2008 im Alter von zwölf Jahren vollzog Leroy Sane den ersten großen Schritt seiner Fußballerkarriere. Bis dahin hat er auf den Straßen rund um das Trainingsgelände der SG Wattenscheid 09 gespielt und später dann auch darin, anschließend im lediglich rund zehn Kilometer entfernten Gelsenkirchen beim FC Schalke 04. Wohlfühlzone.
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Nun verließ er erstmals seine fußballerische Heimat, wagte einen Neustart in fremder Umgebung. Rheinland statt Ruhrpott, Leverkusen statt Gelsenkirchen. "Er war gleich voll integriert und bei allen sehr beliebt", erinnert sich Frederik Streit, der bei Bayer 04 Leverkusen fortan mit Sane in einer Mannschaft spielte, im Gespräch mit SPOX und Goal . "Man konnte mit ihm jeden Blödsinn machen und er hatte immer einen flapsigen Spruch auf Lager. Manchmal war er aber ein bisschen chaotisch."
Auch auf dem Platz sorgte Sane direkt für Chaos. "Ich habe seine typische Fintenbewegung noch genau im Kopf", sagt Streit. "Mit dem linken Fuß machte er immer die gleiche Bewegung. Jeder wusste es, aber es war trotzdem nicht zu verteidigen. Ein bisschen wie bei Arjen Robben."
Leroy Sane beim FC Bayern: Der Druck ist enorm
Während Robben beim FC Bayern Legendenstatus erlangte, kehrte Sane nach drei Jahren in Leverkusen zu Schalke zurück, schaffte den Sprung zu den Profis, sammelte bei Manchester City in vier Jahren Auslandserfahrungen sowie Titel - und soll nach dem Wechsel für 45 Millionen Euro nun beim FC Bayern die Tradition der großen Flügelstürmer fortsetzen. Gewissermaßen soll er den vor einem Jahr abgewanderten Robben beerben.
Robbens Rückennummer 10 hat er schon, Robbens Trick kann er schon lange. Aber bringt er es auch auf den Platz?
Der Druck auf Sane ist enorm: Ein Jahr lang hat sich der FC Bayern um ihn bemüht und keiner im Klub macht einen Hehl aus der gewaltigen Erwartungshaltung. Die Verantwortungsträger übertreffen sich auf Sane angesprochen seit Wochen gegenseitig mit ihren Huldigungen über seine Fähigkeiten. "Ich kann mit Druck gut umgehen und bin kein Typ, der sich groß verrückt machen lässt", sagte Sane dem klubeigenen Magazin 51 .
Leroy Sane hat seit einem Jahr kaum Spielpraxis
Psychisch mag das stimmen, aber stimmt es aktuell auch physisch? Seit seinem Kreuzbandriss vor etwas mehr als einem Jahr absolvierte Sane lediglich elf Pflichtspielminuten für Manchester City und bei der zurückliegenden Länderspielpause 108 für die deutsche Nationalmannschaft.
"Ich denke, ich bin bei 80 Prozent", sagte Sane nach den Einsätzen für den DFB. "Klar fehlen die Spiele und der Rhythmus, da werden die letzten Prozente dazukommen." Bisher hatte er noch keine Chance dazu: Testspiele absolvierte der FC Bayern in diesem Sommer keine, das DFB-Pokalspiel beim 1. FC Düren wurde verschoben und sogar Mannschaftstrainings waren bisher absolute Mangelware.
Alexander Nübel spricht über Leroy Sanes Wandlung
Nach seinem Wechsel trainierte Sane einige Tage mit seinen neuen Kollegen, ehe diese zum Champions-League-Finalturnier nach Lissabon aufbrachen und den Titel holten. Sane und die anderen beiden Neuzugänge Alexander Nübel und Tanguy Nianzou blieben unterdessen in München und trainierten zunächst individuell und später mit der Reserve.
Nübel, der in der Saison 2015/16 gemeinsam mit Sane für Schalke gespielt hatte, erkannte dabei seinen alten, neuen Teamkollegen kaum wieder. "Er ist in England in Sachen Trainingseifer und -intensität sehr gereift", sagte Nübel bei einer Pressekonferenz am Donnerstag . "Das war damals bei Schalke noch nicht so extrem."
Flick über Sane: "Wird eine große Umstellung für ihn"
Ein reguläres Mannschaftstraining läuft beim FC Bayern seit einer Woche. Dabei kam Sane erstmals vollumfänglich mit der komplexen und äußerst intensiven Spielweise von Trainer Hansi Flick, die auf einem hohen und durchorchestrierten Pressing beruht, in Berührung. "Bei uns geht es gegen den Ball sehr intensiv zur Sache. Unsere Spielweise, den Gegner früh und aktiv unter Druck zu setzen, wird eine große Umstellung für ihn", prognostizierte Flick vor dem Trainingsauftakt.
Die ersten Trainingseindrücke in Sachen Pressing stimmten Flick positiv, wie er bei der Pressekonferenz am Donnerstag verkündete, die Feinabstimmung fehlt aber noch: "Er hat eine gute Basis. Jetzt gilt es, Stück für Stück immer den nächsten Schritt zu machen. Ich traue ihm das aber absolut zu, sonst hätten wir ihn nicht geholt."
Perfekt abgestimmte Anlaufbewegungen bei gegnerischem Ballbesitz dürfen von Sane zunächst eher nicht erwartet werden, viel eher technische Finesse und Kreativität im Offensivspiel, die ihn seit der Zeit auf Wattenscheids Straßen auszeichnen. Spielwitz, Dribblings, Tricks. Anarchie!
Sane soll das Spiel des FC Bayern laut Sportvorstand Hasan Salihamidzic auf Anhieb "facettenreicher, flexibler, unausrechenbarer" machen: "Ich erwarte, dass er, wenn er viermal im Dribbling hängen bleibt, es ein fünftes Mal probiert." Sane selbst sagte: "Ich muss den Mut haben, Dinge auszuprobieren. Wenn man ein-, zweimal hängenbleibt, darf man nicht den Glauben an sich verlieren."
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Leroy Sane wird gegen Schalke wohl links gebraucht
Auf welcher Spielfeldseite er seinen Hauch Anarchie beim FC Bayern langfristig einbringen soll, ist noch unklar. Sane kann zwar über links und rechts stürmen, seine Rückennummer und sein aus Leverkusener Zeiten bekannter Trick passen beim FC Bayern traditionell besser auf die rechte Seite. Dort fühlt er sich nach eigener Auskunft auch am wohlsten, gegen Schalke wird er aber wohl eher links gebraucht.
Der dort zuletzt beheimatete Kingsley Coman befindet sich nach einem Kontakt zu einer mit dem Coronavirus infizierten Person aus seinem Umfeld derzeit in häuslicher Quarantäne und wird das Spiel gegen Schalke verpassen. Auf der rechten Seite dürfte Serge Gnabry starten, die Rückkehr des Robben-Tricks nach Sane-Interpretation ist somit fürs Erste vertagt.
FC Bayern: Die kommenden Termine im Überblick
Datum Termin 18. September 1. Bundesliga-Spieltag gegen Schalke 04 24. September UEFA Supercup gegen den FC Sevilla 27. September 2. Bundesliga-Spieltag gegen die TSG Hoffenheim 30. September DFL Supercup gegen Borussia Dortmund