Jimmy Butler, Bam Adebayo, Goran Dragic - eine Big 3, wie sie sich Heat-Präsident Pat Riley vor einigen Jahren wohl kaum hätte vorstellen können. Letzterer war eigentlich bereits als Teil der ersten Big 3 in der Post-LeBron-Ära eingeplant, als Riley ihn im Februar 2015 aus Phoenix an den South Beach holte. Es kam ganz anders.

Der Abgang von LeBron James Richtung Cleveland war für Riley kein Grund, die Championship-Ambitionen der Franchise aufzugeben, und Dragic hatte sich mit über 20 Punkten pro Spiel in der Saison 2013/14 mit den Suns für eine Rolle in einem Playoff-Team empfohlen. Doch der Plan, James und den Cavaliers den Weg in die NBA-Finals zu verwehren, ging für die Heat und ihre vermeintliche Big 3 aus Dwyane Wade, Chris Bosh und Dragic nicht auf.

Nur zwei Tage nach Dragics Ankunft in Miami wurden Blutgerinnsel bei Bosh festgestellt, die seine Karriere effektiv schon zu diesem Zeitpunkt beendeten, auch wenn man es zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste. Wade verließ Miami im Sommer 2016 und ließ Dragic mit der Gefahr zurück, seine besten Jahre in einem mittelmäßigen Team zu verschwenden.

So schien es auch zu kommen, als Dragic in der Saison 2018/19, ein Jahr nach seiner ersten Nominierung ins All-Star-Team, aufgrund einer Knieverletzung auf 36 Spiele beschränkt war und sich langsam an eine Rolle als Bankspieler gewöhnen musste. Miami war im Sommer 2019 offensichtlich schon bereit, Dragic für den richtigen Preis abzugeben.

Butler-Trade: Dallas Mavericks wollten Dragic nicht

Dragic war bereits als Trade-Asset in einem ersten Entwurf für einen Drei-Team-Tausch eingeplant, der Jimmy Butler nach Miami bringen sollte und den Slowenen zu den Dallas Mavericks befördert hätte. Das Problem? Die Verantwortlichen der Mavs sahen keinen Platz für den mittlerweile 34-Jährigen in einem jungen Team um den aufstrebenden Superstar Luka Doncic - und lehnten ab.

Doch in einem ähnlich jungen Team präsentiert sich Dragic nun in der besten Form seines Lebens und als Anführer. Das erkennt auch Butler an, dem ein Großteil des Heat-Erfolgs angerechnet wird.

"Ich bin froh, dass er in meinem Team ist. Er ist so schlau. Interessiert sich nicht für Statistiken", sagte Jimmy Buckets, der seinen Weg auch ohne einen Dragic-Deal noch nach Miami fand, in den Playoffs. "Er will nur gewinnen. Ich glaube, das übersehen viele. Er ist großartig und war das schon das ganze Jahr über. Er stellt sicher, dass jeder sich wohl fühlt und Selbstvertrauen hat. Er ist unser Anführer."

Miami Heat: Goran Dragic ordnete sich unter

Dabei musste Dragic sich in der regulären Saison den jungen Wilden in Miami erst unterordnen. Allen voran dem Überraschungs-Rookie Kendrick Nunn, der sich als ungedrafteter Spieler in der Vorbereitung so stark präsentierte, dass er direkt in die Starting Five aufgenommen wurde und diese Entscheidung des Trainerstabs mit guten Leistungen rechtfertigte.

Zusätzlich zeigte Duncan Robinson in seiner zweiten Spielzeit starke Fortschritte und war als einer der gefährlichsten Distanzschützen der Liga gesetzt, womit für Dragic eine Rolle als Scorer und Ballhandler von der Bank übrigblieb.

Der ließ sich davon jedoch nicht abschrecken und war mit 16,2 Punkten pro Spiel der zweitbeste Scorer der Heat - nach Butler, knapp vor Adebayo und Nunn. So demonstrierte Dragic seinem Head Coach Erik Spoelstra, dass er noch lange nicht auf dem absteigenden Ast ist.

Miami Heat: Dragic übernimmt nach Nunns Corona-Infektion

Stattdessen stellte Dragic unter Beweis, dass Miami in jeder Situation auf ihn zählen kann. Zum Beispiel als Nunn nach einer Pause von fast sechs Monaten aufgrund der Coronavirus-Pandemie und einer Corona-Infektion nicht annähernd so gut spielte wie zuvor in seiner Rookie-Saison, die ihm eine Top-3-Platzierung im Rennen um den Award als Rookie of the Year einbrachte. Der 25-Jährige war erst verspätet zum Team zurückgekehrt und fiel zwischenzeitlich fast vollständig aus der Rotation, Dragic dagegen rutschte in die Starting Five.

"Goki", wie Butler ihn getauft hat, wurde mit mehr Einsatzzeit keineswegs weniger effizient - ganz im Gegenteil. Er spielt in den Playoffs bisher 34,5 Minuten pro Spiel und führt Miami mit 21,3 Punkten im Schnitt an. Seine Wurfquoten aus dem Feld, von der Dreier- und von der Freiwurflinie haben sich jeweils leicht verbessert. Dragics Assist-Nummern sind leicht gesunken, von 5,1 auf 4,7 pro Spiel, was seinen Leistungen als Playmaker jedoch kaum gerecht wird.

Der 1,90-Meter-Guard attackiert in der Serie gegen Boston beispielsweise konstant den körperlich unterlegenen Kemba Walker, der laut Matchup-Daten von nba.com bis jetzt am häufigsten als direkter Gegenspieler (in 26,6 Prozent der Fälle) von Dragic agierte, und leitet damit das starke Ballmovement ein, mit der die Heat in den Playoffs bisher so erfolgreich waren. Dragic spielt häufig den Pass vor dem Assist.

Außerdem kann Dragic offensiv übernehmen, wenn Butler seinen Rhythmus mal nicht finden sollte oder sich zurückhält. Wie in Spiel 2, als Butler nur auf 14 Punkte kam und Dragic 25 Zähler einstreute, Adebayo mehrfach einfache Punkte unter dem Korb verschaffte und die Heat von einem 13-Punkte-Rückstand zur Halbzeit zum 106:101-Sieg ( hier zu den Highlights im Video ) und einem 2-0 Vorsprung in der Serie führte.

Goran Dragic: Statistiken in 2019/20

Spiele Min FG% 3P% FT% REB AST STL TO PKT Regular Season 59 28,2 44,1 36,7 77,6 3,2 5,1 0,7 2,4 16,2 Playoffs 12 34,5 46,3 38,3 80,0 4,3 4,7 0,9 2,3 21,3

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Miami Heat: Wie geht es weiter für Dragic?

Weitestgehend unabhängig davon, wie erfolgreich Dragic und die Heat in den laufenden Playoffs noch sind, werden die Verantwortlichen in Miami nun abwägen müssen, ob und wie lange Dragic noch Platz im Team neben den jungen Guards Nunn, Robinson und Tyler Herro haben kann.

Dragic ist im letzten Jahr seines hochdotierten Fünfjahrevertrags, den er im Juli 2015 unterschrieben hat und der ihm in dieser Saison 19,2 Millionen Dollar einbrachte. In der Offseason wird er Free Agent, seine Zukunft in Miami könnte davon abhängen, wie stark die Heat weiterhin auf ihre kleineren Aufstellungen setzen wollen.

Seit der Ankunft von Andre Iguodala und Jae Crowder zur Trade-Deadline und speziell in den Playoffs steht Adebayo meistens als einziger nomineller Big Man auf dem Parkett. Meyers Leonard oder Kelly Olynyk, die in der regulären Saison neben ihm als Fünfer starteten, spielen mittlerweile viel seltener gemeinsam mit Bam. Dadurch rückt Butler häufig in der Schlussphase des Spiels auf die Vier und Dragic, Herro und Robinson vollenden das brandgefährliche Lineup.

Falls die Heat auch in der nächsten Saison Smallball praktizieren wollen, könnte dies für einen Verbleib von Dragic sprechen. Miami hat aktuell keinen weiteren Guard hinter Dragic, Robinson, Herro und Nunn im Kader, der sich für regelmäßige Minuten anbietet.

Ob Dragic in Miami bleibt oder nicht, könnte der erste Dominostein sein, nach dem sich die Offseason der Heat richten wird. Für den 34-Jährigen steht diese Entscheidung jedoch sicher noch in weiter Ferne. Dragic will seinem Team nun erstmal in Spiel 4 gegen die Boston Celtics (Donnerstag, ab 2.30 Uhr live auf DAZN ) helfen, einen weiteren Schritt Richtung Finals zu machen. Und das, obwohl er vor der Saison fast verscherbelt wurde.