wir haben viele Typen, die es lieben, Football zu spielen, die es lieben, zu jagen", beschreibt Campbell seine neuen Mitspieler. "Es macht Spaß, ein Teil davon zu sein."
Auch ohne Free Safety Earl Thomas, der kurz vor dem Saisonstart aufgrund disziplinarischer Verfehlungen entlassen wurde , behielt Defensive Coordinator Don "Wink" Martindale seinen ultra-aggressiven Stil der Vorsaison bei. Die Ravens spielen auch 2020 weiter viel Man Coverage und blitzen mehr als irgendein anderes Team.
Die individuelle Klasse der Cornerbacks Marlon Humphrey und Marcus Peters ermöglicht diese defensive Ausrichtung erst, die erhöhte Qualität im eigenen Pass-Rush soll Baltimore in dieser Saison jedoch weniger abhängig vom Blitz machen. Etwas, das in der vergangenen Spielzeit noch zu selten zu sehen war.
NFL: Monday Night Game wird somit zum Spiel der Superlative
Inwieweit Baltimore gegenüber der Vorsaison und der Niederlage gegen die Titans tatsächlich nochmal einen Schritt nach vorne gemacht hat, wird sich allerdings erst in der Nacht auf Dienstag zeigen: Dann empfangen die Ravens ihren bislang härtesten Gegner in der laufenden Saison. Es ist der wohl härteste Gegner, den die NFL aktuell zu bieten hat: Die Kansas City Chiefs, der amtierende Super-Bowl-Champion.
Das Monday Night Game wird somit zum Spiel der Superlative: Die Ravens und Chiefs sind zum aktuellen Zeitpunkt wohl die beiden besten Teams der NFL, es treffen die zwei vielleicht besten Offenses und womöglich auch die zwei besten Quarterbacks der Liga direkt aufeinander. Bereits in Woche drei bringt dieses Match somit alles mit, um als Spiel des Jahres tituliert zu werden - den Super Bowl mal ausgenommen.
"Unverzüglich", antwortete Mark Ingram nach dem Sieg über die Texans auf die Frage, wann die Vorbereitung auf das Spiel gegen die Chiefs beginne. "Wir werden ins Flugzeug einsteigen, jeder wird sein iPad in der Hand haben und sich Tapes ansehen. Sie sind der Titelverteidiger und wir wissen, dass wir uns von unserer besten Seite zeigen müssen werden, um zu gewinnen."
Fans dürfen sich somit auf ein absolutes Spitzenspiel freuen. Es geht um nicht weniger als den (vorübergehenden) Titel des besten Teams der NFL. Welches Team sich in diesem Duell letztendlich durchsetz, steht aktuell noch in den Sternen. Eines scheint allerdings nahezu garantiert: Die Frage, ob Jackson vorzeitig auf der Bank Platz nehmen sollte, wird in der Nacht auf Dienstag ganz bestimmt nicht diskutiert werden müssen.
NFL: Die Siegesserie der Baltimore Ravens in der Regular Season
Datum Heimteam Auswärtsteam Ergebnis 6.10.19 Pittsburgh Steelers Baltimore Ravens 23:26 (OT) 13.10.19 Baltimore Ravens Cincinnati Bengals 23:17 20.10.19 Seattle Seahawks Baltimore Ravens 16:30 3.11.19 Baltimore Ravens New England Patriots 37:20 10.11.19 Cincinnati Bengals Baltimore Ravens 13:49 17.11.19 Baltimore Ravens Houston Texans 41:7 25.11.19 Los Angeles Rams Baltimore Ravens 6:45 1.12.19 Baltimore Ravens San Francisco 49ers 20:17 8.12.19 Buffalo Bills Baltimore Ravens 17:24 12.12.19 Baltimore Ravens New York Jets 42:21 22.12.19 Cleveland Browns Baltimore Ravens 15:31 29.12.19 Baltimore Ravens Pittsburgh Steelers 28:10 13.9.20 Baltimore Ravens Cleveland Browns 38:6 20.9.20 Houston Texans Baltimore Ravens 16:33