Spiel 7 der Serie zwischen den Houston Rockets und den OKC Thunder findet in der Nacht auf Donnerstag um 3 Uhr statt. Sichere Dir hier den gratis Probemonat von DAZN und sei live dabei!

"Wenn es ins vierte Viertel geht, in die Clutch-Time ... manche sind dafür geschaffen und manche ducken sich weg." Chris Paul sprach mit dem Selbstverständnis eines Spielers, der offensichtlich in die erste Kategorie gehört, als er unmittelbar nach Spiel 6 der Serie gegen Houston um sein Fazit gebeten wurde.

Paul hatte darin 15 seiner 28 Punkte im Schlussviertel erzielt, sein nominell unterlegenes Team somit in der Serie gehalten und ein siebtes Spiel forciert. Auf der Gegenseite war es Russell Westbrook, der sich in den letzten Minuten mehrere üble Fehler leistete. Sein Partner James Harden war derweil richtiggehend unsichtbar.

Es war also relativ naheliegend, bei Pauls Aussage zumindest einen kleinen Seitenhieb in Richtung seiner Kontrahenten zu erahnen, zumal er dabei noch erneut von Dennis Schröder als "Dog" schwärmte, mit dem er jederzeit in jede Schlacht ziehen würde. Für den Point God - und die beiden früheren MVPs auf der Gegenseite - steht eben wie so oft noch ein bisschen mehr auf dem Spiel.

Chris Paul "begründete" OKC-Basketball

Paul, Westbrook und Harden sind allesamt sichere Hall-of-Famer, haben die 30 überschritten und noch keinen Titel gewonnen. Man kann sie als die drei besten noch aktiven Ü30er ohne Titel beschreiben und läge vermutlich richtig. So langsam gehen ihnen die Chancen aus, das ist insbesondere bei Paul der Fall. Natürlich ist das aber nicht ihre einzige Verbindung.

Zur Erinnerung: Paul wurde im vergangenen Sommer für Westbrook getradet, Houston zahlte dabei sogar noch vier Erstrundenpicks drauf (darunter zwei Pick Swaps), um den jüngeren und hoffentlich etwas gesünderen Spieler zu bekommen. Dass in dieser Saison nun der 35-jährige CP3 gesund blieb und Westbrook auch in Spiel 7 noch ein Minutenlimit haben wird, ist nur die jüngste Ironie in einer davon gespickten Historie.

Die chronologisch erste: Paul begann seine Karriere bei den New Orleans Hornets, als diese nach Hurrikan Katrina ihre Heimspiele in Oklahoma City austragen mussten, lange bevor OKC überhaupt eine NBA-Franchise hatte. Tatsächlich dienten diese erfolgreichen und ausverkauften Heimspiele sogar als Argument, als die Seattle SuperSonics 2008 nach Oklahoma City umzogen.

Chris Paul als Standard für Russell Westbrook

Der erste Draft Pick, den diese "neue" Franchise damals tätigte, war Westbrook, ein Jahr später folgte Harden. Gemeinsam mit Kevin Durant formierten die beiden das spannendste junge Trio der NBA, als Paul bereits als Superstar etabliert war, der aber stets in der ersten Runde (oder früher) scheiterte und 2011 einen Wechsel zu den Clippers (eigentlich wollte er zu den Lakers) forcierte.

Lediglich eine Serie gewann Paul in sechs Jahren mit den Hornets und galt dennoch als Goldstandard für Point Guards in der NBA, an dem sich auch der aufstrebende Westbrook immer wieder messen lassen musste.

OKC hatte mehr Playoff-Erfolge als Pauls Teams, Russ war jedoch der Blitzableiter, wann immer es nicht für den ganz großen Wurf reichte. Sein Spiel war wild und unvorhersehbar, während Paul der nüchtern kalkulierende Maestro war. Eine durchaus populäre Ansicht damals: Mit Paul statt Westbrook an Durants Seite hätten die Thunder womöglich einen Titel gewonnen.

Drei Guards, drei Contender

Harden wiederum eröffnete seine NBA-Karriere als überqualifizierter Bankspieler, der in seiner letzten Saison mit OKC 2011/12 den Sixth Man of the Year-Award abräumte und schon in Jahr drei die Finals erreichte. Danach verschlug es ihn jedoch nach Houston, wo er zum Franchise Player und zum besten Regular Season-Scorer seit Michael Jordan reifte.

Paul hatte die Clippers, Westbrook (und bis 2016 Durant) hatten OKC und Harden hatte Houston. Für einige Jahre führten alle drei Guards Titelcontender an, doch erst waren ihnen die Spurs und dann ab 2015 die Warriors im Weg. Dass letztere 2016 Durant aus OKC loseisten, bedingte wiederum einerseits die MVP-Saison von Westbrook (2017) und andererseits die Allianz von Paul und Harden.

Die Karriere-Stats von Paul, Harden und Westbrook

Spiele Punkte FG% 3FG% Assists Rebounds Steals Turnover Paul (35) 1.020 18,5 47,1 37 9,5 4,5 2,2 2,4 Westbrook (31) 878 23,2 43,7 30,5 8,3 7,1 1,7 4,1 Harden (31) 833 25,2 44,3 36,3 6,3 5,3 1,6 3,7

CP3 hatte auch bei den Clippers nicht den erhofften Playoff-Erfolg erreicht, tatsächlich verlor L.A. in der zweiten Runde nacheinander gegen die Thunder (2014) und die Rockets (2015). Paul spielte Jahr für Jahr statistisch herausragende Playoffs, doch er wurde gewissermaßen zum Sisyphos der NBA, der zudem mit der Zeit nicht mehr mit Co-Star Blake Griffin harmonierte.

2014 leistete sich Paul in den letzten 17 Sekunden von Spiel 5 zwei Ballverluste, statt einer 3-2-Führung erlitten die Clippers eine 4-2-Niederlage. 2015 verzockten die Clippers eine 3-1-Führung sowie einen 19-Punkte-Vorsprung in Spiel 6. Im Jahr darauf brach sich Paul in den Playoffs die Hand. Die Chancen kamen und gingen, der Ruf des (mindestens) unglücklichen Playoff-Spielers verfestigte sich.

Chris Paul und James Harden: Ein fast perfektes Duo

Im Sommer 2017 fädelte er erneut seinen eigenen Wechsel ein, diesmal ging es zu den Rockets, um dort Hardens Nummer zwei zu werden, dem zum damaligen Zeitpunkt selbst schon ein etwas zweifelhafter Playoff-Ruf anhaftete. Houston ging ein großes Risiko ein und gab für den Oldie unter anderem Lou Williams, Patrick Beverley und Montrezl Harrell ab. Es hätte sich beinahe ausgezahlt.

Paul entpuppte sich als perfektes Gegenwicht zu Harden. Während der Bärtige zum MVP der Regular Season wurde, war Paul nach seinem Mitspieler der wohl zweitbeste Isolation-Spieler der Liga - auf beide zusammen hatte niemand eine Antwort. Houston brachte sogar die übermächtigen Warriors an den Rand einer Niederlage und in ein siebtes Spiel. Nur fand dies ohne Paul statt, der sich zur Unzeit am Oberschenkel verletzt hatte.

Es sollte ihre beste Chance bleiben. Kein Team hat die (überwiegend) gesunden Durant-Warriors je so gepusht wie Houston in dieser Serie, doch das war eben nicht der Titel, für den die Rockets angetreten waren. 2018/19 hatte CP3 ein deutlich schwächeres Jahr, die beiden Stars vertrugen sich mit der Zeit immer schlechter.

Eine Saison waren sie ein titelreifes Team, doch das Fenster schwang ebenso schnell wieder zu, wie es aufgegangen war. Angesichts von Pauls brutalem Vertrag schien es auch nahezu unmöglich, gewinnbringend aus der Situation herauszukommen. Als nahezu einziger Versuch blieb das, was die Rockets dann tatsächlich taten.

Chris Paul führte OKC weiter als Russell Westbrook

Houston tradete auf ausdrücklichen Harden-Wunsch für Westbrook, einen der wenigen Spieler, die einen ähnlich üblen Vertrag ihr Eigen nannten wie Paul. Russ ist vom Profil her beileibe kein Spieler, wie ihn Rockets-GM Daryl Morey liebt, dafür ist sein Spiel noch immer zu ineffizient und unberechenbar. Trotzdem war der Deal aus Rockets-Sicht nicht völlig unverständlich.

Westbrook brachte den etwas lahm agierenden Rockets eine gehörige Portion Transition-Offense und damit einfache Punkte, spätestens nach der Umstellung auf Micro-Ball war er zeitweise sogar Houstons bester Spieler. Er ist nicht zwingend der beste Fit neben Harden und war trotzdem wohl die bestmögliche Option für Houston im vergangenen Sommer.

Dass er sich nun während der Seeding Games verletzt hat und in der Serie gegen sein Ex-Team bisher kaum ein Faktor ist, kann man den Rockets nicht vorwerfen. Wenn es in der Hinsicht etwas gibt, ist es die Miskalkulation, dass Paul auf dem absteigenden Ast war; CP3 hat in dieser Saison ein Revival erlebt. Dass OKC jetzt überhaupt noch in der Verlosung ist, hatte niemand erwartet und ist vor allem ihm zuzuschreiben. Ein siebtes Spiel hatte Westbrook mit OKC seit dem Durant-Abgang nicht erlebt.

Ein Spiel entscheidet

Nun wird ein solches Spiel mal wieder darüber entscheiden, wie in den kommenden Tagen und Wochen über einen oder zwei (je nachdem) der drei Guards geurteilt wird; Paul hat immerhin den Status als Außenseiter auf seiner Seite, bei einer Niederlage Houstons würden Harden und Westbrook deutlich mehr Häme abbekommen.

Der Impuls ist auch verständlich, die Rockets sind "all-in" und gingen mit größeren Erwartungen als einem Erstrundenaus in diese Spielzeit. Und doch ist es falsch - gerade die Karrieren dieser drei Spieler zeigen klar auf, wie fragil das Geschehen in der NBA ist und wie einzelne Schicksale von Zufällen, Verletzungen oder auch persönlichen Zwisten geprägt werden können.

Die Conference Finals 2018 dienen als bestes Beispiel. Aber auch die Finals 2012 können als solches herhalten; wie viele Titel wurden dem Trio Durant, Harden und Westbrook damals zugetraut?

© GEPA

Nicht jede Legende gewinnt einen Titel

Es kam aus verschiedenen Gründen weder für Paul, noch für Westbrook oder Harden bisher dazu. Es ist möglich, dass es dabei bleiben wird. Weder Houston noch OKC wären in der folgenden Serie gegen die Lakers favorisiert. Am Ende gewinnt immer nur eine Mannschaft, auch für die Legenden des Sports ist ein Titel nicht garantiert.

Diesen Status haben Paul, Harden und Westbrook trotzdem inne: Sie sind Legenden, drei der besten NBA-Guards der Geschichte. Daran wird Game 7 nichts ändern und das sollte man bei allem Hang zum Suchen von Schuldigen, Blamagen oder notorischen Verlierern nicht vergessen. Auch wenn das bei allen Verbindungen zwischen den dreien nicht ganz so leicht fallen wird.

Das gilt auch für die Protagonisten selbst. Es steht mehr auf dem Spiel als ein Duell mit den Lakers. Es ist persönlich.