Welches Duell auf dem Rasen wird entscheidend, Thomas Tuchel oder Hansi Flick - wer ist der größere Trainerfuchs? Und natürlich: Erster Champions-League-Sieg der Vereinsgeschichte für PSG oder zweites Triple binnen sieben Jahren für die Münchner?

Die Teilnehmer des Panels zum Finale der Champions League: Jan Platte (Endspiel-Kommentator DAZN ), Dennis Melzer (Bayern-Korrespondent SPOX und Goal ) sowie Benjamin Quarez (PSG-Korrespondent Goal ).

PSG gegen FC Bayern: Welches wird das Schlüsselduell?

Jan Platte: Es gibt so viele potenzielle Schlüsselduelle, da fällt es mir schwer eines herauszuheben. Mich hat Neymar bislang in Lissabon beeindruckt. Auch auf Angel Di Maria werden die Bayern gut aufpassen müssen.

Aber bei den Münchnern laufen zum Beispiel mit Serge Gnabry, Thomas Müller und Robert Lewandowski ebenfalls viele Schlüsselspieler über den Platz, die das Spiel entscheiden können.

Dennis Melzer: Es wird natürlich überall auf dem Platz zu so genannten Schlüsselduellen kommen, ich lege mich dennoch auf eines fest: Neymar gegen Bayerns Rechtsverteidiger. Egal, ob dieser nun Joshua Kimmich oder Benjamin Pavard (laut Hansi Flick eher unwahrscheinlich) heißen wird. Gegen Lyon war es ersichtlich, dass die Franzosen über die Kimmich-Seite kamen. OL hat vermehrt über seine linke Außenbahn versucht, hinter die aufgerückte Kette zu kommen.

Klar, weil Kimmich nicht über die Sprintstärke eines Alphonso Davies verfügt, einen davongeeilten Gegenspieler nicht mal eben wieder einfangen kann. Gerade gegen den spielwitzigen, flinken und technisch versierten Neymar ein hohes Risiko, dem Hansi Flick mit dem Einsatz Pavards und Kimmichs Versetzung ins Mittelfeld hätte entgegenwirken können. Der Franzose verteidigt zwar, wie alle Bayern, hoch, allerdings ist er etwas mehr um Absicherung bemüht als Kimmich.

Flick sagte auf der Abschlusspressekonferenz: "Ich bin froh, dass er es geschafft hat, bei uns zu sein. Er hat hart gearbeitet. Benji hat eine herausragende Saison gespielt, er tut uns gut." Der FCB-Coach schob jedoch nach: "Er weiß, wie er auf der Seite spielen muss. Ich habe aber aktuell noch nicht das Vertrauen, dass er zu hundert Prozent fit ist - und dass man ihn von Anfang an bringen kann. Aber das werden wir heute noch einmal testen im Abschlusstraining. Danach mache ich mir Gedanken."

Da Thomas Tuchel den Bayern voraussichtlich nicht den Gefallen tun wird, das Spiel zu machen, bergen Ballverluste und damit schnelle Umschaltmöglichkeiten des Gegners enormes Risiko. Das haben vor allem die ersten 17 Minuten gegen Lyon gezeigt. Deshalb glaube ich, dass es auf Münchens Außenverteidiger, insbesondere auf der rechten Seite ankommen wird. Neymar hat nun genug Großchancen versiebt. Dass er die nächste auch auslässt, ist unwahrscheinlich.

Benjamin Quarez: Ich gehe nicht auf ein konkretes Duell zwischen zwei Spielern ein, für mich wird etwas anderes entscheidend sein: die Chancenverwertung von PSG! Paris, vor allem Neymar, muss konzentrierter mit seinen Möglichkeiten umgehen als gegen Atalanta und Leipzig. In beiden Spielen hat er dicke Gelegenheiten liegengelassen.

Gegen Bayern muss man präziser und kaltschnäuziger vor dem Tor agieren. Wir alle haben gesehen, was passiert, wenn man gegen die Münchner schludrig mit Hochkarätern umgeht. Lyon hätte in Führung gehen können, vielleicht sogar müssen. Aber sie haben die schläfrige Anfangsphase der Bayern nicht ausgenutzt.

Stattdessen traf der Gegner auf der anderen Seite - und das Spiel war quasi vorbei. So sind sie, die großen, die ganz großen Teams.

Tuchel oder Flick - wer ist der größere Trainer-Fuchs?

Jan Platte: Hansi Flick hat die meiste Zeit seines Trainerlebens im Stillen gecoacht, während sich Thomas Tuchel gleich zu Beginn seiner Mainzer Bundesliga-Zeit 2009 als Taktik-Genie einen Namen gemacht hat.

Mittlerweile lässt er ein System spielen, in dem seine Star-Kicker um Neymar und Kylian Mbappe sich wohlfühlen.

Das ist auch der kluge Zug eines Trainer-Fuchses, der Tuchel für mich noch etwas mehr ist als Hansi Flick. Allerdings muss man klar sagen: Flick hat beim FC Bayern etwas Großartiges auf den Weg gebracht in den letzten Monaten.

Dennis Melzer: Tuchel gegen Flick, das ist für mich das Duell zwischen Wissenschaftler und Menschenfänger.

Der PSG-Coach ist bekannt für seine pedantische Art, ein Perfektionist, der nichts dem Zufall überlassen möchte. Zudem ist es ihm zuletzt offensichtlich gelungen, seine bisweilen divenhaften Stars hinter sich zu scharen. Das war beileibe nicht immer der Fall.

Flick hingegen kommt vor allem über die zwischenmenschliche Ebene. Er weiß, welche Knöpfe er bei seinen Jungs drücken muss, damit sie Top-Leistungen abrufen. Flick aber ausschließlich auf seine Empathiefähigkeit zu reduzieren, wäre vermessen. Der Mann hat einen klaren Plan, eine eigene Philosophie. Die möchte er umgesetzt wissen.

Dennoch: Der größere Taktik-Fuchs ist Tuchel, rein auf der technischen Ebene. Diese ist aber nur ein Teilaspekt des großen Ganzen. Flick hat es geschafft, dass seine Spieler für ihn durchs Feuer gehen würden, er ist der Fuchs mit mehr Fingerspitzengefühl.

Benjamin Quarez: Hansi Flick und Thomas Tuchel sind sehr unterschiedliche Trainer. Flick setzt auf Kontinuität und doktert nur wenig an seiner Stamm-Mannschaft herum. Zudem hat er einen klaren Spielplan, den er durchsetzt. Er verändert sein System nicht.

Tuchel hingegen tüftelt Spiel für Spiel, nimmt personelle, aber auch taktische Veränderungen vor. An einem Tag entscheidet er sich für ein 4-4-2-System, an einem anderen setzt er auf ein 3-5-2 oder ein 4-3-3.

Tuchel ist ein absoluter Taktik-Freak, während Flick ein großer Anführer ist. Er weiß, wie er seine Spieler für seine Idee begeistern kann.

Erster CL-Sieg der PSG-Geschichte oder Bayern-Triple?

Jan Platte: Bayern ist für mich der Favorit auf den Henkelpott. Sie sind noch etwas besser besetzt als PSG, viele sind aktuell in Top-Form und dazu verfügt der Kader über mehr Final-Erfahrung - ich tippe auf ein 3:1 der Münchner.

Dennis Melzer: Ich sage: Die Bayern machen es! PSG hat gegen Leipzig zwar gezeigt, zu was die Mannschaft imstande ist, wenn man sie lässt, jedoch gegen Atalanta auch durchblicken lassen, was passiert, wenn man sie lange nicht lässt. Die Münchner werden sie nicht lassen.

3:1 für den FCB, zweites Triple der Vereinsgeschichte, keine Feierlichkeiten am Marienplatz. Die Krönung einer irren Saison!

Benjamin Quarez: Es wird schwierig, aber PSG hat alle Chancen auf den Titel. Sie sind in dieser Saison zu einer Einheit zusammengewachsen, sie sind Freunde. Die Jungs sind unglaublich glücklich, dass sie hier in Lissabon sein dürfen. Und das merkt man deutlich.

Neymar ist in bestechender Form, auf einem neuen Level angekommen. Sollte er im Finale ein Tor erzielen und Paris die Champions League gewinnen, dann wird er der unangefochtene Held dieses Vereins sein. Das ist Neymars Mission - und er ist sowas von bereit!