Vorhang auf zur 58. Bundesliga-Saison, die die strapaziöseste und auch unsicherste Spielzeit aller Zeiten werden wird.

Viele entscheidende Fragen sind offen: Wird die Runde angesichts der weiter grassierenden Corona-Pandemie überhaupt zu Ende gespielt, werden halbwegs faire Bedingungen durch Quarantänefälle und ähnliches gegeben sein, wird am Ende wieder in vollbesetzten Stadien gespielt oder gibt es eine Rückkehr zu Geisterspielen?

Nur die zumindest sportlich wichtigste aller Fragen scheint schon vor dem Anpfiff beantwortet: Die nach dem Deutschen Meister. "In der Bundesliga ist jeder Wettbewerb intakt, außer der um die Meisterschaft", gab selbst DFL-Boss Christan Seifert am Donnerstag bei einer Veranstaltung in München zu.

Wo sich sogar der zur Neutralität verpflichtete Chef des Dachverbands so eindeutig festlegt, ist die Meinung von Experten und Beobachtern noch eindeutiger. "Was sollte also dafürsprechen, dass der Deutsche Meister 2021 nicht wieder und damit zum neunten Mal hintereinander Bayern München heißt? Es könnte nur der Umstand sein, dass im Fußball angeblich alles möglich ist", lautete etwa das keinen Widerspruch duldende Urteil des Fachmagazins kicker .

Lässt die Gier des FC Bayern nach?

Dass der Rekordmeister als haushoher Favorit in die Saison geht, ist angesichts des Triple-Gewinns, der nach dem 50-Millionen-Transfer von Leroy Sane noch hochkarätiger besetzten Startelf und der wirtschaftlichen Potenz tatsächlich keine gewagte Prognose.

Und auch die Sorge oder je nach Perspektive Hoffnung, die Bayern könnten nach dem totalen Triumph in ihrer Erfolgsgier nachlassen, ist anscheinend unbegründet. "Wir sind weiter total hungrig", sagte Leon Goretzka, im Training werde "kein Prozent weniger gemacht. Ich glaube, das ist auch der Schlüssel, wie man dann zu weiteren Titeln kommen kann".

Bayern und DFL gegen Playoffs und Salary Cap

Zumal jegliche Vorschläge, durch Regeländerungen endlich wieder für Spannung an der Tabellenspitze zu sorgen, nicht nur von den Bayern kategorisch abgelehnt werden - sondern auch von der DFL-Spitze.

Etwa die Einführung von Playoffs, was für Seifert einen "Kulturbruch" bedeuten würde, weshalb er eine breite Ablehnung bei Klubs und Fans sieht. Oder eben die Umverteilung der Einnahmen, wie sie das Fan-Bündnis "Unsere Kurve" kürzlich vorgeschlagen hat. Das Konzept fordert unter anderem den Ausschluss von externen Investoren, eine gleichmäßigere Verteilung der Mediengelder, eine Gehaltsobergrenze und eine Luxussteuer.

Doch weder die Investoren-Klubs wie in Leipzig, Leverkusen oder Wolfsburg stehen ernsthaft zur Debatte noch ein Salary Cap. Auch wenn einige Juristen durchaus die Einführung im Alleingang für möglich halten, sieht der DFL-Chef nur die Möglichkeit einer europäischen Lösung - die, wie er weiß, natürlich nicht kommen wird.

Bayern: 200 Millionen Euro Vorsprung vor BVB

Bliebe das komplexe Thema der Medienerlöse, die bis Jahresende neu verhandelt werden müssen und aktuell vor allem nach Erfolgskriterien verteilt werden. So wächst der Abstand des Dauerdominators aus München, der nach Seiferts Angaben schon jetzt einen finanziellen Vorsprung auf Borussia Dortmund von rund 200 Millionen Euro Jahresumsatz hat.

Entsprechend wird die Kritik aus der Liga immer lauter. "Ich denke, dass alle mittlerweile verstanden haben, dass es auch schön wäre, wenn eine Generation von Kindern aufwächst, die nicht nur Bayern München als Meister erlebt", meinte Bremens Geschäftsführer Klaus Filbry.

Doch Seifert widerspricht auch hier, nennt den Abstand bei den Einnahmen aus den nationalen TV-Erlösen zwischen dem Branchenkrösus (70,64 Millionen laut kicker ) und den unmittelbaren Verfolgern BVB (69,37 Millionen Euro), Bayer Leverkusen (67,47) und RB Leipzig (65,96) "wirklich marginal".

Nach Ansicht des erklärten Mönchengladbach-Anhängers liegt die stetig wachsende Kluft viel mehr in den massiven Mehreinnahmen der Bayern durch die UEFA begründet, die nach dem Sieg in der Königsklasse rund 130 Millionen Euro an die Säbener Straße überwiesen hat.

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Seifert: "Parolen einer Gleichverteilung helfen nicht"

"Was den Wettbewerb in den Ligen und ganz Europa zementiert hat, sind die Gelder der Champions League. Diesen Wettbewerb werden sie durch keinen nationalen Verteilerschlüssel jemals ausgleichen können", lautet daher Seiferts Überzeugung: "Was nicht hilft, ist sehr einfache Parolen einer Gleichverteilung in den Raum zu werfen und so zu tun, als würde die Bundesliga davon profitieren - das wird nicht passieren."

Volle Zustimmung erhält er erwartbar von Uli Hoeneß. "Wenn man anfängt, sozialistisch zu denken und umzuverteilen, sträuben sich mir die Haare", sagte der langjährige Präsident und jetzige Aufsichtsrats-Vize im Doppelpass bei Sport1 . Für solche Visionen ist Hoeneß zu sehr Kapitalist, Bayern-Fan und vor allem Verfechter von Ruhe im Verein. Er werde sich daher auch über die neunte Meisterschaft in Folge freuen, erklärte der 68-Jährige, denn: "Wenn wir einmal Zweiter werden, heißt es, wir haben katastrophal gearbeitet."

Mit dem gleichen Argument hat Hoeneß übrigens auch die Diskussionen über mögliche Neuzugänge abgebügelt. Jeder teuer eingekaufte Topspieler außerhalb des Kernteams ist demnach einer zu viel, weil er aufgrund seiner Bankrolle nur für Unruhe sorgt. Was Hoeneß offenbar bewusst übersah: Mit elf Stammspielern konnte man eventuell zu seinen aktiven Zeiten und vielleicht auch noch in der ersten Zeit als Manager eine Saison erfolgreich bestreiten, heutzutage aber geht das nicht mehr - schon gar nicht in der neuen Saison, in der es so wenig Regenerationspausen geben wird wie nie zuvor.

Saison im Dauerstress: 70 Pflichtspiele bis zum EM-Finale

Für Nationalspieler, deren Klubs im Europacup teilnehmen, stehen bis Weihnachten fast durchgängig englische Wochen an, die Winterpause entfällt hierzulande. Sollten die Bayern-Profis 2021 ähnlich erfolgreich sein wie in diesem Jahr und danach noch die EM-Endrunde bestreiten, können sie auf rund 70 Pflichtspiele kommen.

Schon jetzt warnen nicht nur Sportmediziner, dass diese Dauerbelastung spätestens im Frühjahr zu zahlreichen, auch längerfristigen Ausfällen führen dürfte. "Wenn man da nicht aufpasst, haben wir große Probleme im März, April, Mai", sorgt sich Bundestrainer Jogi Löw, der natürlich den Verlust mehrere Leistungsträger befürchtet.

Joshua Kimmich beispielsweise hat in der abgelaufenen Spielzeit fast jede Partie bestritten, weshalb er sich in einem SZ -Interview auch deutlich positionierte: "In der letzten Saison konnten wir das mit einem kleinen Kader durchziehen, weil wir durch die Unterbrechungen immer wieder Pausen hatten. Wir konnten zwischendurch immer wieder den Akku aufladen."

Bayern: Zahlenmäßig dünnster Kader der Bundesliga

Umso mehr wirken die Aussagen der Bayern-Bosse, dass man auch nach dem Wechsel von Thiago nach Liverpool, dem insgesamt sechsten Abgang, über einen ausreichend großen Kader verfüge, nicht nur wie eine Bloßstellung von Meistertrainer Hansi Flick, sondern vor allem wie ein Spiel mit dem Feuer - sollten sie denn Bestand haben. Denn momentan haben die Münchner tatsächlich den zahlenmäßig dünnsten Kader der Bundesliga, obwohl sie vermutlich die meisten Spiele bestreiten werden.

Hinzu kommt die kritische Corona-Situation in München, die nicht nur für schlechte Stimmung, Unsicherheiten und Ängste sorgt. Sondern die Wahrscheinlichkeit einer Infektion eines Profis steigt natürlich, zumal die strengen Kontaktbeschränkungen in der Endphase der vergangenen Saison derzeit nicht mehr aufrecht gehalten werden können. So muss Bayern bereits auf Kingsley Coman verzichten, der wegen einer Ansteckung im Bekanntenkreis von der Mannschaft isoliert werden musste.

Darüber hinaus drohen weitere Geisterspiele in der Allianz Arena, wenn der aktuell extrem hohe Inzidenzwert in der kommenden kalten Jahreszeit nicht deutlich sinkt, sondern wie von vielen erwartet aufgrund der Grippesaison sogar noch steigt. Sportlich könnte das Flick-Team das wohl am ehesten verkraften, alle Begegnungen hinter verschlossenen Türen wurden bisher gewonnen.

Hoeneß: Ohne Zuschauer Verluste von 50 bis 60 Millionen

Aber dem Verein entgehen pro Geisterspiel rund 2,5 bis 2,7 Millionen Euro an Einnahmen aus Ticketing, Hospitality und Sponsoring, die sich laut Hoeneß auf Verluste von 50 bis 60 Millionen Euro summieren können. Auch das dürfte ein Grund für die Zurückhaltung auf dem Transfermarkt sein, laut Hasan Salihamidzic ist der FCB ja "wirtschaftlich am Anschlag".

Daher gibt es im Transferpoker mit Schlüsselspieler David Alaba nach wie vor keine Einigung, weil die Forderungen des Österreichers angeblich viel zu hoch sein sollen. Bei einem Scheitern müsste man Alaba aber bis Anfang Oktober verkaufen, da man im nächsten Jahr keine Ablöse mehr für ihn bekommt.

Spätestens dann könnte die derzeit lautstark vorgetragene Überzeugung, die Bayern könnten auch mit einem stark ausgedünnten Kader ausgerechnet diese Marathon-Saison erfolgreich bestreiten, plötzlich und unerwartet doch für Spannung im Kampf um die Meisterschaft sorgen. Im Fußball ist ja angeblich alles möglich.

Bundesliga: Der 1. Spieltag im Überblick

Datum Uhrzeit Heim Auswärts Freitag, 18. September 20.30 Uhr FC Bayern München FC Schalke 04 Samstag, 19. September 15.30 Uhr Eintracht Frankfurt Arminia Bielefeld Samstag, 19. September 15.30 Uhr Union Berlin FC Augsburg Samstag, 19. September 15.30 Uhr 1. FC Köln TSG Hoffenheim Samstag, 19. September 15.30 Uhr Werder Bremen Hertha BSC Samstag, 19. September 15.30 Uhr VfB Stuttgart SC Freiburg Samstag, 19. September 18.30 Uhr Borussia Dortmund Borussia Mönchengladbach Sonntag, 20. September 15.30 Uhr RB Leipzig 1. FSV Mainz 05 Sonntag, 20. September 18 Uhr VfL Wolfsburg Bayer 04 Leverkusen