Michael Feichtenbeiner sitzt in Shah Alam in der Nähe der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur, nicht weit vom Meer entfernt und erinnert sich an den Berliner Teenager Lazar Samardzic. Es sind schöne Erinnerungen, sehr schöne. "Mit Laki hat es in den drei Jahren wirklich viel Spaß gemacht", sagt der 60-jährige Schwabe am Telefon zu SPOX und Goal und so, wie er es sagt, glaubt man es ihm auch gerne.

Seit Anfang des Jahres arbeitet Feichtenbeiner als Technischer Direktor des malaysischen Erstligisten FA Selangor, zuvor war er jahrelang als Junioren-Nationaltrainer für den DFB tätig. Von der U15 bis zur U17 trainierte er den heute 18-jährigen Samardzic von Hertha BSC, der ein sogenanntes Super-Talent sein soll.

Das findet Feichtenbeiner, das finden alle, die ihn regelmäßig spielen sehen, und das schreien etliche Videoschnipsel, die da so durchs Internet geistern: Da sieht man etwa den 15-jährigen Samardzic in der B-Jugend fast schon lächerlich leichtfüßig einen Gegenspieler nach dem anderen austricksen und den Ball schließlich ins Tor schieben; oder den 17-jährigen Samardzic für Herthas Regionalliga-Reserve den Ball aus der eigenen Hälfte nonchalant im Tor versenken.

Michael Feichtenbeiner: "Laki ist ein Straßenfußballer"

"Laki ist ein Straßenfußballer, der mit seiner Spielfreude einfach Spaß macht", sagt Feichtenbeiner. Ein "klassischer Zehner" sei er, könne aber auch auf der Acht oder als hängende Spitze spielen. Feichtenbeiner schwärmt von Samardzics feinem linken Fuß und seiner technischen Finesse, von seinen außergewöhnlichen Standards, seinen gefährlichen Distanzschüssen und seiner super Spielübersicht.

32 Minuten lang durfte er in der vergangenen Bundesligasaison all diese Fähigkeiten sogar für die Profimannschaft der Hertha zeigen, nachdem er zuvor fast elf Jahre lang die vereinseigene Akademie durchlaufen hatte. Mit sieben war Samardzic einst vom BSV Grün-Weiß Neukölln zur Hertha gewechselt, seitdem gilt er als herausragender Spieler seiner Altersklasse.

Twitter

Lazar Samardzic: verschmitztes Lächeln, verschmitzte Tore

Feichtenbeiner nominierte Samardzic in der U15 erstmals für Nationalmannschafts-Lehrgänge. "Damals war er noch ein bisschen zurückhaltend und ehrfürchtig, aber trotzdem hat man bei ihm immer auch ein verschmitztes Lächeln gesehen", erinnert sich sein ehemaliger Trainer. "Je vertrauter wir miteinander wurden, desto mehr war er zum Scherzen aufgelegt. Laki ist ein angenehmer, positiver, teamfähiger Kerl, der mit seiner lockeren Art einer Mannschaft guttut."

Sein Debüt im Nationaltrikot feierte Samardzic im September 2017 für die U16, fortan war er absoluter Leistungsträger. Mit der U17 nahm er im Sommer 2019 an der Europameisterschaft teil - und chippte einen Elfmeter gegen Österreich in Panenka-Manier ins Tor. Ein Tor, verschmitzt wie sein Lächeln. "Diese Aktion beschreibt seine Art, Fußball zu spielen perfekt", sagt Feichtenbeiner. "Er ist mental stark und traut sich, in besonderen Momenten Verantwortung zu übernehmen. Es ist gut, wenn Spieler in diesem Alter schon so einen Mut haben."

Lazar Samardzics irre Statistiken für die Hertha-Jugend

Samardzic hat im Laufe seiner Karriere die Erfahrung gemacht, dass sich Mut lohnt: Er probiert verrückte Sachen, ihm gelingen verrückte Sachen. Das Resultat sind beeindruckende Videoschnipsel und sagenhafte Statistiken gleichermaßen: In zwei Jahren B-Jugend-Bundesliga gelangen ihm in 40 Spielen 40 Tore und dazu 14 Assists, in der vergangenen Saison waren es in der A-Jugend-Bundesliga in 16 Spielen 14 Tore und neun Assists.

Kurz nachdem Samardzic im vergangenen September die Fritz-Walter-Medaille in Bronze verliehen bekommen hatte, debütierte er für die Reservemannschaft der Hertha in der Regionalliga, im Februar berief ihn der damalige Trainer Alexander Nouri erstmals in den Profikader. "Er ist ein total spannender Spieler, der sehr viel Fantasie in uns weckt. Ein toller Service-Spieler, der mich mit seiner guten räumlichen Wahrnehmung und seinem peripheren Sehen ein Stück weit an Max Kruse erinnert", sagte Nouri damals. Regelmäßige Vergleiche gibt es auch mit Bayer Leverkusens Kai Havertz.

© imago images / Poolfoto

Herthas Lazar Samardzic wird europaweit umworben

Sein Profidebüt feierte Samardzic schließlich unter Nouris Nachfolger Bruno Labbadia, im Mai beim Derby gegen Union Berlin. Es folgte ein weiterer Einsatz gegen Borussia Dortmund - und eine Ein- und Auswechslung gegen Eintracht Frankfurt. "Man muss auch nach hinten arbeiten, da muss er noch besser werden", tadelte Labbadia anschließend.

Die mangelhafte Defensivarbeit begleitet Samardzic durch seine Karriere genau wie die spektakuläre Offensivarbeit. "In all den Jugendjahren hatte er extrem viele Freiheiten, doch diese Freiheiten kriegt er im Seniorenfußball nicht", sagt Feichtenbeiner. Während seiner dreijährigen Arbeit mit Samardzic beobachtete er bereits Fortschritte, aber: "Da muss er noch zulegen."

Bei welchem Klub Samardzic das Zulegen künftig angeht, erscheint aktuell jedoch völlig offen. Er steht bei der Hertha zwar noch bis 2022 unter Vertrag, wird aber europaweit umworben und soll auf einen Wechsel drängen. Angeblich haben sich die Hertha-Verantwortlichen schon mit einem bevorstehenden Abgang abgefunden.

Seit dem Trainingsauftakt vor fast drei Wochen fehlt Samardzic jedenfalls in Berlin, weil er angeblich für Verhandlungen im Ausland weilt. Malaysia und Feichtenbeiners FA Selangor werden es wohl kaum gewesen sein, an Samardzic sollen durchaus berühmtere Klubs interessiert sein. Unter anderem: der FC Barcelona, Atletico Madrid, Benfica Lissabon, der AC Mailand, Juventus Turin, Manchester City und der FC Chelsea.

Lazar Samardzics Leistungsdaten in der Saison 2019/20

Wettbewerb Spiele Tore Assists Bundesliga 3 - - Regionalliga Nordost 5 1 1 U19-Bundesliga Nord/Nordost 16 14 9