Karl-Heinz Rummenigge bringen auch vermeintlich unangenehme Entscheidungen nicht so leicht aus der Fassung. Der Vorstandschef des FC Bayern sah schon so einige Trainer kommen und gehen, und mal war er eben mehr, mal weniger begeistert davon, ein neues Kapitel aufzuschlagen. So läuft es nun einmal, das Geschäft. Nicht einmal die Abschiede von Jupp Heynckes oder Pep Guardiola übermannten ihn.

In der Nacht vom 27. auf den 28. September 2017 aber war irgendwie alles anders. Die Bayern hatten gerade 0:3 gegen Paris Saint-Germain verloren (Hier geht's zur SPOX-Analyse von damals ). Und nach stundenlangen Diskussionen mit dem damaligen Präsidenten Uli Hoeneß sah sich Rummenigge gezwungen, eine Entscheidung zu treffen, die ihn mitnahm: Er zeigte dem damaligen Chefoach Carlo Ancelotti die Tür.

"Die Ergebnisse waren nicht so, wie der Verein sie erwartet hatte. Deshalb mussten wir Carlo entlassen", erinnerte sich Rummenigge Jahre später in einem Interview mit der Gazzetta dello Sport zurück. Als er dem Italiener den Entschluss mitgeteilt habe, sei dieser aufgestanden, habe ihn in den Arm genommen und gesagt: "Alles klar! Du bist nicht mehr mein Chef, bleibst aber mein Freund."

Daraufhin brach Rummenigge in Tränen aus. "Ich hatte nicht mit dieser Reaktion gerechnet", verriet er. Ancelotti sei ihm in seinen knapp eineinhalb Jahren an der Isar "sehr ans Herz gewachsen".

© imago images/Poolfoto

Hoeneß über PSG-Schmach: "Wenige Spiele, die so schlecht waren"

Daher hätte er ihm vermutlich sogar noch eine Chance gegeben, das Ruder herumzureißen. Die treibende Kraft hinter dem Aus war aber sein damals aus dem Gefängnis zurückgekehrter Partner Hoeneß, der seine Wut ob des weniger Bayern-würdigen Zustandes der Mannschaft nicht verbergen konnte. "Es gab wenige Spiele von uns, die so schlecht waren wie dieses", sollte der Patron des FCB später sagen.

Sportlich, und das war auch schon vor "Bayerns schlimmstem Abend" ( L'Equipe ) so gewesen, bewegte sich die Mannschaft zu jener Zeit gefährlich nah am europäischen Mittelmaß. Sie wirkte ausgelaugt, was einerseits den angeblich zu laschen Trainingsmethoden von Ancelotti und dessen Fitnesscoach Giovanni Mauri, unter den Spielern "Fitnessraucher" genannt, lag. Sie bot zudem auch spielerisch kaum Lösungen, hatte keine Balance. Für die Pariser Stürmer um Neymar und Kylian Mbappe war es geradezu ein Kinderspiel, sich durch die löchrigen Ketten der Gäste zu tanzen.

Mehr als der Offenbarungseid während der 90 Minuten trugen aber die Geschehnisse vor dem Anpfiff zur Entlassung von Ancelotti bei. Er verbannte mit Mats Hummels, Jerome Boateng, Arjen Robben, Franck Ribery und Kingsley Coman gleich fünf prominente Spieler auf die Ersatzbank, was schon in der Kabine zu einigen Wortgefechten führte. "Carlo hat auf einen Schlag fünf Spieler gegen sich aufgebracht", berichtete Hoeneß hinterher. "Ich habe in meinem Leben einen Spruch kennengelernt: Der Feind in deinem Bett ist der gefährlichste. Deswegen mussten wir handeln. Carlo hätte das nicht durchgehalten."

"Die Nacht von Paris" ist vergessen: "Alle beim FC Bayern schweben wieder"

Als Nachfolger beförderten die verzweifelten Bosse zunächst Ancelottis Co-Trainer Willy Sagnol. Nach einer Länderspielpause im Oktober nutzte Hoeneß jedoch die Zeit dazu, seinen alten Kumpanen Heynckes zu einem "Freundschaftsdienst" zu überreden. Die Rückkehr des Triple-Helden von 2013 wurde von vielen Seiten kritisch beäugt, der unter Ancelotti schon stockende Umbruch schien fürs Erste dahin.

Doch die Mannschaft rehabilitierte sich unter der Regie von Heynckes und gewann am Ende der Saison sogar noch die Meisterschaft. Obendrein gelang es dem Klub mithilfe des damals noch sehr kritisch beäugten Sportdirektors Hasan Salihamidzic, zukunftsweisende Verpflichtungen wie die von Leon Goretzka oder Serge Gnabry zu tätigen.

"Die Nacht von Paris", das Ende von Ancelotti, habe den Klub "aufwachsen lassen", betonte Hoeneß später. "Wir befinden uns in einem Glückszustand. Alle beim FC Bayern schweben wieder." Auch Rummenigge, der die Entlassung seines italienischen Freundes bis heute als "persönlich schwierig, aber notwendig" bezeichnet. Klar ist: Am Sonntag erwartet PSG ein ganz anderer FC Bayern als im September 2017.