Der Ton wird rauer, doch die Adressaten sind nicht anwesend - so könnte man die aktuelle Lage bei Borussia Dortmund in aller Kürze zusammenfassen. Sechs Testspiele hat der BVB seit Beginn der Vorbereitung auf die neue Saison absolviert, die vergangenen drei davon konnten nicht gewonnen werden.
Zehn Gegentore hagelte es in fünf dieser Partien, was gegen Teams wie Austria Wien, Duisburg, Feyenoord, Paderborn und Bochum sicherlich kein Ruhmesblatt abgibt. Wie immer in dieser Phase sollte man die nackten Zahlen wie auch die individuellen Leistungen nicht überbewerten oder gar versuchen, daraus allzu Tiefgründiges für den weiteren Verlauf der Spielzeit abzuleiten.
Dennoch ist es unzweideutig deutlich, wenn sich Sportdirektor Michael Zorc im kicker wie folgt äußert: "Wir sind aktuell in keiner guten Verfassung. Noch haben wir zwei Wochen bis zum Pokal und knapp drei Wochen bis zum Ligastart Zeit, uns besser zu präsentieren. Wir müssen die Schlagzahl wieder erhöhen."
Anders verhält es sich bei den gewohnt uneindeutigen Aussagen von Trainer Lucien Favre. Der hat beim Testspiel-Doppelpack gegen Paderborn (1:1) und Bochum (1:3), als Dortmund mit recht wild zusammengewürfelten Formationen aus Profis und Youngstern der U-Mannschaften antrat, "ein paar dumme Gegentore" und zugleich "viele positive Sachen" gesehen.
BVB: Favre mit überraschend klaren Aussagen
Der Schweizer hat nun jedoch keine Möglichkeit, seinem Kader die Dummheiten auszutreiben und das Positive zu stärken. 15 Spieler sind derzeit auf Reisen. Immerhin: Die anstehenden Nations-League-Länderspiele gehen als eine Art Härtetest für die Akteure durch. Aus Sicht der Vereine sind diese Terminierungen aber alles anderes als ideal, wenn nach nun einem Monat Vorbereitung und wenigen Tagen vor dem ersten Pflichtspiel der Großteil des Teams zwei Wochen lang außer Haus ist.
So wird es bis zum Anpfiff der Saison schwer mit Favres Plan, systematisch wieder flexibler zu werden und sich mit zwei kompletten Mannschaften Wettkampfhärte und Abläufe anzutrainieren. Hierzu hat der Coach zuletzt Aussagen getätigt, die wiederum überraschend klar erschienen.
"Ich spiele lieber mit Viererkette. Fast alle großen Mannschaften spielen so", ist per se kein neues Favre-Bekenntnis, er hat es aber noch einmal erneuert. Auf den ersten Blick mutet das bizarr an, wenn man bedenkt, dass der BVB in der Vorsaison in ebenjener Formation deutlich größere Probleme offenbarte als nach der Umstellung auf eine defensive Dreierkette - mit der dann 16 Bundesligasiege in 22 Partien gelangen.
BVB-Testspiele: Die Ergebnisse im Überblick
Datum Gegner Ergebnis 12. August 2020 SCR Altach 6:0 16. August 2020 Austria Wien 11:2 22. August 2020 MSV Duisburg 5:1 22. August 2020 Feyenoord Rotterdam 1:3 28. August 2020 SC Paderborn 1:1 28. August 2020 VfL Bochum 1:3
BVB: Dreier- oder Viererkette - oder beides?
Bizarrer mutete es an, dass Favre in den Testspielen ausschließlich mit Viererkette spielen ließ. Nachdem er anfangs ausweichend antwortete, was dies für das zuletzt so erfolgreich praktizierte System bedeute, nimmt der 62-Jährige nun die Knie-Blessur von Innenverteidiger Dan-Axel Zagadou (genaue Diagnose und Ausfallzeit weiter unklar) als Erklärung her: "Wir trainieren beide Formationen, aber wir können nicht mit einer Dreierkette spielen, weil wir momentan unter anderem mit der Verletzung von Zagadou zu wenige Innenverteidiger haben."
Es ist natürlich nachvollziehbar, dass dem Trainer größtmögliche taktische Variabilität vorschwebt - zumal die Arbeit mit der Dreierkette freilich nicht gänzlich vom Trainingsplan verschwunden ist. Auch Zorc sieht kein Problem und betont die Anpassungsfähigkeit der Spieler: "Die Dreierkette spielst du sofort wieder. Beim letzten Mal haben wir vor dem Wechsel auch nicht lange trainiert."
Allein ein Blick auf die linke Abwehrseite sollte jedoch genügen, um sich zumindest langfristig weiterhin eher von der Dreierkette zu überzeugen. Dort stehen im formschwachen Wechselkandidaten Nico Schulz und Raphael Guerreiro, der in der vergangenen Saison bewies, eine Linie weiter vorne deutlich effektiver zu sein, lediglich zwei Linksverteidiger zur Verfügung. "Bisher weiß ich noch nicht, mit welchem System wir in der nächsten Saison spielen. Es gab noch keine Teamsitzung, in der das klar besprochen worden ist", sagte der Portugiese nach der Rückkehr aus dem Trainingslager.
Weiterer BVB-Transfer hängt auch von Zagadou ab
Was laut Meldung des Boulevard angeblich für Irritationen in Dortmunds Führungsebene sorgte, war Favres verklausuliert formulierter Wunsch nach weiteren Verstärkungen. So jedenfalls muss man seine Antwort auf die Nachfrage eines Reporters vor zehn Tagen deuten, ob er denn schon die zwei Mannschaften, die ihm angesichts des dicht gedrängten Spielplans vorschweben, beisammen habe: "Nein. Ich habe es schon mal gesagt: Momentan nein."
Zorc hielt folgende Ansicht dagegen: "Ich finde, dass wir gut aufgestellt sind. Der Umgang mit diesem Kader obliegt nun natürlich dem Trainer. Die Rotation wird allerdings in der Tat sehr wichtig sein, gerade in den Wochen mit der Champions-League-Gruppenphase."
Da auf der Verletzenliste nicht nur Zagadou, sondern beispielsweise auch die beiden Außenverteidiger Thomas Meunier und Mateu Morey stehen, sind bis Anfang Oktober weitere Transfers durchaus denkbar. Zorc richtete zwar bereits aus, dass in Corona-Zeiten die Wirtschaftlichkeit aller Geschäfte bedacht werden muss, doch gerade ein langfristiger Ausfall von Zagadou könnte den BVB noch einmal zum Handeln zwingen - erst Recht, wenn Favre auf die Rückkehr zur Viererkette beharren sollte.
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Frage nach Favres BVB-Zukunft könnte schnell wieder lodern
Ein aktuell geschlossenes Thema ist Favres Zukunft. Frühestens in der Winterpause wolle man sich zusammensetzen, sagte Zorc vor vier Wochen. Einzig beim Gewinn des Meistertitels dürfe sich Favre Chancen auf eine Vertragsverlängerung über 2021 hinaus ausrechnen, schrieb die Sport Bild .
Allerdings: Seit über einem Jahr schwelt diese Frage bereits und könnte wie im vergangenen Herbst schnell wieder richtig zu lodern beginnen, sollten die Dortmunder eine ähnlich maue Hinserie abliefern wie vor einem Jahr. Da Favres Vertragsende mit jedem Tag näher kommt, werden den BVB Nachfragen dazu sicherlich weiter begleiten.
Es sind also noch einige Baustellen, die bei der Borussia derzeit zu bearbeiten sind. Die offensichtliche Formschwäche und das lasche Auftreten einiger Leistungsträger wie Axel Witsel, Erling Haaland oder Julian Brandt noch nicht mit eingerechnet.
BVB: Der Spielplan in den kommenden Wochen
Wettbewerb Datum Gegner Ort Testspiel 07. September 2020 Sparta Rotterdam N DFB-Pokal 14. September 2020 MSV Duisburg A Bundesliga 19. September 2020 Borussia Mönchengladbach H Bundesliga 26. September 2020 FC Augsburg A DFL Supercup 30. September 2020 FC Bayern München A