Per Mertesacker über ...
... die beiden besten Teams im Finale:
"Das muss man ganz klar so sagen. Aufgrund der neu gewonnenen Stärke der Bayern in dieser Saison, auch mit der Qualität, die sie in diesem neuen Turniermodus gebracht haben. Auch wie Paris mit Rückschlägen umgegangen ist, besonders gegen Atalanta, das war schon beeindruckend. Und jetzt die klaren Siege in den Halbfinals. Es sind die beiden Mannschaften, die am meisten beeindruckt haben."
... die hochstehenden Bayern als Vorbild für die Konkurrenz:
"Nur bedingt. Bayern hat eine unglaubliche Geschwindigkeit in der letzten Reihe. Ohne diese kannst du das natürlich nicht spielen. Das als Revolution darzustellen, ist schwierig. Andere Mannschaften fühlen sich so hochstehend überhaupt nicht wohl und brauchen mehr Absicherung. Die Bayern fühlen sich relativ wohl, aber wenn es mal schiefgeht und man ein, zwei Gegentore kassiert, wird man auch als Spieler direkt ein bisschen nervös und geht automatisch drei, vier Schritte zurück. Wenn man Mbappe sieht, Neymar, Di Maria: Das sind alles schnelle Spieler mit schneller Umschaltbewegung, die eher hinter die Ketten gehen und auch präzise Bälle aus dem Mittelfeld spielen können. Deshalb denke ich, dass Bayern am Sonntag ein bisschen konservativer an die Sache herangehen wird."
... Bayerns riskantes Spiel in der Defensive:
"Fehler wie gegen Lyon werden in einem Finale auch schnell bestraft. Deswegen muss sich Bayern genau überlegen: Wie gehen wir damit um? Ob über links gegen Kimmich oder durch die Mitte: Mbappe ist brandgefährlich und kann bei einem solchen Konter mehrere Meter zwischen sich und den Gegner bringen - dann hat er mehr Zeit, sich auf den Abschluss zu konzentrieren. Bei Memphis Depay waren Jerome Boateng und David Alaba direkt dran. Wenn Mbappe einmal antritt, sind zwei, drei Meter dazwischen. Dann kann er sich Manuel Neuer quasi "zurechtlegen". Die Bayern müssen vorsichtig sein und die richtige Abstimmung zwischen hoher Linie, mutigem Spiel und der richtigen Absicherung finden."
... Hansi Flicks Ansagen an die Abwehr:
"Er sagt schon, dass die Innenverteidiger schnell rausschieben und die ganze Kette schnell hochschieben soll. Wichtig ist natürlich der Druck auf den Ball, und als Bayern gegen Lyon den Ball schnell verloren hat, war kein Druck da - da muss man vielleicht den einen oder anderen Meter zurückweichen. Wenn Druck auf dem Ball ist, ist eine hohe Linie kein Problem. Ohne Druck wird es schwierig. Die Pariser sind unbedrängt gut genug, den Ball hinter die Kette zu spielen - das hätte ich wahrscheinlich auch noch hinbekommen."
... Flicks Ansprachen an das Team:
"Ihm wird wichtig sein, dass er die Taktik schon einen Tag vorher geklärt und das Spiel und die eigenen Fehler analysiert hat. Am Sonntag wird es darum gehen, die Mannschaft mitzunehmen und zu sensibilisieren auf dieses große Spiel. Hansi Flick wird sich von Jogi Löws Reden in der Nationalmannschaft einiges abgeguckt haben: Wir haben uns von Löw immer sehr abgeholt gefühlt und waren immer motiviert und auf den Punkt fit, um Topleistungen zu bringen. Aber er wird seinen eigenen Stil entwickeln."
... Hansi Flick als Persönlichkeit:
"Man weiß, dass Hansi ein ruhiger Genosse ist, der seine Punkte aber auch klar rüberbringen möchte. Trotzdem ist er jemand, dem man sehr gut zuhören und dem man sehr gut folgen kann. Ich habe ihn in einer direkten Ansprache als Cheftrainer nicht erlebt. Trotzdem kann ich mir vorstellen, dass es den Jungs guttut, einen ruhigen, entspannten Trainer zu haben. Er wird der Mannschaft am Spieltag Raum geben: Es gibt genug Führungsspieler in der Mannschaft, die vorangehen und den Ton vor dem Spiel hochfahren werden."
... die Bayern in den nächsten Jahren:
"Die Mannschaft nimmt eine tolle Entwicklung. Neuverpflichtungen wie Leroy Sane zeigen, dass man eine neue Generation herausbringen möchte, die über fünf, sechs, sieben Jahre an der Spitze spielen kann. Man sieht, dass einzelne Spieler den Unterschied ausmachen, auch schon in relativ jungen Jahren. Bayern hat den Umbruch eingeleitet: Spieler wie Arjen Robben und Franck Ribery haben den Verein über zehn Jahre geprägt, nun kommt eine neue Generation, die jetzt schon auf sich aufmerksam gemacht hat. Das Potenzial ist da, um erfahrene Kräfte wie Neuer und Müller in den nächsten Jahren zu ersetzen - aber auch da weiß man nicht wirklich, wann es zu Ende ist, weil sie noch immer klare Leistungsträger sind. Deshalb wird man in den nächsten zwei Jahren sicherlich kurzfristig noch auf diese Spieler bauen können. Sieht man auf die nächsten fünf Jahre, hat Bayern das absolute Potenzial, in der Spitze mitzuhalten."
... Serge Gnabrys Entwicklung:
"Das habe ich nicht erwartet. Ich habe natürlich die Bilder bei Arsenal vor Augen, wo er schon früh Torschütze und mit 17 einer der vielversprechendsten Spieler war. Aber dann kam eine Zeit mit vielen Verletzungen und wenigen Einsätzen, auch bei West Brom spielte er keine Rolle. Damals standen viele Fragezeichen hinter Serge Gnabry. Dann entschied er sich vor vier Jahren dazu, Olympia mitzuspielen und hat sensationell viel getroffen. Im Auftaktspiel war er nicht einmal gesetzt, am Ende aber Leistungsträger. Dann hat er einen Schritt zurück gemacht und überlegt: Wie stelle ich mich für die Zukunft auf, auch als Persönlichkeit? Was muss ich tun, um ein professioneller Spieler zu sein, um auch immer fit und spielfähig zu sein? Da hat er aus einer schwierigen Zeit extrem viel mitgenommen."
... Leipzigs Niederlage gegen PSG:
"Nachdem Leipzig gegen die hochgelobte Defensivreihe Atleticos durchgebrochen ist, dachte auch ich, dass es eine Chance gibt - aber nur, wenn man nicht signifikante Fehler macht. Leipzig hat eine ganz tolle Champions-League-Saison gespielt, wurde aber von PSG auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Es war keine Topleistung von PSG, aber die Standardsituationen waren extrem gut ausgespielt, dazu wurden kleine Schwächen und Abstimmungsprobleme der Leipziger ausgenutzt. Wenn du im Spielaufbau Fehler machst, ist Paris in der Bewegung nach vorn unfassbar schnell und eiskalt. Der einzige, der nicht eiskalt ist im Moment, ist Neymar. Er hat in der Champions League die eine oder andere Chance versiebt. Das 3:0 war überraschend hoch, aber aufgrund der Anzahl der Leipziger Fehler verdient."
... die Entwicklung von PSG:
"Thomas Tuchel hat unglaublichen Anteil daran, aber er musste sich erstmal finden. Er hat versucht, seine taktischen und menschlichen Elemente reinzubringen, mit Superstars und extravaganten Charakteren wie Di Maria, Mbappe und Neymar. Ich glaube, er hat gespürt, dass er in der taktischen Ausrichtung mit Viererkette und zwei fast klaren Sechsern die drei Freigeister am besten absichern kann. Mit Marquinhos hat er einen Innenverteidiger zum Sechser gemacht, der einen unglaublich stabilen Eindruck macht. Er ist einer der wichtigsten Spieler, er hat nicht nur das Tor gemacht, sondern fächert für die Vorderleute alles weg. Mit dem Halbfinaleinzug kam auch unglaublich viel Erleichterung dazu. Jetzt hat PSG die Chance, die beste Mannschaft Europas herauszufordern."
... Bayerns Abwehrformation:
"Kimmich oder Pavard, das wird schon spannend. Man kann spekulieren, was das Trainerteam macht: Muss es Veränderungen geben? Kann Jerome Boateng spielen? Da gibt es ein paar Fragezeichen. Bei Paris wird es sowieso schwierig, denn Neymar, Mbappe und Di Maria können jederzeit die Positionen tauschen. Und sie sind bessere Individualisten als Lyon. Trotzdem denke ich, dass Bayern in der Lage ist, sich auf alle Gegner gut einzustellen. Deshalb bin ich ein bisschen pro Bayern und pro Deutschland."
... einen Favoriten im Endspiel:
"Ich glaube, dass Bayern aufgrund der klaren Siege gegen Barcelona und Lyon Favorit ist. Es wird aber interessant zu sehen sein: Was machen beide Mannschaften aus den letzten beiden Spielen? Wo sind die Schwächen, wo können wir den Gegner packen? Die Mannschaft, die das unter diesem Druck im Finale besser umsetzt, wird gewinnen. Es ist wichtig, kleine Veränderungen vorzunehmen. Wer darauf schneller reagiert, wird als Sieger vom Platz gehen."