Auf der indonesischen Insel Sumatra wird aus Plastikmüll das größte Recyclingdorf der Welt gebaut. Adler erklärt die Hintergründe und offenbart, wie sehr sich sein persönliches Bewusstsein und Handeln in den vergangenen Jahren verändert hat.

Außerdem verrät Adler, was eine seiner größten Fehlinvestitionen seiner Karriere war, warum viele Profis aus seiner Sicht zu bequem sind und warum es ihn eines Tages vielleicht wieder ins Fußballgeschäft zurückziehen könnte.

Herr Adler, Sie haben bei der gemeinnützigen Organisation Project Wings gemeinsam mit Ihrer Frau die Schirmherrschaft für das größte Recyclingdorf der Welt übernommen. Wie kam der Kontakt zustande?

Rene Adler: Ich habe mich während meiner aktiven Karriere immer dagegen entschieden, eine eigene Stiftung zu gründen, weil ich nie nur ein großes Thema hatte, für das ich mich engagieren wollte. Ich wollte etwas für Kinder tun, deshalb bin ich in meiner Heimatstadt Leipzig in der Kinderkrebshilfe sehr aktiv. Ich wollte etwas für den Tierschutz tun, deshalb kümmern wir uns seit vielen Jahren um Straßenhunde. Dazu sitze ich in der Teresa Enke Stiftung im Kuratorium und bringe mich dort ein. In meinem Baukasten fehlte nur noch ein letztes Puzzleteil - beim Thema Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Da hatte ich noch nicht das Richtige gefunden, bis meine Schwiegermutter bei einer Preisverleihung in Koblenz die Gründer von Project Wings kennenlernte und den Kontakt herstellte. Als wir uns zum ersten Mal getroffen haben, dauerte es nicht lange, bis ich wusste: Hier stehe ich total dahinter, hier stimmt die Chemie, hier will ich unbedingt dabei sein.

Was hat Sie an dem Projekt so fasziniert?

Adler: Mich haben vor allem die Gründer selbst beeindruckt. Die Vision, die sie haben. Und das Feuer und die Leidenschaft, die man in jeder Sekunde spürt. Da hat sich jemand gegen einen gut bezahlten Job in der Wirtschaft entschieden, lebt lieber von 600 Euro im Monat und steckt alles in ein Herzensprojekt, weil er so eine viel größere Befriedigung erfährt. Das hat mich tief bewegt. Bei Project Wings sind Menschen am Werk, die genau wissen, was sie tun. Die vorher zu den besten Fundraisern Deutschlands gehörten und in der Fußgängerzone herumgerannt sind, um Geld einzusammeln. Und die jetzt die Welt ein kleines Stückchen besser machen wollen. Wir leben in einer Zeit, in der nicht mehr so viele Menschen spenden wie früher, weil die Intransparenz zu groß geworden ist bei den großen Organisationen. Wo geht das Geld genau hin? Kommt es überhaupt an der richtigen Stelle an? Das ist hier ganz anders. Hier können die Spender viel besser mitgenommen werden, weil bis zum letzten Cent nachvollzogen werden kann, was damit gemacht wird. Weil auch immer jemand in Sumatra vor Ort ist.

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Rene Adler: "29 Cent bedeutet für die Einheimischen eine große warme Mahlzeit"

Aus über 250 Tonnen an gesammeltem Plastikmüll entsteht das größte Recyclingdorf der Welt.Erzählen Sie.

Adler: Was wir zuerst einmal verstehen müssen: Dort gibt es keine Müllabfuhr. Die Menschen haben keine Tonne vor dem Haus stehen, in die sie ihre Abfälle schmeißen können. Was für uns völlig normal ist, muss dort erst langsam aufgebaut werden. Die Menschen wissen gar nicht, dass man den Müll nicht einfach in die Wildnis schmeißt, das muss ihnen erst beigebracht werden. Das System funktioniert so, dass die Einheimischen quasi Hilfe zur Selbsthilfe bekommen. Sie sammeln, säubern und stopfen den Plastikmüll mit einem Stock in große Plastikflaschen. Dadurch werden die Flaschen hart und zu sogenannten Ecobricks, die sie dann abgeben können und dafür umgerechnet 29 Cent erhalten. 29 Cent bedeutet für die Einheimischen eine große warme Mahlzeit. Und mit diesen Ecobricks werden dann Häuser, Schulen und alles Mögliche gebaut. Das Tolle ist, dass so auch die Regenwälder und Flüsse gesäubert werden.

Ein Fußballplatz soll auch entstehen.

Adler: Fußball ist weltweit die Sportart Nummer eins und ich weiß, welche Kraft der Fußball entfachen kann. Unser Ziel ist es, die Jugendlichen auf den Fußballplatz zu bringen, statt irgendwelche Dummheiten zu begehen. Wir reden hier von einem sozialen Brennpunkt mit einer großen Drogenproblematik, Klebstoff schnüffeln ist zum Beispiel ein großes Thema. Dort wollen wir versuchen, sie rauszuholen. Auf den nachhaltigsten Fußballplatz der Welt, den wir dort bauen. Mit einem Kunstrasen und Netzen, die natürlich auch aus Plastikmüll gemacht werden.

War für Sie Nachhaltigkeit immer schon ein großes Thema, oder hat sich das erst in den vergangenen Jahren entwickelt?

Adler: Mein Bewusstsein hat sich komplett gewandelt. Ich denke und handle ganz anders als früher, als ich vielen Dingen eher mit Gleichgültigkeit begegnet bin und in der Blase Fußball gelebt habe, in der mich wenig interessierte außer den Dingen, die leistungsfördernd waren. Ich habe mir früher über mein Konsumverhalten kaum Gedanken gemacht. Ich bin jetzt nicht plötzlich zu einem radikalen Veganer geworden, das ist nicht mein Weg. Ich esse gerne auch noch Fleisch, aber maximal reduziert, also vielleicht einmal pro Woche. Und wenn ich es tue, will ich genau wissen, wo es herkommt und wo das Tier gelebt hat. Wir stecken mitten in einer Klimakatastrophe und jeder sollte wissen, was alles dazu beiträgt und sein Handeln dementsprechend überprüfen.

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Rene Adler: "Dirk Nowitzki, Barack Obama und Nelson Mandela"

Sie haben das Thema Essen angesprochen, worum geht es noch?

Adler: Es geht auch um nachhaltige Klamotten, oder ums Fliegen. Wie gesagt, ich bin keine Mutter Teresa. Ich bin früher oft von Hamburg nach Köln geflogen, weil es billiger und völlig normal war. Aber heute nehme ich eher die Bahn, auch wenn es mich mehr Zeit kostet. Wir müssen alle auf den Fußabdruck schauen, den wir hinterlassen, und jeder muss seinen Weg finden, wie er damit umgeht. Bei meiner Frau und mir war es so, dass die Geburt unseres Sohnes vor 14 Wochen nochmal ein einschneidender Moment war. Da überlegt man sich schon, in welche Welt wir so ein kleines Geschöpf später irgendwann einmal entlassen. Die Klima-Situation ist wirklich dramatisch.

Hat sich für Sie auch geändert, welche Persönlichkeiten Ihnen besonders imponieren?

Adler: Früher war das natürlich sehr von Sportlern geprägt, wenn man sich seine Vorbilder ausgesucht hat. Da war ich auch zu sehr auf die Fußballerkarriere fixiert. Wenn Sie mich heute aber fragen, welche drei Persönlichkeiten ich gerne einmal treffen würde oder getroffen hätte, dann würde die Wahl etwas anders aussehen. Mit Dirk Nowitzki wäre noch ein großer Sportler dabei, ihn durfte ich sogar schon mal treffen. Aber bei ihm sind es auch mehr die menschlichen als die sportlichen Aspekte, die ihn für mich so besonders machen. Daneben würde ich Barack Obama und Nelson Mandela nennen. Menschen, die etwas bewegt und für etwas gestanden haben. Das sind Persönlichkeiten, die mich inspirieren. Oder eben junge Menschen wie die Gründer von Project Wings, die sich bewusst mit Haut und Haaren für einen Lebensweg entschieden haben, der nicht monetär getrieben ist. Für jemanden wie mich, der aus einer Branche kommt, in der Geld eine so extreme Rolle spielt und der sich davon ja auch nicht komplett frei machen kann, ist das sehr beeindruckend.

Sie sind heute vor allem im unternehmerischen Bereich tätig mit Ihrer Beteiligung an der Torwarthandschuh-Marke T1tan. Worauf liegt aktuell Ihr größter Fokus?

Adler: Ich habe früh für mich gemerkt, dass mich das Gründerwesen sehr interessiert. Mir macht es einen unglaublichen Spaß, unternehmerische Babys aufzubauen und anzuschieben. Auch mein Wissen aus meinem Sportmanagement-Studium dort in die Praxis und in die reale Wirtschaft einzubringen. Schon während meiner aktiven Karriere, als ich in den letzten Jahren viel verletzt war, brauchte ich andere Themen, die meinen Kopf füllen. Nur von Reha zu Reha zu springen, war mir zu wenig und tat mir nicht gut. T1tan hat dann perfekt zu mir gepasst. Ich konnte den ganzen Tag über Torwarthandschuhe reden, ich hatte das passende Netzwerk dafür - es war ein super Match. Innerhalb von wenigen Jahren haben wir es geschafft, uns vom Start-up zu einer kleinen, aber feinen Firma mit siebenstelligem Umsatz zu entwickeln. Vor allem konnte ich mich auch persönlich weiterentwickeln, was für mich in meiner jetzigen Lebensphase Priorität hat. Natürlich hofft man auch, sich wirtschaftlich ein zweites Standbein aufzubauen, aber in erster Linie wollte ich lernen.

Was haben Sie gelernt und inwiefern hat Corona die Lerneffekte beschleunigt?

Adler: Ich habe wahrscheinlich noch nie so schnell so viel gelernt wie jetzt in der Coronazeit. Ich hatte zum Beispiel null Ahnung vom Thema Kurzarbeit und plötzlich mussten wir uns damit auseinandersetzen und entscheiden, welche Mitarbeiter wir wie in Kurzarbeit schicken müssen. Unsere schlanken Strukturen haben uns geholfen, dass wir wieder schnell in die Spur gefunden haben, aber es war eine harte Zeit. Unser Markt ist vor allem der Amateursport und mit einem Schlag war alles auf Null gesetzt. Nur unsere niedrigere variable Kostenquote aufgrund unseres Geschäftsmodells hat uns massiv geholfen und gerettet. Im Vergleich zu den großen Tankern in der Wirtschaft sind wir da noch das Speedboat, aber für viele mit einer weniger flexiblen Kostenquote wird es schnell zappenduster. Da sieht man erst, wie fragil die Gebilde oft sind und wie schnell die Existenzen bedroht sind. Das ist brutal zu sehen. Es lehrt einen aber auch Demut. Vielleicht muss man nicht immer sofort nach der nächsten Expansion streben und immer noch mehr wollen.

Es trifft ja leider vor allem das kleine Café an der Ecke, das es bald nicht mehr geben wird.

Adler: Ich bin da sehr romantisch veranlagt, deshalb macht mich diese Entwicklung auch traurig. Immer wenn ich in London war, fand ich es großartig, dass es dort noch Regenschirmmacher gibt. Das ist einfach Tradition. Natürlich muss man mit der Zeit gehen und ich bin inzwischen auch im E-Commerce tätig, aber dennoch trifft es mich, wenn kleine Läden, die vielleicht seit mehreren Generationen in Familienbesitz sind, von großen Ketten rausgedrängt werden. Was gibt es Schöneres als den kleinen Italiener in zweiter, dritter Generation an der Ecke? Ich wünsche mir, dass viele belohnt werden, die jetzt in der Krise aus der Not eine Tugend gemacht haben und zum Beispiel als Gastronomen das Takeaway-Geschäft für sich entdeckt und so einen neuen Kundenstamm aufgebaut haben. Aber ehrlicherweise fürchte ich, dass uns insgesamt die große Pleitewelle erst noch bevorsteht.

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Rene Adler: "Mir fehlt es, sich wöchentlich zu messen"

Die Torwarthandschuhe sind eine Beteiligung von Ihnen, jetzt kommt eine weitere dazu. Worum handelt es sich da?

Adler: Wir haben kürzlich eine Unternehmensberatung im Krankenversicherungswesen gegründet. Unser Thema ist das betriebliche Gesundheitsmanagement. Ich habe als Profisportler immer die beste medizinische Versorgung erfahren, die man sich nur vorstellen kann. Ich weiß, wie wichtig die Gesundheit ist. Uns geht es darum, uns um die Hochleistungssportler unserer Gesellschaft zu kümmern. Um die Arbeitnehmer, die uns als Gesellschaft durch die Coronakrise tragen, zum Beispiel in der Gastronomie oder im Einzelhandel. Um sie wollen wir uns kümmern und für Arbeitgeber Konzepte entwickeln, wie sie die Krankheitsquote bei ihren Mitarbeitern reduzieren können. Denn eines ist auch klar: Ein kranker Mitarbeiter ist nicht nur ein kranker Mensch, es ist auch ein Kostenfaktor betriebswirtschaftlich gesehen. Das ist ein großes Thema, das durch Corona und die Folgen hinsichtlich Home-Office-Regelungen und die dortigen Belastungen nur verstärkt wurde. Das ist eines meiner neuen Steckenpferde.

Sie arbeiten außerdem noch bei Sky und ProSiebenSat1 als Experte. Kann es sein, dass es Sie eines Tages doch wieder ganz in den Fußball zieht, oder sehen wir Sie eher bei der Höhle der Löwen?

Adler: (lacht) Gute Frage. Wenn ich etwas im Fußball gelernt habe, dann ist es, dass es keinen Sinn ergibt, viele Jahre nach vorne zu schauen. Ich habe mir vorgenommen, nach meiner Karriere zwei Jahre bis 2021 in meine Weiterentwicklung zu investieren. Das mache ich. Durch meine Beteiligungen und auch durch das UEFA-Management-Studium, das ich absolviere. Das Ziel des Studiums ist es, ehemalige Nationalspieler im Fußball-Business zu behalten, aber ich kann momentan noch nicht sagen, ob das bei mir gelingen wird. Ich war mein ganzes Leben lang fremdbestimmt, sodass ich es seit meinem Karriereende richtig genieße, selbstbestimmt leben und einfach schauen zu können, welches Setup mir am besten gefällt. Die unternehmerischen Tätigkeiten machen mir großen Spaß, gerade auch der Sales-Aspekt. Viele finden das ja gar nicht so cool, aber ich habe Freude daran, mein Netzwerk und meine Bekanntheit ein Stück weit zu nutzen und Türen zu öffnen. Ich weiß ja, dass ich immer als der Fußballer gesehen werde, was auch total in Ordnung ist. Und den Team-Gedanken, den ich aus dem Fußball vermisse, kann ich auch in einem coolen Team in der Firma, in dem alle an einem Strang ziehen, erleben.

Aber fehlt Ihnen nicht der Wettkampf?

Adler: Doch, das schon. Das ist genau der Punkt. Mir fehlt es, sich wöchentlich zu messen. Wöchentlich im Stadion - hoffentlich dann wieder mit Fans - zu sitzen und entweder zu gewinnen oder zu verlieren. In der Wirtschaft kannst du dich zwar auch messen, aber da sind wir dann schnell bei monetären Kriterien, das ist nicht das gleiche und diesen Wettkampf findest du in der Form nur im Sport. Deshalb schließe ich auch nicht aus, dass mich eines Tages die Emotionalität des Fußballs wieder richtig packt. Eine DNA bei einem Verein zu entwickeln, Werte in einem Verein zu entwickeln - das kann ich mir auch reizvoll vorstellen.

Rene Adler: Seine Karriere als Spieler im Überblick

Verein Zeitraum Bayer 04 Leverkusen 2003-2012 (138 Spiele) Hamburger SV 2012-2017 (117 Spiele) FSV Mainz 05 2017-2019 (14 Spiele)

Rene Adler: "Corona hat das ganze System Fußball sicher entlarvt"

Wenn wir bei Werten sind: Viele Fans bezeichnen das Fußball-Business nicht zu Unrecht inzwischen als krank. Wie krank ist das Geschäft aus Ihrer Sicht?

Adler: Corona hat das ganze System Fußball sicher entlarvt. In der Hinsicht, dass keinerlei Rücklagen da waren für Krisenfälle und Geschäftsmodelle ins Wackeln gekommen sind. Generell sind wir an einem Punkt, an dem vieles nicht mehr nachzuvollziehen ist. Es steht in keiner Relation, welche Summen im Fußball bewegt werden. Auf der anderen Seite spiegelt der Fußball auch nur die Marktwirtschaft wider. Wenn so viel Fußball nachgefragt wird, entwickelt sich die Spirale immer weiter nach oben.

Aber besteht nicht die Gefahr, dass sich die Fans irgendwann abwenden und lieber zu Ihrem Dorfverein gehen als zur Bundesliga?

Adler: Für mich ist es ein zweischneidiges Schwert. Ich kann viele Fans, gerade auch die Ultras, sehr gut verstehen, wenn sie gewisse Missstände anprangern. Und ich finde es maximal beschissen, um es mal sehr klar auszudrücken, dass wir keine Zuschauer in den Stadien haben können aktuell. Aber ich finde, dass wir alle Perspektiven beleuchten müssen. Corona hat auch gezeigt, dass das Spiel über allem steht. Und politisch ist es auch immer sehr einfach, in der Opposition und gegen alles zu sein. Es gibt nun mal auch eine wirtschaftliche Sicht der Dinge. Wenn wir alle wieder wollen, dass wir für 7,80 Euro in der Kurve stehen und nach dem Spiel treffen wir die Spieler auf eine Zigarette in der Kneipe nebenan - das wird nicht passieren. Und gleichzeitig wollen wir in der Champions League erfolgreich sein. Das funktioniert so nicht.

Vielen Fans ist es aber relativ egal, ob Bayern, Dortmund oder Leipzig in der Champions League erfolgreich sind oder nicht. Und mit einigen Spielern fällt die Identifikation inzwischen auch schwerer.

Adler: Ich bin zu tausend Prozent dabei, dass wir aufpassen müssen, dass die Identifikation nicht verloren geht. Ohne Zweifel. Nochmal: Ich bin Romantiker. Ich habe es am liebsten, wenn sich ein junger Fan ein Trikot von seinem Lieblingsspieler kauft und in drei Jahren spielt der als Publikumsliebling immer noch bei seinem Verein. So bin ich großgeworden. Ich kann mich auch mit manchen Gedankengängen der jüngeren Generation nicht mehr identifizieren und bin da inzwischen sehr weit weg. Ich verstehe nicht, was die Jungs teilweise auf Social Media veranstalten, aber wir können die Zeit nicht zurückdrehen und uns an frühere bessere Zeiten zurücksehnen, das will ich nur sagen. Und ich will auch nicht so rüberkommen, als hätte ich immer alles richtig gemacht. Ich habe als junger Profi auch nicht nur Top-Entscheidungen getroffen. Davon bin ich weit entfernt.

Was war denn eine unvernünftige Entscheidung, die Sie damals getroffen haben?

Adler: Ich habe mir mal einen Aston Martin für weit über 100.000 Euro gekauft, weil ich unbedingt einen schicken Sportwagen brauchte. Und dann habe ich ihn irgendwann wieder für ein Drittel verkauft. (lacht) Das war eine meiner größten Fehlinvestitionen meines Lebens. Aber solche Erfahrungen gehören dazu. Irgendwann kommt der Tag, an dem du dich fragst, ob du wirklich der große Autofreak bist? Wenn ja, finde ich es auch vollkommen okay, andere kaufen sich teure Uhren oder investieren in Immobilien. Aber wenn du dann merkst, dass dir das gar nichts gibt, dann lass es einfach. Es hat auch Vorteile. In meiner HSV-Zeit bin ich in meinem Polo nach den Spielen immer viel schneller zuhause gewesen, weil die Fans nach den dicken Autos der Spieler geschaut und dann eher meine Kollegen für Autogramme noch angehalten haben. Mich hat niemand bemerkt. Ich habe es nicht mehr gebraucht, auf Dicke hose zu machen und Teil des materiellen Wettrüstens zu sein. Teilweise ist es ja so, dass die Spieler sich überbieten müssen. Wenn der eine sich ein dickes Auto gekauft hat, muss der andere nachziehen.

Hatten Sie früh in Ihrer Karriere einen Finanzberater an Ihrer Seite?

Adler: Am Anfang habe ich alles aus der Hand gegeben, weil ich dachte, ich muss mich komplett auf Fußball konzentrieren und darf den Fokus nicht verlieren. Für diese Einschätzung habe ich viel Lehrgeld bezahlt. In Form von Kapitalverlust. Du darfst das Thema Finanzen nicht zu hundert Prozent an einen Berater abgeben. Da kannst du die Uhr danach stellen, dass es schiefgeht. Da kannst du im Casino auf Rot oder Schwarz setzen und hast eine größere Wahrscheinlichkeit zu gewinnen. Eine der größten Lehren meiner Profikarriere war, dass du mit dem Privileg, viel Geld zu verdienen, auch die Verpflichtung hast, dich darum zu kümmern. Du musst nicht plötzlich der große Experte werden und Bilanzen lesen können, aber du musst dich damit auseinandersetzen. Viele Profis machen das aber aus reiner Bequemlichkeit nicht. Aber wenn du später im Leben noch große Teile deines Geldes haben willst, dann musst du dir zumindest ein Grundverständnis aneignen. Ich muss auch herausfinden, was für ein Typ ich bin? Bin ich eher der Typ fürs Risiko? Bin ich der Typ für Immobilien-Investments? Diese Fragen muss ich für mich klären und ein Team um mich herum aufbauen, das loyal zu mir ist und es gut mit mir meint. Das ist vielleicht die schwierigste Aufgabe, die ein Profi in seiner Karriere überhaupt hat.

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Rene Adler: "Ich war so oft verletzt und habe sehr gelitten"

Sollten Spieler Ihre Berater bezahlen?

Adler: Ich bin ein großer Verfechter davon, dass Spieler ihre Berater bezahlen. Ich weiß, dass es in diesem Business dann am Ende vielleicht wieder so läuft, dass es hinten herum doch der Verein bezahlt, aber alleine die Tatsache, dass ein Profi auf eine Taste drücken muss, um einen Dauerauftrag zu senden, würde etwas mit ihm machen. Wenn ich 200.000 Euro überweise und mir dann überlege, dass sich der Berater seit einem Jahr nicht mehr gemeldet hat, löst das vielleicht einen Prozess des Hinterfragens aus.

Andre Schürrle hat letztens im Alter von nur 29 Jahren die Karriere beendet und dabei erklärt, dass er den Beifall nicht mehr brauchen würde und er sich oft einsam gefühlt habe. Können Sie das nachvollziehen?

Adler: Absolut. Jeder Mensch hat ja seine eigene Persönlichkeitsstruktur, der eine ist sensibler, der andere wilder. Und in jeder Branche, in der viel Geld im Spiel ist, egal ob im Fußball oder irgendwo anders, werden die Ellenbogen ausgepackt. Das ist einfach so. Das sind die Spielregeln und meine Erfahrung ist, dass man sich seine eigenen Spielregeln definieren muss. Und gemäß diesen Spielregeln konsequent handeln. Es wird ja niemand gezwungen, Fußball zu spielen. Das meine ich völlig wertungsfrei. Es steht jedem frei, zu sagen: Ich höre auf. Und wenn man dabei auf viel Geld verzichtet, ist das eben der Preis. Man kann dann auch nicht alles haben wollen. Ich weiß, dass sich das einfacher anhört, als es in der Realität ist, wenn ich vielleicht fünf oder zehn Millionen wegschmeiße. Natürlich überlegt sich da jeder, ob er nicht nochmal die Arschbacken zusammenkneift.

Schürrle sprach auch davon, dass er im Fußball-Business immer eine Rolle spielen musste.

Adler: Das ist definitiv so und das kann ich gut verstehen. Der Familienvater Rene Adler ist eine ganz andere Person, als es der Torwart Rene Adler war. Ich glaube, das ist ganz normal und gibt es durchaus auch in anderen Berufen. Bei mir war es so, dass ich auch öfters meine Probleme mit der Branche hatte. Ich war so oft verletzt und habe sehr gelitten. Ich war so oft traurig und hatte auch zeitweise keine Lust mehr, mich ein weiteres Mal in der Reha zu quälen. Aber trotz allem habe ich immer eine große Dankbarkeit empfunden, dass mir dieser Beruf so unglaublich viel ermöglicht hat. Für mich war es wichtig, nicht nur fußballerisch zu trainieren, sondern gemeinsam mit einem Coach auch in Sachen Persönlichkeitsentwicklung zu arbeiten.

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Rene Adler: "Manuel Neuer hat eine Weltkarriere gemacht und ich nicht"

Sie haben immer offen gesagt, dass Sie mit Persönlichkeits-Coach Holger Fischer zusammengearbeitet haben. Warum war er so wichtig?

Adler: Er ist auch jetzt noch wichtig für mich als Unternehmer. Holger kennt mich seit Jahren und weiß, wie er mich anpacken muss. Ich bin jemand, dem es nicht guttut, wenn mich jemand tröstet, wenn ich mich ausheulen muss. Das ist bei mir kontraproduktiv und führt nur zur Lethargie. Ich brauche den Arschtritt. Holger war und ist ein ganz wichtiger Teil meines Teams. Genauso wie mein Banker, mit dem ich jeden Tag telefoniere, ein wichtiger Teil ist. Ich muss mir meinen eigenen Kosmos und ein Team schaffen, das perfekt zu mir passt. Und ich muss wissen, welche Rolle ich in meinem Team einnehme. Dass ich derjenige bin, der die Fäden zusammenhält und die Verantwortung trägt. Mit allen Konsequenzen.

Warum machen das viele Profis nicht?

Adler: Viele Profis sind leider zu bequem und lassen sich alles abnehmen. Aber wenn wir sehen, wie den Jugendlichen heutzutage alles abgenommen und sie zur totalen Unselbstständigkeit erzogen werden, wissen wir auch, woher es kommt. Und ja nicht nur im Fußball, es ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Es ist ein Fehler des Systems. Ich schreibe gerade meine Masterarbeit darüber, dass es im Jugendbereich heute gar nicht mehr in erster Linie um die Ausbildung geht, sondern das Abkassieren im Vordergrund steht. Die Jungs werden ja eher als monetäre Assets betrachtet und nicht als Spieler, die zu Persönlichkeiten entwickelt werden sollten. Dabei wissen wir, dass Leistung durch Umfelder entsteht. Es ist ja kein Zufall, dass Freiburg einen Spieler nach dem anderen hervorbringt. Oder dass Bilbao sich selbst freiwillig geografisch begrenzt und damit Erfolg hat. Andere Vereine haben sicher junge Spieler, die nicht schlechter sind als die jungen in Freiburg, aber sie bekommen keine Chance zu spielen und müssen dann nach Belgien oder Holland gehen. Das spielt alles zusammen. Umso dankbarer bin ich, wie es für mich bislang gelaufen ist.

Auch wenn Manuel Neuer jetzt wieder die Champions League gewonnen hat und Sie nicht?

Adler: Es stimmt: Manuel Neuer hat eine Weltkarriere gemacht und ich nicht. Ich gebe auch offen zu, dass es mir nicht immer gelungen ist, alles so rational positiv zu sehen. Ich hatte auch schlechte Gefühle. Aber in diesen Momenten habe ich immer daran gearbeitet, mir bewusst zu machen, welches Glück ich habe. Ich habe mein Hobby zum Beruf machen und damit viel Geld verdienen dürfen. Das ist ein Privileg. Das galt selbst dann, wenn ich mit dem HSV mitten im Abstiegskampf gesteckt bin. Selbst dann musst du es wertschätzen, morgens zum Training zu fahren. Am Ende ist es doch das, wovon du als kleines Kind geträumt hast. Und jetzt habe ich mit 35 die Möglichkeit, mir eine zweite Karriere aufzubauen und dabei vielleicht wieder ein Hobby zum Beruf machen zu können. Für diese Freiheit bin ich sehr dankbar.