Was über die letzten Tage in New England zu beobachten war, könnte als Sinnbild für den ganz normalen Wahnsinn der NFL Training Camps herhalten.
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Weil Patriots-Coach Bill Belichick die Nachfrage eines Reporters, ob er womöglich beide Quarterbacks - Cam Newton und Jarrett Stidham - in der Saison im Wechsel spielen lassen könnte, nicht unmittelbar ins Reich der Fabeln verortete, wurde plötzlich für einige Tage rund um die Patriots kaum noch über etwas anderes berichtet als über das Quarterback-Platoon, das Newton und Stidham bilden könnten.
Es ist die Phase des Jahres, in der manche Storylines gerne bis zum allerletzten Tropfen ausgequetscht werden, während andere Entwicklungen ein wenig untergehen.
Doch welche Entwicklungen sind erwähnenswert? Was sollten Fans wissen, welche Situationen gilt es vielleicht auch für den anstehenden Fantasy-Draft im Blick zu behalten? SPOX blickt auf die Storylines nach den ersten Camp-Wochen.
Bengals: Der Hype um Joe Burrow wächst
Wenn ein Quarterback aus einer der besten College-Saisons aller Zeiten kommt und dann von einem Team im Draft ausgewählt wird, das seit Jahren auf der Suche nach diesem besonderen Spieler ist, der das Team in eine neue Ära führen kann, dann gibt es vor allem ein Wort, das diese neue Beziehung beschreibt: Hoffnung. Und wenn man es fordernder formulieren will: Erwartungen.
Ganz Cincinnati hofft, dass man in Joe Burrow den nächsten Superstar-Quarterback gefunden hat. Dass seine College-Saison keine Eintagsfliege war. Dass die Bengals mit Burrow für Jahre zu den Playoff-Anwärtern und mehr zählen. Und so gilt es, alle Berichte aus Cincinnati mit Vorsicht zu genießen - was aber lässt sich durch den Filter mitnehmen?
Positiv ist in jedem Fall der mentale Prozess. Im Training am Donnerstag, noch immer ganz am Anfang der Pad-Einheiten, warf Burrow eine simple Interception, Linebacker Josh Bynes hatte den Wurf lange kommen sehen. Doch statt in der Folge auf Sicherheit zu setzen, machte Burrow das Gegenteil - wie Paul Dehner von The Athletic berichtete, attackierte er direkt danach die Defense erstmals konstant tief, und das mit Erfolg. Es folgten mehrere exzellente Pässe im Red-Zone-Drill sowie eine Zoom-Konferenz mit den Medienvertretern, bei denen er bereits über seinen Fehler sprach.
Am Freitag schließlich gab es eine weitere ermutigende Einheit hinterher, inklusive eines perfekten ersten Scrimmage-Drives mit langer Third-Down-Conversion und langsam aber sicher fangen Bengals-Fans - so sie nicht bereits dabei sind - an zu träumen. Burrow macht dabei selbstredend auch Fehler, doch die positiven Aspekte, auch etwa im Pocket-Verhalten, im Umgang mit Pressure oder mit seiner Accuracy, und der Umgang mit diesen Fehlern überwiegen.
Es sind positive erste Anzeichen. Gleichzeitig aber ist die Offensive Line nach wie vor ein großes Fragezeichen, A.J. Green und auch Tee Higgins haben bereits Trainingszeit aufgrund verschiedener Blessuren verpasst und John Ross fehlte entschuldigt aufgrund einer Familienangelegenheit. Für Burrow und die Bengals gilt es jetzt, eine möglichst stabile Chemie bis Saisonstart aufzubauen - um die Offensive Line zu kompensieren werden sie es brauchen. Findet Burrow sich schnell zurecht, könnten die Bengals einen schnellen Turnaround hinlegen.
Patriots: Nutzt Damien Harris seine Chance?
Sony Michel geht in seine dritte Saison bei den Patriots - und ein Draft-Pick, der schon in dem Moment, als die Patriots Michel in der ersten Runde auswählten, nur schwer zu erklären war, könnte bald um seine sportliche Zukunft in Foxboro kämpfen.
Michel beginnt das Training Camp infolge einer Fuß-OP auf der PUP-Liste, hat also noch nicht trainiert. The Athletic vermeldete zuletzt, dass Michel womöglich nicht für den Saisonstart bereit sein könnte. Running-Backs-Coach Ivan Fears ließ zumindest alle Möglichkeiten offen, als er Ende der Vorwoche zu Reportern sagte: "Hoffentlich haben wir noch etwas Zeit bis zum ersten Spiel, wenn er auf den Rasen zurückkehrt."
Die Tatsache, dass die Patriots jüngst Lamar Miller verpflichteten - wenngleich der nach seinem Kreuzbandriss im Vorjahr für den Moment ebenfalls noch auf der PUP-Liste steht -, legt nahe, dass sich der Optimismus in Grenzen hält. So oder so, es wirkt immer wahrscheinlicher, dass ein neuer Name das Patriots-Backfield in der kommenden Saison anführen wird: Damien Harris.
Harris bekommt aktuell die Starter-Snaps im Training und hat eine echte Chance, sich neben den flexiblen Receiving-Backs James White, Rex Burkhad und womöglich auch J.J. Taylor als der Lead-Back festzubeißen. In Kombination mit der Tatsache, dass Michel inzwischen eine ausgeprägte Krankenakte hat und Miller maximal Kadertiefe bereitstellen dürfte, könnte man Harris, der sich wohl auch in Pass-Protection gut anstellt, in einem offenen Rennen zunehmend als Favoriten einstufen.
Jets: Comeback des Herndon Hype Trains
Allzu optimistisch klingen die meisten Berichte aus dem Jets-Training bislang nicht - zumindest nicht, wenn man auf Fortschritte der Offense hofft. Die Offensive Line agierte wacklig, die Defense dominierte mehrere Einheiten wohl deutlich und bei den Wide Receivern gibt es ebenfalls mehr Fragen als Antworten.
Ein Lichtblick ist da Chris Herndon. Der Tight End galt bereits im Vorjahr als Hoffnungsträger, ehe er die ersten vier Spiele gesperrt verpasste und sich kurz danach verletzte - nur um nach seiner Rückkehr abermals schnell wieder verletzt auszufallen.
Doch womöglich war der 2019er Hype nur ein Jahr verfrüht? Zumindest die Berichte aus dem Jets-Training legen das nahe: Während Darnold mit seinen Receivern noch eine inkonstante Verbindung hat, findet er Herndon bereits regelmäßig in den Team-Drills. In einer Offense, die letztes Jahr wenig Hilfe von der Tight-End-Position bekam und deren bester Receiver für den Moment klar Slot-Receiver Jamison Crowder sein dürfte, wäre eine Darnold-Herndon-Connection ein enormer Boost.
Eagles: Wer ersetzt Miles Sanders?
Das offizielle Team-Statement lautet: "Lower Body Injury - Week to Week". ESPN berichtet, dass Sanders bis zum Saisonauftakt fit sein soll, doch einiges deutet darauf hin, dass er letztlich den Großteil des Training Camps verpassen wird. Sanders hatte letztes Jahr eindrucksvolle Ansätze gezeigt, mit seiner Athletik als Runner, aber gerade auch mit seinen Fähigkeiten als Receiver, wo die Eagles ihn infolge ihrer Verletzungsprobleme immer aggressiver einsetzten.
Doch er ist auch ein Running Back im zweiten Jahr, der von den Coaches spätestens mit dem Abgang von Jordan Howard als Starter und 3-Down-Back eingeplant wurde - jetzt gilt es, mögliche Alternativen zu finden. Auch für den Fall, dass Sanders nach auskurierter Verletzung etwas Zeit braucht, um wieder vollends in die Spur zu finden.
Die Frage lautet nun: verpflichten die Eagles noch einen erfahrenen Back? Oder ist Coach Doug Pederson zufrieden mit seinem Backfield, selbst wenn Sanders vorerst fehlt? Elijah Holyfield, Undrafted Rookie aus dem Vorjahr, der erst spät in der Saison nach Philly kam, erhielt zuletzt Chancen mit den Startern, als auch Boston Scott kurzzeitig passen musste. Holyfield wäre die Power-Alternative, sollte Philly einen primären Runner als Sanders-Ersatz bevorzugen.
Scott, der spät in der vergangenen Saison in Philly auf dem Weg in die Playoffs zum Eagles-Fan-Helden wurde, wäre wohl die erste interne Alternative. Holyfield aber ist ein Spieler, den man im Blick behalten sollte. Corey Clement wäre die Notfall-Sicherheits-Option.
Gehen San Francisco die Receiver aus?
Deebo Samuel verpasst das Training Camp aufgrund seiner Fußverletzung - auch ein Einsatz zum Start der Regular Season steht komplett in den Sternen. Head Coach Kyle Shanahan erklärte am vergangenen Donnerstag, er sei "hoffnungsvoll", dass Samuel in Woche 1 spielen kann. Fünf Tage vorher hatte Shanahan aber auch vermeldet, dass er nicht mit Samuel für den Saisonstart plane.
Derweil hat Jalen Hurd, der als ein möglicher Ersatzmann für Samuel galt und auch als potenzieller Starter nach dessen Rückkehr galt, einen Kreuzbandriss erlitten und wird die Saison verpassen. Richie James verpasst den Saisonstart aller Voraussicht nach mit einer Handverletzung.
Die jüngste potenzielle Hiobsbotschaft kam dann noch am Sonntag: Rookie Brandon Aiyuk, der bislang ein sehr gutes Training Camp hatte und von Coaches wie Reportern vor Ort überdeutlich gelobt wurde, verließ das Training am Sonntag mit einer mutmaßlichen Oberschenkelverletzung.
Sollte der explosive Rookie etwa an einer Muskelverletzung länger zu knabbern haben, wird es tatsächlich eng: Kendrick Bourne und Dante Pettis sind dann wohl die primären Receiver-Optionen für den Start der Saison, mit Trent Taylor im Slot. San Francisco läuft so Gefahr, dass man nicht die Outside-Qualität hat, um Defenses auf mehreren Ebenen zu bedrohen, sodass das Feld für Garoppolo noch weiter komprimiert wird als ohnehin schon in der Shanahan-Offense, die im Idealfall primär zwischen den Hashes und Underneath stattfindet.
San Francisco hat auch bereits reagiert und mit Tavon Austin, Jaron Brown und J.J. Nelson mehrere Receiver verpflichtet, von denen zumindest einer im Camp sich einen Platz im finalen Kader verdienen könnte. Spannend sind gerade Nelson und Austin, die mit ihrem Speed auch bei End Arounds ins Run Game eingebaut werden könnten.
Möglicher Sleeper: Siebtrunden-Pick Jauan Jennings, der im College bei Tennessee ein extrem physischer Receiver mit dem Ball in der Hand war - diese Komponente fehlt den Niners, falls Samuel doch länger fehlt.
Vikings: Dalvin Cook und der saure Apfel
Zunächst deutete alles auf einen klassischen Holdout hin. Dann sickerte durch, dass Dalvin Cook trotz seines nach der Saison auslaufenden Vertrags ins Training Camp kommt - bedingt durch das neue CBA hatte er auch kaum eine vernünftige andere Wahl. Hier sollten Gespräche dann weitergehen, so die Theorie.
Die Praxis sieht aber anders aus: Übereinstimmenden Berichten zufolge sind die Gespräche zum Stillstand gekommen, ein neuer Vertrag vor Saisonstart scheint weitestgehend ausgeschlossen.
Cook wurde, seitdem mit Pads trainiert wird, weitestgehend aus den Team-Einheiten rausgehalten - die individuellen Übungen absolviert er. Das allerdings hat nichts mit dem Wunsch des Running Backs nach einem neuen Vertrag zu tun, sondern soll primär eine Vorsichtsmaßnahme vonseiten des Teams sein, um Cooks Verletzungsrisiko zu minimieren.
Alles deutet hier darauf hin, dass Cook sich mit seiner Situation abgefunden hat und bereit ist, im letzten Jahr seines Rookie-Vertrags in die Saison zu gehen, um sich dann für einen neuen Deal zu empfehlen. Sollte die Situation aufgrund der vertraglichen Lage aber doch unschön werden: In Cooks Abwesenheit bei den 11-on-11-Drills hat Alexander Mattison nahezu alle Einheiten mit den Startern erhalten.
Echtes geteiltes Backfield in Denver und Detroit?
Für Fantasy-Football-Spieler ist das "Backfield by Committee", also die Teams, bei denen mehrere Running Backs ähnlich viel eingesetzt werden, der jährliche Albtraum. Welchen der betroffenen Backs sollte man draften? Wem kann man Woche für Woche vertrauen? Wer bekommt eher die Touchdowns, wer hat bessere Chancen auf eine Rolle im Passspiel?
Aktuell deutet sehr vieles darauf hin, dass genau eine solche Situation in Denver und Detroit entsteht.
Bei den Lions war seit einigen Tagen mehrfach zu vernehmen, wie beeindruckt sie in Detroit von D'Andre Swift im Passspiel sind. Swift, Detroits Zweitrunden-Pick im diesjährigen Draft, soll bereits ein konstantes Problem für Detroits Linebacker in Coverage sein - eine Qualität, die sein College-Tape bereits nahelegte. Gleichzeitig kennt Kerryon Johnson die Offense besser und ist der physischere Back. Eine relativ ausgeglichene Aufteilung zu Saisonbeginn mit potenziell einer wachsenden Rolle für Swift könnte hier das wahrscheinlichste Szenario sein.
In Denver derweil haben sie in der Offseason zwar keinen hohen Draft-Pick, dafür aber einen teuren Free Agent zusätzlich zu ihrem Starter geholt: Melvin Gordon erhielt im März einen überraschend gut dotierten Vertrag (2 Jahre, 16 Millionen Dollar, davon 13,5 Millionen garantiert), der nahelegt, dass der 27-Jährige eine fixe Rolle in der Offense bekommen wird - doch was wird dann aus dem explosiven Phillip Lindsay?
Head Coach Vic Fangio sagte jüngst die Worte, die kein Fantasy-Manager hören will: "Ich vermute, dass beide so viel spielen werden, dass wir keinen wirklichen Starter festlegen müssen." Kurios in Denver, verglichen mit der Situation in Detroit, ist die Tatsache, dass Gordon und Lindsay vergleichsweise ähnliche Backs sind. Wo Johnson und Swift bei den Lions den Power-Runner auf der einen und den agilen, explosiven Back auf der anderen Seite geben, hat Denver zwei Backs mit ähnlichen Stärken und Schwächen.
Das lässt zumindest daran zweifeln, dass beide wirklich eine gleich große Rolle bekommen.
Washington: Wer entthront Adrian Peterson?
Das Kapitel von Derrius Guice in der Hauptstadt endete genauso unrühmlich wie abrupt , sodass die Frage im Raum steht: wie wird sich Washingtons Backfield in der kommenden Saison zusammensetzen?
Adrian Peterson wurde als eine Art Anker gehalten, der Routinier war letztes Jahr noch immer ein sehr solider Runner, trotz der schwierigen Umstände in der Offense. Doch Peterson ist keine Waffe im Passspiel und inzwischen 35 Jahre alt - hat er nochmal eine Saison mit über 200 Runs im Tank? Und anders gefragt: sollte das für Washington überhaupt erstrebenswert sein?
Die Hoffnung zu Beginn der Offseason war fraglos, dass Guice hier eine größere Rolle einnehmen und perspektivisch Peterson ersetzen kann. Jetzt streiten sich Vorjahres-Viertrunden-Pick Bryce Love und Ex-Buccaneer Peyton Barber um den Platz neben Peterson, mit Rookie Antonio Gibson als primärer Kandidat für die Rolle des Receiving-Backs dahinter.
Hört man sich in der Hauptstadt um, wird ein Name inzwischen zunehmend häufiger genannt. Bryce Love, vermeldete Head Coach Ron Rivera etwa am Sonntag, "ist jemand, der jedes Down spielen kann. Ein explosiver, dynamischer Back."
Tatsächlich hatte Love eine fantastische 2017er Saison bei Stanford, in der er sein Big-Play-Potenzial eindrucksvoll unter Beweis stellte. Doch ein 2018er erlittener Kreuzbandriss sowie viele kleinere Blessuren bestimmten seine restliche College-Karriere. Eine geteilte Rolle mit Peterson könnte für ihn vorerst genau der richtige Weg sein - das Upside ist in jedem Fall spannender als bei Barber und potenziell auch verlockender als bei Peterson.