Am Ende war das Ergebnis fast zweitrangig. Trotz einiger Unkonzentriertheiten und der zunehmenden Passivität in den Schlussakten des Länderspielkrachers zwischen dem Weltmeister von 2010 und dem von 2014 war man besonders beim DFB hinterher doch recht zufrieden.
So lobte Bundestrainer Joachim Löw beispielsweise den Fight "bis zum Schluss", den seine in Abwesenheit der geschonten Bayern-Stars um Kapitän Manuel Neuer, Serge Gnabry, Joshua Kimmich und Leon Goretzka neu zusammengewürfelte Mannschaft den Spaniern geliefert habe. "Es war gut, ich kann zufrieden sein. Wir hatten im Spiel insgesamt die besseren Chancen als die Spanier", analysierte Löw und hatte damit gar nicht mal so Unrecht.
Bis auf ein paar Schwächen im Spielaufbau und die schriftlichen Einladungen zu gefährlichen Kontern wie jene, die Emre Can den Spaniern in der Anfangsphase mit freundlichen Grüßen übermittelt hatte, war kaum etwas zu sehen von der gefürchteten Furia Roja, die an diesem Abend in Stuttgart eher weniger furios auftrat.
Stattdessen waren es die Deutschen, die immer wieder David de Gea zwischen den spanischen Pfosten prüften. Zunächst recht erfolglos wie Thilo Kehrer, Leroy Sane und Julian Draxler, dann kurz nach der Pause aber von Erfolg gekrönt. Timo Werner veredelte einen mustergültigen Spielzug über Ilkay Gündogan und den überzeugenden Debütanten Robin Gosens zum vermeintlichen Siegtreffer, der bis tief in die Nachspielzeit Bestand hatte, auch weil Löw auf eine Fünferkette umstellte und das Ergebnis so über die Zeit schaukeln wollte - oder gar musste.
DFB-Team: Gosens und Löw nach Remis verärgert
"Man muss ehrlich sein: Nicht bei jedem hat es kräftemäßig gereicht heute. Es ging nicht anders, als sich in der Schlussphase hinten reinzustellen. Das hat ja auch sehr gut geklappt, bis wir dieses ärgerliche Gegentor am Ende kassiert haben", sagte Can.
Besonders ärgerlich war der Gegentreffer in der 96. Minute durch Gaya für Gosens, der nach einer Grätsche ins Tor-Aus unwissend das Abseits aufgehoben hatte. "Ich dachte, wenn ich hinter der Linie stehe, bin ich nicht mehr im Spiel. Das geht mir ordentlich auf den Zünder, dass wir in der letzten Sekunde dieses Eier-Gegentor bekommen", sagte der 26-Jährige.
Und so waren bis auf Gosens eigentlich am Ende doch alle zufrieden. Nur Löw, der nur eines der vergangenen sechs Duelle mit den Spaniern gewinnen konnte, hatte noch etwas Richtung UEFA zu sagen. Die hatte nämlich vor dem Nations-League-Auftakt die Wechsel-Regel wieder zu Ungunsten der Spieler gekippt. Statt zuvor fünf waren am Donnerstag nur noch drei Wechsel erlaubt. Für Löw, der sich auch über den prallen Terminkalender im Oktober und November mit sechs Spielen echauffierte, total unverständlich.
"Was mich aufregt: Lange wurden fünf Wechsel erlaubt, jetzt nicht mehr. Gerade jetzt! Einige sind auf dem Zahnfleisch gelaufen. Wir müssen aufpassen: Die Gesundheit der Spieler steht über allem", sagte Löw. Für den Bundestrainer und seine Mannschaft geht es schon am Sonntag in der Nations League gegen die Schweiz weiter (20.45 Uhr im LIVETICKER ). Die Eidgenossen verloren in der Gruppe 4 parallel zum deutschen Spiel mit 1:2 gegen die Ukraine, die bis zum Wochenende von der Tabellenspitze grüße.
Alle Stimmen und Reaktionen zum Last-Minute-Remis des DFB-Teams gegen Spanien gibt es hier .
DFB-Team in der Nations League: Tabelle nach dem 1. Spieltag
Platz Team Spiele Tore Diff. Punkte 1 Ukraine 1 2:1 +1 3 2 Spanien 1 1:1 0 1 3 Deutschland 1 1:1 0 1 4 Schweiz 1 1:2 -1 0
Deutschland gegen Spanien: Die Analyse
Bundestrainer Löw setzte zu Beginn auf eine Dreierkette, in der erwartbar zentral Süle und links Rüdiger und etwas überraschender auf rechts Can anstelle von Ginter starteten. Auf der linken Mittelfeldseite kam Gosens gleich zu seinem Nationalmannschaftsdebüt - und auf der Gegenseite Kehrer nach einem starken Diagonalball zur ersten Großchance der Partie, die de Gea entschärfte (10.).
Deutschland kontrollierte das Spiel zunächst in der Anfangsphase, brachte sich gegen in einem 4-3-3 formierte Spanier jedoch durch einen verheerenden Rückpass von Can selbst in die Bredouille. Trapp, der den geschonten Neuer und den verletzten ter Stegen vertrat, klärte im zweiten Anlauf per Grätsche, nachdem er den Ball zunächst verfehlt hatte.
Das sehr zentrumslastige DFB-Team (41,1 Prozent der Angriffe durch die Mitte) hatte fortan Probleme, sich spielerisch gegen nun höher pressende Spanier zu befreien. Besonders Can, aber auch Rüdiger und Trapp machten im Spielaufbau keinen guten Eindruck. Besser funktionierte die Raumaufteilung gegen den Ball im Mittelfeld, wo Kroos und Gündogan gut verschoben und Draxler als Zehner die Kreise von Busquets einengte.
Die Folge waren erste Ballgewinne und Konterchancen über die Doppelspitze Werner und Sane, letzterer prüfte de Gea mit einem starken Abschluss (18.). Weil aber auch die Spanier mit Triple-Sieger Thiago gut gegen den Ball arbeiteten, lief spielerisch bei beiden Mannschaften im ersten Durchgang wenig zusammen. Der ungewohnt fehleranfällige Busquets nach einem Freistoß (23.) und Rodrigo nach Fehlern von Draxler und Can (45.) prüften Trapp. Werner (36.) und Sane (38.) verdaddelten ihrerseits aussichtsreiche Gegenstöße nach spanischen Ballverlusten.
Auf die Pause folgte der erste echte Glanzmoment im deutschen Spiel: Der offensiv bis dahin unsichtbare Gündogan schickte Gosens mit einem herrlichen Ball auf links und die Hereingabe des überzeugenden Debütanten verwertete der bis dahin ebenfalls wirkungslose Werner zur Führung (51.). Spanien wurde anschließend zwar aktiver, blieb aber unterm Strich offensiv harmlos.
Werner (60./61.) und Sane (53.) vergaben im Umschaltspiel derweil beste Möglichkeiten auf eine Vorentscheidung, ehe Sane ausgepumpt runter musste. Löw brachte Ginter und zog Can als zusätzliche Kraft ins zentrale Mittelfled. Viel gelang den Spaniern gegen das kompakt, aber auch zu tief stehende DFB-Team nicht mehr, gegen den Ball formierte sich Deutschland in einem 5-4-1-System, das auf Konter lauerte.
Mit der letzten Aktion des Spiel in der sechsten Minute der Nachspielzeit bnestraften die Gäste aber doch noch die deutsche Passivität: Gaya drückte eine Moreno-Verlängerung aus kurzer Distanz zum insgesamt unverdienten Ausgleich über die Linie. Der bis dahin überzeugende Gosens hob dabei das Abseits auf.
Nach der Punkteteilung zwischen den zwei Schwergewichten der Gruppe 4 grüßt die Ukraine (2:1 gegen die Schweiz) nach dem ersten Spieltag von der Tabellenspitze. Am Sonntag geht es für das DFB-Team gegen die Eidgenossen (20.45 Uhr im LIVETICKER ).
Deutschland - Spanien: Die Aufstellungen
- Deutschland: Trapp - Can, Süle, Rüdiger - Kehrer, Gündogan (74. Serdar), Kroos, Gosens - Draxler - Sane (62. Ginter), Werner (90. Koch)
- Spanien: De Gea - Carvajal, Sergio Ramos, Torres, Gaya - Thiago, Busquets (57. Merino), Ruiz - Ferran Torres, Rodrigo Moreno, Jesus Navas (46. Ansu Fati)
Die Daten des Spiels Deutschland gegen Spanien
Tore: 1:0 Werner (51.), 1:1 Gaya (90.+6)
- Die Nations-League-Partie war das erste Pflichtspiel der beiden Nationen seit dem WM-Halbfinale 2010. Damals zog Spanien durch ein Kopfballtor von Carles Puyol ins Finale ein und gewann im Finale gegen die Niederlande den WM-Titel.
- Spanien hatte bis zum heutigen Abend nur eines der vergangenen fünf Spiele gegen das DFB-Team verloren (drei Siege, ein Unentschieden). Die bis dato letzte Pleite der Furia Roja gegen Deutschland kam in einem Testspiel im November 2014 (0:1) zustande.
- Deutschland hat damit weiterhin seit 1988 kein Pflichtspiel gegen Spanien gewonnen.
- In den vergangenen 41 Länderspielen hat Spanien immer mindestens einmal getroffen.
Der Star des Spiels: Robin Gosens (Deutschland)
Machte ein sehr, sehr ordentliches DFB-Debüt. Der Profi von Atalanta Bergamo war defensiv hellwach, ließ gegen Jesus Navas im ersten Durchgang nahezu nichts zu und setzte dennoch immer wieder offensive Akzente. Einen starken Diagonalball von Gündogan verarbeitete er schulbuchmäßig und legte das Siegtor von Werner auf. Ein nahezu perfekter Einstand, wäre da nicht der Umstand gewesen, dass er vor dem Ausgleich das Abseits nach beherzter Grätsche aufhob. Ebenfalls in guter Frühform präsentierten sich Toni Kroos und Torhüter Kevin Trapp (vier Paraden).
Der Flop des Spiels: Sergio Busquets (Spanien)
War im Kopf offenbar noch in Lissabon oder in Barcelona, wo man das Ende der Ära Lionel Messi befürchten muss. Eines ist sicher: Auf dem Rasen in Stuttgart war der geniale Regisseur von einst nicht. Busquets unterliefen zahlreiche Ballverluste und ungewohnte Abspielfehler (Passquote 66,7 Prozent). Sinnbildlich für seine Leistung war die als Schuss getarnte harmlose Rückgabe auf Trapp, als er freistehend aus acht Metern abziehen durfte. Busquets wurde nach einer Stunde ausgewechselt.
Der Schiedsrichter: Daniele Orsato (Italien)
Hatte kaum knifflige Situationen zu lösen und verfolgte eine gute Linie. Ließ einige Kleinigkeiten zurecht weiterlaufen und griff nur ein, wenn es unbedingt sein musste. Eine gute Schiedsrichterleistung. Verlängerte die Nachspielzeit nach einem Foul von Ramos und anschließender Unterbrechung, auch das war vertretbar.