Der 16. März 2003 hätte einer der Lichtblicke einer ansonsten düsteren Cavaliers-Saison werden können. Ganze 17 Siege hatte Cleveland am Ende der Spielzeit 2002/03 vorzuweisen, der zwölfte davon gelang an eben jenem Sonntag. Doch selbst der Kantersieg gegen die Playoff-Mannschaft der Utah Jazz sollte den Cavs-Fans nicht ohne Kopfschmerzen gegönnt sein.

Beim Stand von 120:95 und nur noch 6,1 Sekunden auf der Uhr war der Sieg schon in trockenen Tüchern. Tyree Ricardo "Ricky" Davis, der mit seiner Leistung von 28 Punkten (9/16 FG), 12 Assists und 9 Rebounds schon längst zufrieden auf der Bank hätte sitzen können, wollte jedoch unbedingt das erste Triple-Double seiner Karriere perfekt machen.

Dafür nahm der Guard den Einwurf entgegen, bewegte sich in Richtung seines eigenen Korbes und legte den Ball von unten gegen den Ring . Der "Rebound" landete bei Davis, es war sein zehnter Abpraller an diesem Abend. Dachte er zumindest.

Denn nicht nur musste Davis anschließend einen ordentlichen Schubser vom damaligen Jazz-Guard DeShawn Stevenson hinnehmen, dem diese Aktion wie so manch anderem auch gar nicht gefiel. Ihm wurde das erhoffte Triple-Double gar niemals anerkannt.

Jazz-Coach: "Hätte ihn viel härter umgehauen"

Denn ein Wurf auf den eigenen Korb kann laut Regelwerk nie zu einem Rebound führen, da der Wurf an sich schon regelwidrig ist. Bei dem Vergehen hätte es Einwurf auf Höhe der Freiwurflinie für den Gegner geben sollen, wie Jazz-Coach Jerry Sloan nach dem Spiel richtig anmerkte. Und noch etwas hätte in seinen Augen passieren müssen.

"Ich war stolz auf DeShawn, aber ich hätte ihn (Davis, Anm. d. Red.) viel härter umgehauen", sagte der wütende Sloan. "Die Cavaliers liegen mit zwanzig Punkten vorne und Ricky versucht uns ins Lächerliche zu ziehen."

Davis beendete das Spiel also mit 9 Rebounds und hinterließ einen der wenigen Cavs-Siege in diesem Jahr mit dem bitteren Beigeschmack des peinlichsten Triple-Double-Versuchs in der Geschichte der NBA. Er selbst hat sich mit dieser Aktion den legendären Spitznamen "Wrong Rim Ricky" verdient.

Ricky Davis: Kaum Playoff-Erfahrung, kaum Teamerfolg

In der Saison 2002/03, kurz bevor mit LeBron James der Messias in Cleveland eintraf, erlebte Davis seine individuell erfolgreichste Spielzeit in der Association. Passenderweise aus der Sicht seiner Kritikern legte der damals 23-Jährige den höchsten Scoring-Schnitt (20,6 Punkte pro Spiel) seiner Karriere jedoch in einer Saison auf, in dem sein Team nichts mit einem Rennen um die Playoff-Plätze zu tun hatte.

Überhaupt hatte Davis den Ruf, sich nicht lange bei einem Team mit der berühmten "Winning Culture" halten zu können. So spielte Davis in seiner zwölfjährigen NBA-Karriere in nur elf Playoff-Partien, alle im Trikot der Boston Celtics.

Immerhin muss man fast sagen. Denn seine Zukunft als NBA-Spieler schien schon nach drei Spielzeiten in Gefahr zu sein.

Ricky Davis: Startschwierigkeiten als Erstrunden-Pick

Davis wurde nach seiner einzigen Saison am College, in der er im Trikot der Iowa Hawkeyes 15 Punkte pro Spiel auflegte, als 21. Pick im Draft 1998 von den Charlotte Hornets ausgewählt. Dort nahm Davis trotz seines athletischen Potenzials nie mehr als eine Energizer-Rolle von der Bank ein und schaffte es mit einigen Hustle-Plays auf nur jeweils 4,5 und 4,7 Punkte pro Spiel in seinen ersten beiden Saisons.

Mit den gelegentlichen Highlight-Slams in seinem zweiten Jahr sicherte sich Davis zumindest eine Teilnahme am legendären Dunk-Contest des All-Star-Wochenendes 2000, bei dem er in der ersten Runde dem damals unschlagbaren Vince Carter unterlag.

Allerdings nicht ohne den ein oder anderen Dunk im ersten Versuch spektakulär zu vermasseln, was ihm zur Belustigung der Anwesenden übrigens auch bei einer erneuten Teilnahme an dem Wettbewerb der Highflyer im Jahr 2004 passieren sollte. Egal was Davis machte, es war zumindest immer unterhaltsam.

Das alleine reichte seinen Coaches jedoch zu Beginn seiner Karriere nicht, weswegen er schon nach zwei Jahren zu den Miami Heat getradet wurde. Dort konnte er aufgrund mehrerer Verletzungen nur sieben Spiele absolvieren, es drohte das frühe Ende seiner Karriere.

Ricky Davis: Zur falschen Zeit am falschen Ort

Kurz vor dem Start der Saison 2001/02 fand sich doch noch ein Abnehmer für Davis: die Cleveland Cavaliers. Dort etablierte er sich gerade rechtzeitig als fähiger Scorer, legte mehr als 20 Zähler im Schnitt auf und ging auf Jagd nach Triple-Doubles. Langfristig konnte er sich aber nicht beim Team festspielen. Ein Umstand, der ihn seine gesamte Karriere über begleiten sollte.

"Ich wurde gedraftet, als ich 17 Jahre alt war", sagte Davis Jahre später über seine Anfangszeit in der NBA gegenüber Bleacher Report . "Ich habe nie wirklich gelernt, was der gute und der schlechte Weg ist." Er sei halt ein typischer Gunner gewesen.

In der Saison 2003/04 durfte Davis immerhin den Start der Karriere von LeBron James als Teamkollege miterleben, neben seinen Fähigkeiten auf dem Court hinterließ Davis beim späteren King auch abseits des Parketts Eindruck.

Im Buch LeBron James vs. the NBA beschreibt Autor Brandan Bowers eine Szene nach einem gemeinsamen Werbedreh der beiden wie folgt: Nach dem Dreh ging Davis zu einem Obdachlosen, der die Szenerie beobachtet hatte, nahm seine Sneaker und setzte sein Autogramm drauf. Dann griff er in seine Tasche, holte einen Batzen Geld heraus, steckte es in den Schuh und gab ihn dem Obdachlosen. Gut 5.000 Dollar sollen in dem Schuh gewesen sein.

Auch heute noch unterstützt Davis wohltätige Zwecke, unter anderem hat er die "Feed your City Challenge" ins Leben gerufen, die Menschen in Großstädten mit Lebensmitteln versorgt.

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Die gemeinsame Zeit mit LeBron endete für Davis jedoch schon nach 22 Spielen. Bevor James die Cavs zu einem relevanten Playoff-Team machte, musste der Scorer seine Koffer packen. Zunächst wurde er zu den Celtics getradet, doch auch in Boston verpasste er den großen Teamerfolg mit der Ankunft von Kevin Garnett und Ray Allen nur knapp.

Typische Ricky-Davis-Momente waren aber auch bei den Kelten an der Tagesordnung: In einem gewohnt intensiven Spiel gegen die Los Angeles Lakers verhaute er einen Between-the-legs-Dunk, der von der Schwierigkeit her besser in den Dunk-Contest gepasst hätte, holte sich seinen eigenen Rebound und erzielte die Punkte mit dem etwas einfacheren Windmill-Dunk. Mit einem Steal, einem Rebound und zwei Punkten innerhalb weniger Sekunden war Davis sicher zufrieden.

Nach zweieinhalb Spielzeiten in Boston ging es für Davis im Frühjahr 2006 ebenfalls per Trade weiter zu den Minnesota Timberwolves, dort war er Teil der letzten erfolglosen Garnett-Jahre. Nach einer Zwischenstation bei den Heat ließ der 1,98-Meter-Guard seine Karriere in der Association schließlich bei den Clippers ausklingen.

Ricky Davis: Karrierestatistiken in der NBA

Spiele Starts Min FG% 3P% FT% REB AST STL TO PKT 736 344 29,8 44,6 36,1 78,1 3,5 3,3 1,0 2,2 13,5

Ricky Davis: Weltenbummler und fast selbstgemachter All-Star

Mit Basketball abgeschlossen hatte Davis damit aber noch lange nicht. Nach seinen erfolglosen Jahren in L.A. suchte er sein Glück in anderen Teilen der Welt, darunter Türkei, China, Frankreich und Puerto Rico. Bis ins ungewöhnlich hohe Alter von 35 Jahren stand Davis zudem in der Entwicklungsliga G-League auf dem Parkett.

Was natürlich ebenfalls nicht fehlen durfte: die Big 3! Dort lieferte er im vergangenen Jahr gemeinsam mit einigen anderen ehemaligen NBA-Stars für die Zuschauer eine Show ab. Die durfte er im Übrigen trotz seiner Qualitäten als Scorer und seinem Hang zu Highlight-Plays nie in einem All-Star Game zeigen. Das lag jedoch nicht daran, dass er auf- und abseits des Feldes nicht alles dafür getan hätte.

So entschied sich "Ricky Buckets" zu seiner Zeit bei den Celtics, seine Nominierung selbst in die Hand zu nehmen, wie Tony Allen 2019 in der Chris Vernon Show unter großem Gelächter erzählte.

Allen war damals zu einem Treffen einiger Celtics-Spieler in Davis' Haus eingeladen. Nach kurzem Bestaunen der großen, prunkvollen Eingangshalle fragte Allen, warum Davis so viele Umzugskartons herumstehen hätte.

Ricky Davis bei den Celtics: All-Star-Wahl der anderen Art

"Da sind ganz viele Zettel für das All-Star-Voting drin, nimm dir ein paar und schreib meinen Namen drauf", soll Davis gesagt haben, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. Allen entdeckte kurz darauf auch die Familie des Scorers im Wohnzimmer, die schon stapelweise Zettel ausgefüllt hatte, um Davis endlich seine All-Star-Nominierung zu beschaffen.

Eine Teilnahme am All-Star Game kam zwar nie zustande, jedoch eignet sich die Aktion zumindest als eine von vielen großartigen Geschichten, für die Davis in seiner langen, nicht immer erfolgreichen Karriere als Basketball-Profi gesorgt hat. Immerhin bleibt der heute 41-Jährige so für immer im Gedächtnis der NBA-Fans hängen.

"Ich bin froh, wegen eines Triple-Doubles in Erinnerung zu bleiben. Das ist okay. Ein Triple-Double ist gut", sagte Davis Jahre später nach seiner legendären Aktion gegenüber Bleacher Report . Offenbar wollte er nicht wahrhaben, dass es eben doch nicht ganz zum Triple-Double gereicht hat.