Spiel 5 der Serie sollte in der Nacht auf Donnerstag stattfinden, wurde aufgrund des NBA-Streiks gegen Polizeigewalt aber vorerst verschoben.

Man neigt gerade in Playoff-Zeiten zu Überreaktionen. Insofern verwunderte es nicht, wie einig sich ein Großteil der NBA-Beobachter bereits nach zwei Spielen der Erstrundenserie war, dass OKC gegen Houston keine Chance haben würde: Zu dominant, zu variabel traten die Rockets auf, und das ohne den verletzten Russell Westbrook. OKC spielte Houston mit der eigenen Spielweise in die Karten, ihre präferierte Spielweise funktionierte gegen den Micro-Ball kaum.

Wenige Tage später ist die Serie ausgeglichen und auf dem besten Weg, zum Thriller zu werden. Spiel 3 gewannen die Thunder nach Verlängerung, in Spiel 4 holten sie einen 15-Punkte-Rückstand auf und sahen darin wieder wie das Team aus, das im Lauf der Saison die beste Clutch-Bilanz der Liga hatte. Das in entscheidenden Momenten schwer zu stoppen ist und seinerseits gut verteidigen kann.

Einen großen Anteil hatte Luguentz Dort, der Spiel 1 der Serie verpasste und seither Rockets-Superstar James Harden mit sensationeller Defense in den Wahnsinn treibt. Die Offense wiederum schulterten wieder einmal vor allem die drei Guards - zweimal nacheinander haben Shai Gilgeous-Alexander, Chris Paul und Dennis Schröder nun gemeinsam 70 Punkte getoppt.

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Dennis Schröder als Barometer der OKC Thunder

Insbesondere der Deutsche hat sich dabei als eine Art Barometer der Thunder herausgestellt. Wenn es bei ihm läuft, läuft es auch beim Team; gerade in dieser Serie ist er einer der absoluten Schlüsselspieler. Die Probleme zu Beginn der Serie bestanden nicht zuletzt deshalb, weil Schröder selbst noch nicht in der Serie angekommen war (8/24 FG in den ersten zwei Spielen), nachdem er die Bubble aufgrund der Geburt seines Kindes verlassen und somit einige Zeit verpasst hatte.

Houston repräsentiert mit seinen kleinen Lineups einen Gegner, wie man ihn noch nie gesehen hat. Gerade für ein Team wie OKC sind die Rockets eigentlich bestens gerüstet: Deren Offense besteht zu einem großen Anteil aus Isolationen, daraus, dass insbesondere CP3 nach dem Pick'n'Roll einen größeren, langsameren Gegenspieler vor sich hat, den er manipulieren kann.

Mismatches dieser Art gibt es gegen die Rockets eigentlich nicht - sie haben keine langsamen Bigs mehr, stattdessen stehen stets fünf langarmige, kräftige Spieler zwischen 1,92 und 2,07 m auf dem Court. Da OKC recht wenig Aktionen abseits des Balles läuft, konnten die Rockets zunächst bedenkenlos alles switchen, da sich kaum mal kompliziertere Rotationen dadurch ergaben.

OKC Thunder schaffen mehr Platz für Dennis Schröder

OKC-Coach Billy Donovan ließ sich etwas Zeit damit, selbst mehr mit kleinen Lineups zu kontern, mittlerweile hat Spacing für ihn aber vermehrt Priorität - und man sieht auch Danilo Gallinari mal auf der Fünf, wie in der Crunchtime von Spiel 4. "Es geht alles um das Spacing und wie viel Platz wir füreinander schaffen", erklärte Donovan nach Spiel 4.

"Zu Beginn in der Serie war unser Spacing nicht gut und so konnte ihre Physis und Länge uns den Hahn abdrehen. Wenn man gegen diese ständigen Switches spielt, ist es sehr schwierig, weil sie gut aushelfen und den Ring beschützen. Wenn man jedoch gutes Spacing hat, kann man, selbst wenn man nicht zum Ring kommt, immerhin gute Würfe nach Kickout-Pässen bekommen."

Schröder kommt dieser Platz sehr gelegen. Bei aller Switchability haben die Rockets trotzdem keinen Spieler, der vor ihm bleiben kann, mehr als ein Drittel seiner bisherigen Würfe hat der 26-Jährige direkt am Korb genommen. Er ist zwar nicht der beste Finisher, da die Rockets aber eben keine Bigs haben, fällt diese Schwäche nicht so sehr ins Gewicht. Er kann Lücken reißen, in Spiel 4 fiel dazu auch endlich der Dreier mal sehr gut (4/7), den die Rockets ihm oft ziemlich bereitwillig geben.

Chris Paul und Dennis Schröder: Ein perfektes Duo?

Schröder hat die Thunder bei beiden Siegen in dieser Serie beim Scoring angeführt. Seine Leadership bezog sich jedoch nicht nur auf die Punkte, wie Paul betonte. In Spiel 4 konnte man immer wieder sehen, wie der jüngere Deutsche motivierend, aber durchaus forsch auf den altehrwürdigen "Point God" einredete - was dieser durchaus akzeptieren konnte.

"Dennis ist einer meiner liebsten Mitspieler, die ich jemals hatte. Wir haben viel gemeinsam. Wir sind beide emotionale Spieler", sagte der 35-Jährige. "Wenn man selbst viel austeilt, muss man es auch ertragen können. Darauf ist unser Team stolz, dass wir diese Kommunikation haben, in guten wie in schlechten Zeiten."

Auch Schröder hob sein Verständnis mit und für Paul hervor: "Es ist eine ziemlich emotionale Situation für ihn", sagte er über das Duell gegen Pauls Ex-Team. "Er hat dort gespielt, deswegen habe ich versucht, ihm zu helfen. Er ist sehr gut damit umgegangen. Manchmal sage ich es ihm, wenn mir etwas auffällt, und er hört immer zu."

Die Statistiken von Dennis Schröder 2019/20

Minuten Punkte FG 3FG Rebounds Assists Turnover Regular Season (Schnitt) 30,8 18,9 46,9 38,5 3,6 4 2,6 Spiel 1 vs. HOU 32 6 3/12 0/5 0 4 2 Spiel 2 vs. HOU 32 13 5/12 2/4 5 5 4 Spiel 3 vs. HOU 39 29 10/23 2/10 5 5 3 Spiel 4 vs. HOU 31 30 10/16 4/7 1 3 2

Billy Donovan sieht Dennis Schröder als Starter

Die Kombination der beiden sorgte dafür, dass das Spiel noch gedreht werden konnte, in den letzten fünf Minuten punkteten nur noch Paul und Schröder für OKC, nachdem ersterer die Thunder im dritten Viertel zeitweise fast im Alleingang mit 14 seiner 26 Punkte in Schlagdistanz gehalten hatte. Im Anschluss zeigte sich auch Donovan begeistert von seinem "dritten" Aufbauspieler.

"Es gibt keine Frage, dass er ein Starting Point Guard in dieser Liga sein sollte", sagte der Head Coach. "Er ist so ein Teamspieler ... Siege und das Team sind für ihn am wichtigsten. Was auch immer man von ihm verlangt, er wird es tun." Erneut scheint sich der Eindruck zu bestätigen, dass Schröder in OKC und insbesondere neben Paul unverhofft die perfekte Situation für sich gefunden hat.

Es steht komplett in den Sternen, wie lange es dabei bleiben wird - weder bei Paul noch bei Schröder scheint ein Trade im Sommer ausgeschlossen, OKC könnte nahezu jeden Weg einschlagen. Für den Moment ist es aber auch unerheblich: Die Thunder sind mittendrin in dieser Serie.