Allzu häufig kommt es nicht vor, dass die Verpflichtung eines NBA-Coaches wie aus dem Nichts kommt und dabei auch noch jemand benannt wird, der zuvor gar nicht in den Gerüchten aufgetaucht war. Dass Tom Thibodeau die Knicks übernehmen würde, wusste (ahnte) man schon Monate zuvor, dass Tyronn Lue die Sixers übernimmt, scheint auch zumindest wahrscheinlich zu sein. Die Steve Nash-Verpflichtung seitens der Brooklyn Nets war nicht nur in dieser Hinsicht ungewöhnlich.

In Nash hat jemand einen der begehrtesten NBA-Posten übernommen, der zuvor überhaupt nicht als Head Coach gearbeitet hatte; vereinfacht gesagt wird hier ein Quereinsteiger direkt zum CEO eines DAX-Konzerns. Brooklyn bediente sich nicht am riesigen Pool der bereits bekannten Head oder Assistant Coaches, fand also eine mutige statt einer sicheren Lösung.

Niemand kann Nashs Qualifikation für den Posten fair einschätzen. Offenkundig ist aber seine für den Moment wichtigste Qualifikation: Im Gegensatz zu Vorgänger Kenny Atkinson hat er das Gütesiegel von Kevin Durant, der wichtigsten Person in dieser Franchise. Nash arbeitete bei den Warriors mit KD gemeinsam und genießt dessen Vertrauen, sonst wäre er wohl kein Kandidat gewesen.

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Viele Baustellen bei den Brooklyn Nets

Die Nets definierten sich über Jahre als Organisation, die von einer gewissen Kultur geprägt ist, von einer "Process over Results"-Denkweise. Viel davon ist im Sommer 2019 aus dem Fenster geflogen: Seither geben Durant und auch Kyrie Irving den Ton an. Das ist auch nicht verwerflich, Superstars bestimmen die NBA seit Jahren stärker, als dies in anderen Sportligen der Fall ist.

Nash beginnt seine Trainerkarriere nun direkt in einer hochspannenden Situation. Sobald Durant von seinem Achillessehnenriss zurückkehrt, lautet der Anspruch in Brooklyn sofort "Titel" - Nash soll genau wie Steve Kerr, Tyronn Lue und Nick Nurse vor ihm direkt im ersten Jahr Meister werden. Seine Voraussetzungen sind jedoch völlig andere als bei den genannten Kollegen.

Lue und Nurse waren vor ihrer Übernahme schon Teile des Trainerstabs, Kerr hatte zwar keine Erfahrungen als Coach, aber als General Manager und übernahm ein in großen Teilen schon zusammengestelltes Team. In Brooklyn standen die wichtigsten Akteure noch nie gemeinsam auf dem Court, ständig wird über Trades gerätselt. Ganz zu schweigen von der zwischenmenschlichen Komponente, beide Nets-Stars gelten als teilweise nicht ganz einfache Charaktere.

Folgt Steve Nash auf Jason Kidd oder Steve Kerr?

Es spricht für Nashs Ruf, dass man es ihm instinktiv zutraut, diese Situation zu meistern: Der vielleicht beste Point Guard seiner Zeit war ebendieser über Jahre voraus, kreierte mit seinen Suns-Teams eine Blaupause für das moderne Spiel. Nash war auf dem Court ein Genie und auch nebendran ein echter Anführer.

Den jungen Dirk Nowitzki ( den Nash nun anscheinend sogar mit nach Brooklyn nehmen wollte ) führte er durch dessen Heimweh, in späteren Jahren erstellte er Ernährungspläne für seine jüngeren Mitspieler, die für ihn durch Wände gerannt wären. Neben der spielerischen zeichnete ihn eine hohe emotionale Intelligenz aus, die ihm in Brooklyn helfen sollte, vergleichbar mit Kerr in Golden State.

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Dass Nash ein guter Coach sein könnte, wenn er wollte, konnte man sich insofern schon lange vorstellen. Fairerweise konnte man dies bei seinem langjährigen Rivalen Jason Kidd auch, der 2013 - ebenfalls in Brooklyn - genau wie Nash nun ohne Vorerfahrung zum Head Coach wurde. Kidd durchlief damals sogar einen fließenden Übergang vom Spieler zum Trainer.

Als mutig galt dieser Schritt auch, wirklich funktioniert hat er nicht, nach nur einem Jahr ging Kidd im Streit. Derzeit arbeitet er als Assistant Coach bei den Lakers und hatte sich Gerüchten zufolge auch für den Job bei den Nets interessiert. Diese wollten aber offensichtlich etwas Neues ausprobieren.