Was ist passiert und wie ist die Saison der Jazz zu bewerten?
Die Jazz gingen mit einem Ziel in die Bubble: Sie wollten eine erneute Serie mit den Houston Rockets vermeiden. Das gelang und lange sah es auch gegen die Nuggets sehr gut aus. Mit 3-1 führten die Jazz bereits, mussten sich aber nach einem hart umkämpften Spiel 7 (78:80) als zwölftes Team der Playoff-Geschichte nach solch einem Vorsprung geschlagen geben.
Nach Spiel 4 sprach wenig dafür. Utah war bis dahin das klar bessere Team, Donovan Mitchell scorte nach Belieben und Rudy Gobert stellte Nikola Jokic vor Probleme, die der Serbe scheinbar nicht lösen konnte. Und doch brachten es die Jazz nicht über die Ziellinie, weil sie zunächst in den Spielen 5 und 6 Jamal Murray nicht in den Griff bekamen.
Im entscheidenden Spiel gelang es, doch auf der anderen Seite war Mitchell zu sehr auf sich allein gestellt. Wer den Gegner bei 80 Punkten hält, sollte eigentlich in der Lage sein, ein Spiel für sich zu entscheiden. Utah bewies das Gegenteil.
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So stand am Ende das zweite Erstrundenaus in Serie für die "Ära" Mitchell/Gobert zu Buche. Das ist enttäuschend, jedoch dürften die Jazz dieses Aus etwas positiver bewerten. Nicht nur schied Utah denkbar unglücklich aus, sondern es fehlte in Bojan Bogdanovic der vermutlich drittbeste Spieler des Teams. Einen solchen Ausfall stecken die wenigsten Mannschaften einfach so weg.
Nach Goberts positivem Corona-Test schien zudem das Tischtuch mit Mitchell zerschnitten , in der Bubble rissen sich die beiden Stars aber am Riemen und pflegen wieder ein professionelles Verhältnis.
Trotz allem wurde man das Gefühl nicht los, dass Utah in dieser Saison seine Identität verloren hat. Über Jahre galten die Jazz als hartes Defensiv-Team, welches von Gobert bestens verankert wurde. Nun war es dagegen weder Fisch noch Fleisch.
Defensiv waren die Lücken so groß, dass selbst der Franzose nicht alles stopfen konnte, offensiv war man zu abhängig vom Distanzwurf. Gewissermaßen ist es die Konsequenz des Sommers 2019, doch eine echte Einheit wurden die Jazz seitdem nicht. Es ist nur logisch, dass am Ende wieder das Aus in Runde eins steht.
Utah Jazz vs. Denver Nuggets: Die Serie im Überblick
Spiel Datum Uhrzeit Team 1 Team 2 Ergebnis 1 17. August 19.30 Uhr Denver Nuggets Utah Jazz 135:125 OT 2 19. August 22 Uhr Denver Nuggets Utah Jazz105:124 3 21. August 22 Uhr Utah Jazz Denver Nuggets 124:87 4 24. August 3 Uhr Utah Jazz Denver Nuggets 129:127 5 26. August 0.30 Uhr Denver Nuggets Utah Jazz 117:107 6 31. August 2.30 Uhr Utah Jazz Denver Nuggets107:119 7 1. September 2.30 Uhr Denver Nuggets Utah Jazz 80:78
Ist Donovan Mitchell ein klarer Franchise Player?
Diese Frage bleibt trotz eines Punkteschnitts von 36,3 über die Serie schwer zu beantworten. Denver stellte sich für den 23-Jährigen als gutes Matchup für Mitchell heraus, die Nuggets hatten über den Großteil der Serie keine Antwort bzw. keinen Verteidiger für Spida, erst Gary Harris hatte spät Erfolg, bestens belegt mit seinem Steal in den Schlusssekunden von Spiel 7.
Der Trend spricht aber dafür, dass Mitchell in Salt Lake City die Zukunft gehört. Der Guard ist immer noch mitten in seiner Entwicklung und sollte noch besser werden. Man darf nicht vergessen, dass sich Mitchell erst mit 16 Jahren voll auf Basketball fokussierte und zum Beispiel in seinem ersten College-Jahr in Louisville nur von der Bank kam.
Mitchell ist ein Spätzünder und dürfte in der Zukunft noch Fortschritte im Spielvortrag und der Wurfqualität machen. Durchschnittlich 4,1 Ballverluste bei nur 4,9 Assists pro Spiel in den Playoffs sind kein gutes Verhältnis. Dazu besitzt Spida weiter die Angewohnheit bisweilen kopflos zu agieren. Die Jazz sind inzwischen ein gutes Offensiv-Team, da ist es angebracht, hier und da mehr Vertrauen in die Mitspieler zu entwickeln und nicht mit der Brechstange zu agieren.
Mitchell ist sich dessen aber bewusst und zeigte sich nach dem Ausscheiden betont kämpferisch: "Das ist noch nicht alles. Ich kratze lediglich an der Oberfläche (...). Das wird nicht das Ende der Fahnenstange sein, es wird mich antreiben."
Utah wäre töricht, Mitchell in der Offseason keine maximale Rookie-Extension anzubieten. Laut Chris Haynes (Yahoo!) werden die Jazz dem Guard aber am ersten Tag der Free Agency einen Maximal-Vertrag anbieten. Der 23-Jährige geht in seine letzte Saison mit einem Rookie-Vertrag und kann nun für weitere fünf Jahre, also bis 2026, unterschreiben und bis zu 25 Prozent des Salary Caps der Jazz für sich beanspruchen.
Das ist Mitchell allemal wert, erst recht aufgrund seines Standings bei den Fans. Der Sohn eines früheren Baseball-Spielers gibt sich sehr nahbar und scheut nicht vor klaren Statements gegen Rassismus zurück (selbst im sehr "weißen" Utah). Seine Aussagen nach der Niederlage gegen Denver sind darum keineswegs aufgesetzt oder gar überraschend.
Müssen die Jazz über einen Trade von Rudy Gobert nachdenken?
Unumstritten sollte eigentlich auch der Franzose sein, doch vor allem durch die Vertragssituation steht ein Fragezeichen hinter dem Center. Dessen Vierjahresvertrag über 102 Millionen Dollar läuft nämlich zum Ende der Saison 2021 aus. Das bedeutet auch, dass Gobert nach dieser Spielzeit eine Verlängerung unterschreiben kann - und zwar eine, die sich gewaschen hat.
Da der 28-Jährige in den Jahren 2018 und 2019 jeweils zum Verteidiger des Jahres gewählt wurde, ist er berechtigt, einen sogenannten Super-Max-Vertrag zu unterschreiben. Hier die möglichen Zahlen: Ab 2021 5 Jahre und insgesamt 247,3 Millionen Dollar, womöglich etwas weniger durch die Corona-Pandemie.
Spoiler-Alert: Das werden die Jazz nicht zahlen, erst recht nicht, da Gobert in gewissen Serien in den Playoffs (Houston!) vom Feld gespielt werden kann. Es dürfte also zähe Verhandlungen geben, der Ausgang ist im Moment völlig offen.
Rudy Gobert: Seine Statistiken für die Utah Jazz
Saison Spiele Minuten Punkte FG% Rebounds Blocks 16/17 81 33,9 14,0 66,1 12,8 2,6 17/18 56 32,4 13,5 62,2 10,7 2,3 18/19 81 31,8 15,9 66,9 12,9 2,3 19/20 68 34,3 15,1 69,3 13,5 2,0
Gobert sieht sich nicht als reiner Verteidiger, der ansonsten Blöcke setzt und Alley-Oops versenkt, entsprechend will er auch bezahlt werden. Die Jazz haben in der Bubble sicherlich genau darauf geachtet, wie Gobert mit Mitchell harmonierte, erst recht nach den Differenzen rund um den NBA-Abbruch wegen der Corona-Pandemie.
In den Playoffs hielt der Frieden und Gobert schien zuversichtlich, dass dies so bleibt. "Ich und auch das komplette Team mussten so viel Kritik ertragen und ich bin stolz, wie wir damit umgegangen sind", sagte der Franzose. "Wir haben diesmal verloren, aber ich glaube fest daran, dass wir mit diesem Team Meister werden können."
Doch denken auch die Verantwortlichen so? Sollten sich Gobert und Utah nicht einigen, dürfte auch ein Trade für den besten defensiven Center der Liga im Raum stehen - schließlich würde Utah einen All-Star nicht wie im Falle Gordon Hayward 2017 für nichts verlieren wollen. Für den Moment ist das noch nicht akut, doch die NBA ist ein schnelllebiges Geschäft.
War der Trade von Mike Conley ein Fehler?
Conley kann in diesem Herbst Free Agent werden, es ist aber davon auszugehen, dass der Point seine Spieler-Option in Höhe von 34,5 Millionen Dollar ziehen wird. Alles andere wäre aus Conleys Perspektive unverantwortlich.
Das ist eine Stange Geld, aber das war Utah schon vor einem Jahr bewusst, als sie für die Franchise-Legende der Memphis Grizzlies tradeten. Die Logik hinter dem Deal war simpel: Mitchell sollte entlastet werden, dazu wollten die Jazz nach zwei Jahren mit Ricky Rubio endlich mehr Shooting auf der Position des Point Guards.
Die Rechnung ging nur bedingt auf. Conley hatte nach über einer Dekade im Grizzlies-System große Anpassungsprobleme, danach war er verletzt und fehlte auch die ersten beiden Spiele in der Playoff-Serie mit den Nuggets wegen der Geburt seines Sohnes. Von den fünf restlichen Spielen waren vier gut, vor Spiel 7 traf Conley 17 von 28 Versuchen aus der Distanz. Es war genau das, was sich die Jazz von ihm erhofft hatten.
Letztlich waren es aber nur diese vier Partien, im entscheidenden siebten Spiel sahen seine Zahlen ernüchternd aus (8 Punkte, 2/13 FG, 1/6 Dreier, 7 Assists). Hätte der 32-Jährige seinen Versuch mit der Sirene getroffen, würde nun darüber niemand sprechen. Es ist wie so oft ein schmaler Grat in einer "Make-or-Miss"-Liga.
Als Fehler sollte der Conley-Trade deswegen nicht gesehen werden. Utah wollte verständlicherweise einen Point Guard, Conley war der scheinbar bestmögliche Kandidat für das Anforderungsprofil der Franchise vom Salzsee. Dass der Spielmacher nun nicht wie gewünscht abgeliefert hat, ist ärgerlich, aber auch nicht zu ändern. Was wäre die Alternative gewesen? Namhafte Point Guards waren mit den Ausnahmen der noch übleren Verträge von Chris Paul oder Russell Westbrook nicht zu haben, entsprechend greift auch nicht das Argument der Opportunitätskosten.
Wie können sich die Jazz ansonsten verstärken?
Utah benötigt etwas mehr Tiefe, wenn man mit dem Kern aus Mitchell und Gobert noch einmal angreifen will. Der Ausfall von Bogdanovic war nicht zu kompensieren, der Flügel war so viel zu dünn besetzt. So startete in Juwan Morgan zeitweise ein nicht gedrafteter Rookie in einem Playoff-Spiel. In der zweiten Halbzeit von Spiel 7 setzte Jazz-Coach Quin Snyder mit Ausnahme von sechs Minuten von Jordan Clarkson ausschließlich auf seine Starter.
Eben jener Clarkson, welchen Utah im Dezember via Trade aus Cleveland holte, ist auch der einzige namhafte Free Agent der Jazz. Der 28-Jährige überzeugte als Mikrowelle von der Bank mit durchschnittlich 15 Punkten in gerade einmal 25 Minuten und dürfte so seine Verhandlungsposition gestärkt haben.
Ohne Vertrag ist nun auch Emmanuel Mudiay, der die Erwartungen als Backup von Conley nie erfüllen konnte. Seine Tage am Salzsee dürften gezählt sein. Die Youngster Rayjon Tucker und Morgan werden beide Restricted Free Agents und können vermutlich für wenig Geld gehalten werden, wenn die Franchise daran interessiert ist.
Geld ist jedoch - wie bei vielen anderen Teams auch - knapp in dieser Offseason. Für elf Spieler sind bereits 117 Millionen Dollar verplant, sodass Free Agents nur zum Minimum oder durch Exceptions (Mid-Level oder Tax-Payer) verpflichtet werden können.
Das bedeutet, dass die Jazz vermutlich auf der Suche nach Veteranen sein werden. Ein Backup für Conley und auch Gobert könnte helfen, dazu wäre auch ein Reserve-Flügel, der werfen kann, eine Verstärkung.
Das alles ist jedoch hinfällig, wenn die Jazz tatsächlich einen Gobert-Trade einfädeln werden. Dann können all diese Gedankenspiele über den Haufen geworfen werden.