Was ist passiert und wie ist die Saison zu bewerten?
Die Mavs verkauften sich in der Serie gegen die Clippers besser, als es ihnen viele Experten vorher zugetraut hatten. Obwohl ihr zweitbester Spieler nur für die Hälfte der sechs Spiele zur Verfügung stand, rangen sie dem Titelfavoriten immerhin zwei Niederlagen ab und hatten in zwei der vier eigenen Niederlagen eine Siegchance. Sie waren also recht nah an einer Überraschung dran - es reichte am Ende aber nicht.
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Zum einen lag das an der mit der Zeit immer deutlicher durchschimmernden Klasse des Gegners, zum anderen pfiffen die Mavs gegen Ende aus dem letzten Loch. Dallas reiste bereits ohne einige wichtige Rotationsspieler wie Jalen Brunson und Dwight Powell nach Orlando, dann verlor man in Kristaps Porzingis auch noch den besten Big Man - und Luka Doncic spielte auf einem verletzten Knöchel.
Nicht, dass man ihm das groß angemerkt hätte. Doncic sorgte mit seiner ersten NBA-Playoffserie für Staunen (siehe Frage zwei) und war auch gegen die Clippers in der Lage, eine exzellente Offensive anzuführen. Der Slowene war bereits im zweiten Jahr in der Liga ein Superstar und Matchup-Albtraum, selbst für einen mehrmaligen DPOY-Gewinner wie Kawhi Leonard.
Insbesondere aufgrund von Doncics Entwicklung kann das Fazit am Ende dieser Mavs-Saison nur positiv ausfallen. Dallas hätte gegen einen anderen Erstrundengegner wohl auch weiterkommen können, ihr Fight gegen die Clippers hatte jedoch eine vergleichbare Signalwirkung - Dallas gilt erstmals seit vielen Jahren als Team mit einer rosigen Zukunft.
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Im Lauf der Regular Season produzierten Doncic und Co. trotz vieler Verletzungsprobleme und neuer Teile das beste Offensiv-Rating der NBA-Geschichte, auch in den Playoffs funktionierte ihr System. Defensiv offenbarten sie dafür noch große Schwächen, allerdings fehlte mit Porzingis dann auch noch der wichtigste Verteidiger.
Um den Letten muss man in Dallas nun bangen, nachdem er sich erneut schwer verletzt hat (siehe Frage vier). KP ist ein integraler Bestandteil der Mavs-Zukunft, nicht nur finanziell. Dennoch überwiegen nach dem Playoff-Aus bei den Mavs ganz klar die positiven Emotionen.
Ist Luka Doncic bereits ein Top-5-Spieler?
Das liegt natürlich vor allem an Luka Magic. Der 21-Jährige hat ein Playoff-Debüt hingelegt, das in der Form historisch kaum Parallelen hat. 31 Punkte, 9,8 Rebounds und 8,7 Assists sind für sich genommen schon obszön, hinzu kam bekanntlich der Game-Winner in Spiel 4. Es war die Krönung einer der besten Sophomore-Saisons der modernen NBA-Geschichte.
Doncic hat die Coronavirus-Unterbrechung für sich genutzt und war in der Bubble signifikant besser als zuvor. Körperlich wirkte er bis zu seiner Knöchelverletzung fitter, dazu schien sich sein Spielverständnis sogar noch gesteigert zu haben. Erstmals in seiner NBA-Zeit demonstrierte Doncic auch konsequent ein Interesse an der eigenen Defense.
Letzteres ist die größte Schwäche, die Doncic noch ausmerzen kann, auch offensiv hat er aber noch Luft nach oben: Er lässt sich noch zu leicht frustrieren und hadert ständig mit den Schiedsrichtern, teilweise bringt ihn das aus dem Spiel. Er neigt manchmal noch etwas zu sehr zum Hero-Ball und wilden Entscheidungen. Sein Wurf ist zwar grundsätzlich eine Waffe, kann aber noch deutlich stabiler werden (nur 31,6 Prozent Dreier in der Saison).
Und trotzdem: Schon jetzt ist Doncic so gut, dass man als Zuschauer oft nur staunen kann. Clippers-Coach Doc Rivers sagte stellvertretend für alle, dass er seit zwei Jahren einen Man-Crush auf Doncic habe und dieser mit der Zeit nur größer geworden sei. Auch die Reaktionen anderer Spieler in den Sozialen Medien demonstrieren stets, wie viel Respekt Doncic in der Liga bereits genießt.
Die NBA-Statistiken von Luka Doncic
Minuten Punkte FG 3FG Rebounds Assists Turnover Regular Season 18/19 32,2 21,2 42,7 32,7 7,8 6,0 3,4 Regular Season 19/20 33,6 28,8 46,3 31,6 9,4 8,8 4,3 Playoffs 19/20 35,8 31 50 36,4 9,8 8,7 5,2
Ein Top 5-Spieler war er in dieser Saison noch nicht - dafür fehlte der Two-Way-Aspekt und in mancher Hinsicht auch noch die Abgezocktheit. Er ist aber weitaus näher dran, als ein 21-Jähriger das sein sollte, selbst einer mit viel Erfahrung aus Europa. Es scheint sehr realistisch, dass er innerhalb der nächsten drei Jahre einen MVP-Award abräumen wird.
Schon jetzt wirkt er von allen jungen NBA-Stars (wenn man Giannis Antetokounmpo mit seinen 25 Jahren nicht mehr zählt) ganz klar wie die erste Option, um ein Team aufzubauen. Bezogen auf die Offensive kann man für ihn auch bereits jetzt als Top-5-Spieler argumentieren. Den wichtigsten Teil eines Contenders, den Franchise Player, hat Dallas beim Wiederaufbau also ohne Zweifel schon abgehakt.
Welche Verstärkungen brauchen die Mavs?
Nun geht es darum, ein perfekt passendes Team um Doncic zu bauen. Was Dallas dafür in erster Linie benötigt, sind echte 3-and-D-Spieler auf dem Flügel, die eine gewisse Länge mitbringen. Gerade im Duell mit den Clippers fiel immer wieder auf, dass es an einem passenden Matchup für die besten Wings der Liga fehlt. Zumal es ein echter Two-Way-Player sein müsste.
Maxi Kleber etwa machte defensiv gegen Kawhi ja durchaus einen guten Job - es spielte nur kaum eine Rolle, weil Leonard im Playoff-Modus der vielleicht beste NBA-Spieler ist -, aber er kam offensiv quasi nicht zur Geltung (nur 19,2 Prozent Dreierquote). Dieses Problem ist bei den Mavs-Rollenspielern nicht selten: Fast alle definieren sich entweder über die Defense (Kleber, Finney-Smith, Kidd-Gilchrist) oder die Offense (Curry, Burke, Marjanovic), aber eben nicht über beides.
Kleber, DFS und Curry sind dennoch ziemlich sicher zentrale Bausteine für Dallas, sie alle sind unterm Strich exzellente und günstige Rollenspieler. Drumherum kann sich jedoch viel tun, abgesehen von Two-Way-Wings bedarf es auch noch eines weiteren Ballhandlers, der Doncic gerade am Ende von Spielen entlasten kann. Goran Dragic wird hier immer mal wieder gehandelt, der Heat-Guard dürfte aber etwas zu alt und eigentlich auch zu teuer sein.
Denn: Wenn Tim Hardaway Jr. seine Option für die kommende Saison zieht, haben die Mavs finanziell ohnehin nur wenige Ressourcen. 111 Millionen Dollar stünden dann zu Buche, der Salary Cap wurde auf 115 Mio. projiziert, dürfte aufgrund der Coronavirus-Pandemie aber noch sinken. Dann müsste Dallas voraussichtlich über der Cap-Grenze operieren und hätte nur Minimalverträge sowie die Midlevel Exception anzubieten.
Hardaways Situation ist allerdings unklar. Er würde vermutlich derzeit nirgendwo ein Jahresgehalt wie die knapp 19 Mio. Dollar bekommen, das ihm die Option zusichert, andererseits könnte er eine langfristigere Lösung anvisieren. Verzichtet er auf seine Option, hätte Dallas womöglich etwas mehr Spielraum, Platz für einen Maximalvertrag werden die Mavs aber erst im Jahr 2021 haben.
Was bedeutet die Verletzung von Kristaps Porzingis?
Das erste gemeinsame Jahr von Doncic und Porzingis war nicht ganz einfach, da sich der Lette nach seinem Kreuzbandriss erst wieder herantasten musste, phasenweise offenbarten die beiden jedoch ihr gemeinsames Potenzial. KP ist offensiv zwar in erster Linie ein Catch&Shoot-Spezialist gewesen, verschafft Doncic jedoch schon durch seine Anwesenheit unheimlich viel Platz. Dazu ist er, wenn fit, ein enorm variabler und wertvoller Verteidiger.
Sein Meniskusriss war nun jedoch ein echter Dämpfer, nachdem er zuvor starke "Bubble-Games" gespielt hatte. Angesichts seiner Vorgeschichte ist es mindestens kurios, dass Porzingis die Verletzung in Spiel 1 erlitt und danach trotzdem noch zweimal für Dallas auflief. Eigentlich dürften die Mavs in dieser Situation kein großes Risiko mit ihm eingehen.
Porzingis hat nun an beiden Knien schwere Verletzungen erlitten, möglicherweise ereignete sich die neuerliche Verletzung am rechten Knie sogar durch Überkompensation. Die Mavs haben ihm erst vor dieser Saison einen Fünfjahresvertrag über 158 Mio. Dollar vorgelegt. Es ist also unheimlich wichtig, dass ein Weg gefunden wird, um ihn zu stabilisieren, auch langfristig.
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Ob dieser Weg womöglich stärkeres Load Management vorsieht, ist ungewiss. Gerade in dieser Hinsicht wäre es umso wichtiger, dass Kleber seinen Dreier stabilisiert, um Porzingis noch besser ersetzen zu können. Vorerst muss aber determiniert werden, ob Porzingis in der Offseason operiert oder anderweitig behandelt wird. Zuletzt wollte er es mit Spritzen versuchen, allerdings stand dabei auch noch im Raum, dass Dallas gegen die Clippers weiterkommt und er zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal eingreifen könnte.
Positiv zu erwähnen ist, dass der Meniskusriss bei weitem nicht so gefährlich ist wie der Kreuzbandriss, den Porzingis 2018 am linken Knie erlitt. Laut einer Studie verpassen NBA-Spieler für gewöhnlich etwas mehr als 30 Tage mit dieser Verletzung. Porzingis bringt mit seiner Beweglichkeit bei 2,21 m Körperlänge einzigartige Voraussetzungen mit, bis zur nächsten Saison sollte er aber wieder richtig fit sein.
Kann Dallas nächstes Jahr ein Titelkandidat sein?
Die Mavs haben nach der ersten Playoff-Teilnahme seit 2016 Blut geleckt und Doncic betonte nach dem Aus direkt, dass jede Saison für ihn mit dem Ziel beginnt, einen Titel zu gewinnen. Das ehrt ihn und ist die richtige Einstellung, auch wenn es in dieser Spielzeit nicht realistisch war und auch im kommenden Jahr wohl nicht sein wird.
Dallas sollte sich weiter steigern können. Bedenkt man, wie oft in der Regular Season enge Spiele verloren gingen, könnten die Mavs nächste Saison ohne Zweifel mehr als 50 Siege holen und sich eine bessere Platzierung als den siebten Rang erarbeiten. Gerade in der Regular Season dürfte schon die großartige Offense für reihenweise Siege sorgen.
Fraglich sind eher die Playoffs - und hier dürften auch in der nächsten Saison insbesondere die L.A.-Teams im Westen noch vor Dallas stehen. Diese haben Dallas vor allem defensiv noch einiges voraus und angesichts des limitierten Spielraums ist es unwahrscheinlich, dass die Mavs zu ihnen aufschließen können.
Offensiv lautet die größte Frage, ob Porzingis als zweiter Star funktioniert oder ob er langfristig eher eine Nummer drei sein sollte. Er ist nur bedingt in der Lage, sich selbst Offense zu erarbeiten, dazu kommen die gesundheitlichen Fragezeichen. Nicht wenige Experten haben schon gefordert, dass die Mavs sich noch nach einem weiteren Ballhandler auf dem Flügel umsehen sollten.
Einen solchen Spieler würden sie in dieser Offseason eher nicht bekommen - im Jahr 2021 sind sie aber eins der interessantesten Teams. In dem Sommer, in dem unter anderem Giannis Antetokounmpo Free Agent sein wird, hat Dallas Platz für einen Maximalvertrag. Diesen Platz wird man sich bis dahin ziemlich sicher nicht verbauen.
Dallas kann kurzfristig also etwas besser werden und an gewissen Stellschrauben drehen. Richtig ernst wird es dann nach der kommenden Saison. Das Titelfenster ist damit wohl noch nicht offen, den Griff haben Doncic und Co. aber schon mal vorsorglich gelockert.