Die schnöden Statistiken lassen aus Bucks-Sicht vor Spiel 4 gegen die Miami Heat nicht allzu viel Optimismus zu. In der langen Historie der NBA gelang es noch nie einem Team, einen 0-3-Rückstand in einer Best-of-Seven-Serie aufzuholen. Bereits seit 1947 werden in der NBA beziehungsweise deren Vorgänger-Liga Playoff-Serien im Best-of-Seven-Format ausgetragen, seit 2003 sind vier Siege zum Weiterkommen mit Beginn der ersten Runde Pflicht.

Ganze 139-mal entschied ein Team die ersten drei Spiele einer Serie für sich, doch trotz der hohen Fallzahl: Ein 0:3-Rückstand war bisher immer gleichbedeutend mit dem Playoff-Aus - manchmal früher, manchmal später (immerhin drei Teams erzwangen noch ein Spiel 7).

Nun stehen also die Bucks mit dem Rücken zur Wand, vor allem, da in der Franchise-Historie noch nie ein Playoff-Sieg gegen die Heat gelang (0-4 in der ersten Runde 2013 plus drei Pleiten 2020). Aber auf die Statistiken will in Wisconsin keiner hören. Wenn das eigentlich beste Team der regulären Saison schon einmal in solch einer Situation gefangen ist, "können wir auch gleich Geschichte schreiben", sagte Bucks-Guard George Hill nach der 100:115-Pleite in Spiel 3 .

"Zum ersten Mal in der Geschichte der NBA spielen wir in einer Bubble. Zum ersten Mal kann ein Team von 0-3 zurückkommen", erklärte der 34-Jährige fast schon trotzig. "Wir müssen uns vertrauen und weiterhin daran glauben, dass die Saison noch nicht vorbei ist."

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Bucks vs. Heat: Desolates viertes Viertel für Giannis und Co.

Sich letzteres einzureden, scheint derzeit aber denkbar schwierig. Nicht nur die Statistiken, auch das Auftreten auf dem Parkett in den bisherigen Conference Semifinals sprechen eher gegen Milwaukee. Beispiel: das vierte Viertel in Spiel 3.

Die Bucks lagen zu Beginn des Durchgangs zwischenzeitlich noch mit 12 Zählern in Front, dann brach Milwaukee aber komplett ein. Keiner der 10 Dreierversuche im Schlussbaschnitt flutschte durch die Reuse, insgesamt trafen Giannis Antetokounmpo und Co. nur 26,1 Prozent aus dem Feld für magere 13 Punkte - allein Jimmy Butler auf der Gegenseite hatte im gleichen Zeitraum 17 Punkte (insgesamt 30)!

Ähnlich wie bereits in den Partien zuvor ließ der 30-Jährige sein Team nicht verlieren und drehte in den entscheidenden Momenten ordentlich auf. Im Gegensatz zu Giannis, der im letzten Durchgang 4 Punkte bei 2 von 7 aus dem Feld auflegte. So drehte Miami mit einem 35:9-Lauf die Partie und entschied das vierte Viertel mit 27 Punkten für sich (40:13) - die höchste Punktedifferenz in einem Schlussabschnitt in der Playoff-Geschichte.

"Wir haben den besten Spieler in dieser Serie", stellte deshalb Heat-Big Meyers Leonard klar. Vielleicht ließ er sich bei dieser Aussage etwas zu sehr von der Euphorie des Sieges tragen, doch es fällt schwer, derzeit Argumente für den Greek Freak zu finden.

Giannis: Die Dominanz der regulären Saison fehlt

Der amtierende MVP, der die Trophäe sicherlich auch in diesem Jahr verdientermaßen abräumen wird, ist von seiner Dominanz aus der regulären Saison weit entfernt. In drei Spielen gegen die Heat kommt der 25-Jährige auf 22,7 Punkte, 13,3 Rebounds und 7 Assists - klingt nach einer recht soliden Ausbeute, für Giannis-Verhältnisse ist aber in erster Linie das Scoring enttäuschend.

Antetokounmpo liegt derzeit etwa 7 Zähler unter seinem Schnitt aus der regulären Saison, dazu trifft er gegen die Heat nur 45,1 Prozent seiner Feldwurfversuche (reg. Saison: 55,3 Prozent). Die Heat schicken vor allem Jae Crowder ins Matchup gegen den Griechen, der bekommt aber zusätzlich eine Menge Hilfe von den Kollegen, die versuchen, eine Wand vor dem MVP aufzubauen.

So zwingt Miami Antetokounmpo zu einer Menge Jumpern, die aber in dieser Serie nicht fallen (3/17 FG außerhalb der Zone, 17,6 Prozent). Und versenkte Giannis in Runde 1 gegen die Magic noch gute 38,5 Prozent von Downtown, so sind es gegen Miami nur 15,4 Prozent - mit dem 0/7-"Highlight" in Spiel 3.

Bucks-Coach in der Kritik: Mehr Minuten für Giannis ein Muss

Eine leichte Knöchelverletzung, nach der er in der Partie einige Male sichtlich humpelte, wollte Giannis dabei nicht als Ausrede anführen. Der Knöchel sei okay, so Giannis, dennoch stand er nur 34:55 Minuten auf dem Parkett. Die relativ geringen Einsatzzeiten seiner Superstars brachten Head Coach Mike Budenholzer schon in der Vergangenheit Kritik ein. Bei Blowouts in der regulären Saison ist das noch nachvollziehbar, doch in den Playoffs, in einer Must-Win-Situation, sind knapp 35 Minuten für den MVP einfach zu wenig.

"Das Niveau ist in dieser Phase der Saison hoch. Wenn die Jungs dann in einem Playoff-Spiel so hart spielen, dann denke ich, dass 35 oder 36 Minuten das Limit sein sollten", verteidigte Coach Bud nach der Partie seine Strategie . Dass ein LeBron James beispielsweise über seine Karriere 41,8 Playoff-Minuten pro Partie abreißt, scheint Budenholzer wenig zu beeindrucken. Und ein weiteres Problem bei dieser Aussage: Die Heat spielen noch härter als Milwaukee.

Jimmy Buckets führt sein Team nicht nur mit seiner Fähigkeit, das orangefarbene Leder im Korb unterzubringen, an, sondern auch mit seiner Leidenschaft, seinem Kampfgeist. Das färbt sich auf das komplette Heat-Team ab. "Sie spielen 48 Minuten hart", musste Giannis anerkennen. "Um sie zu schlagen, müssen wir ebenbürtig sein. Man kann nicht nur für 24 oder 36 Minuten hart spielen. Wir müssen noch härter spielen."

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Bei frühem Playoff-Aus: Fragen nach Giannis' Zukunft?

Antetokounmpo betonte zudem, dass er in Spiel 3 mehr hätte spielen können, das wird nun ziemlich sicher in Spiel 4 der Fall sein - sofern Coach Budenholzer bereit ist, endlich seine Rotation zu verkleinern, und den besten Spielern seines Teams mehr Zeit auf dem Parkett zu geben. Wenn nicht jetzt, wann dann ...

Schließlich ist das Aus der Bucks in der zweiten Playoff-Runde nur noch einen Heat-Sieg entfernt, die Chancen stehen bekanntlich schlecht. Dies wäre gleichbedeutend mit einer riesigen Enttäuschung für das beste Team der regulären Saison und könnte unter Umständen weitreichende Auswirkungen haben. Nicht nur ist der Job von Budenholzer in Gefahr, auch hinter der Zukunft von Giannis könnten bei einem frühen Playoff-Aus Fragezeichen aufploppen.

Zwar ist der Grieche noch bis 2021 an die Bucks gebunden, diese können ihm aber bereits in diesem Sommer eine Supermax-Verlängerung auf den Tisch legen. Nimmt er die an, sollten die Bucks tatsächlich schon in Runde zwei scheitern? Giannis hat immer betont, sich zwar eine langfristige Zukunft in Milwaukee vorstellen zu können, aber auch um Titel spielen zu wollen.

Dieser Zug ist in dieser Saison aller Voraussicht nach abgefahren. Außer die Bucks schaffen als erstes Team in der NBA-Geschichte das bisher Unmögliche. "Wenn es ein Team gibt, das vier Spiele in Folge gewinnen kann, das sind das wir. Wir können definitiv das erste Team sein", gab sich Giannis kämpferisch. Heute Abend muss Milwaukee den ersten Schritt machen.

Die Serie zwischen den Milwaukee Bucks und Miami Heat im Überblick

Spiel Datum Uhrzeit Team 1 Team 2 Ergebnis 1 1. September 0.30 Uhr Milwaukee Bucks Miami Heat104:115 2 3. September 0.30 Uhr Milwaukee Bucks Miami Heat114:116 3 5. September 0.30 Uhr Miami Heat Milwaukee Bucks 115:100 4 6. September 21.30 Uhr Miami Heat Milwaukee Bucks 5* 9. September tba Milwaukee Bucks Miami Heat 6* 11. September tba Miami Heat Milwaukee Bucks 7* 13. September tba Milwaukee Bucks Miami Heat