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Bochum, tief im Westen, verstaubte Sonne, Himmelbett für Tauben. Stadt der Malocher, Ort der ehrlichen, harten Arbeit. Stählerner Pulsschlag, stählernes Antlitz - und neuerdings stählerne Muskeln. Zumindest bei einem Sohn der von Herbert Grönemeyer besungenen "Blume im Revier" zu erkennen: Leon Goretzka.

Der Mittelfeldmann, der das Ruhrgebiet vor rund zwei Jahren verließ, um beim FC Bayern München anzuheuern, präsentierte sich nach der mehrwöchigen Corona-Zwangspause deutlich bepackter. Muskelmann, Hulk oder Biest waren nur einige Beinamen, mit denen Goretzka in der Folge seiner Transformation bedacht wurde.

"Ich hab ihm sofort geschrieben, dass er mir seine Übungen schicken soll, die er macht", scherzt Goretzkas ehemaliger Mitspieler Roman Neustädter im Gespräch mit SPOX und Goal . "Nein, mal ehrlich - er scheint die Pause sinnvoll genutzt zu haben. Man kann nicht einfach für sich festlegen: 'So, ich baue jetzt mal ein paar Kilo Muskelmasse auf'", schiebt Neustädter nach.

"Das habe ich selbst nämlich versucht, als ich der Meinung war, ich bräuchte mehr Muskeln. Allerdings konnte ich mich danach kaum noch bewegen. Leons Training wurde sicherlich genau mit dem Verein abgestimmt." Ob Neustädter, mit dem Goretzka zwischen 2013 und 2016 für Schalke 04 auflief, über den rapiden Muskelaufbau verwundert sei? "Nein, nicht wirklich. Schon auf Schalke hat man gesehen, dass er die körperlichen Anlagen dafür hat."

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Andreas Luthe: "Verwandlung hat einige überrascht"

Torhüter Andreas Luthe, der Goretzka beim VfL Bochum kennenlernte, als dieser noch ganz am Anfang seiner Laufbahn stand, bewertet die Thematik ähnlich: "Die Verwandlung hat sicher einige überrascht. Aber Leon verfügt über sehr gute Voraussetzungen. Sein ganzer Körper hat immer schon total ausgeglichen gewirkt, man hat in jungen Jahren keinen Unterschied zu den gestandenen Profis feststellen können. Das ist im Fußball nicht selbstverständlich."

Goretzka habe außerdem bereits damals mit dem reviertypischen Malocher-Gen aufgewartet. "Er war mit 16 Jahren zum ersten Mal beim Training der ersten Mannschaft und man hatte den Eindruck, er ist schon ewig da", erinnert sich Luthe, der seit diesem Sommer in Diensten Union Berlins steht.

"Sein Arbeitsethos und der unbedingte Wille, voranzukommen, haben ihn dahin gebracht, wo er jetzt ist. Er ist nicht so weit gekommen, weil er im Dribbling jedem Gegner den Ball durch die Nase zieht. Er ist ein Arbeiter, der darüber hinaus noch intelligenter Fußball spielt als die meisten anderen."

Leon Goretzkas bisherige Karrierebilanz

Wettbewerb Einsätze Tore Assists Bundesliga 170 28 28 2. Bundesliga 32 4 5 DFB-Pokal 23 4 7 Champions League inkl. Quali 17 1 1 Europa League 16 3 2

Auch Jan Kirchhoff, für anderthalb Jahre Goretzkas Teamkollege auf Schalke, hebt den Fleiß des Nationalspielers hervor. "Leon war schon immer professionell und hatte stets den Anspruch, sich zu verbessern", sagt der 29-Jährige. "Er wollte immer ein neues Limit erreichen."

Neustädter ergänzt: "Leon kam als junger Spieler aus Bochum und man hat sofort gesehen, dass er unglaubliches Talent hat und dass er alles mitbringt, um ein großer Spieler zu werden. Er war ein reflektierter Junge, der so viel wie möglich dazulernen wollte. Er ist nach dem Training meistens länger geblieben, um an sich zu arbeiten."

Neustädter habe damals bereits geahnt, dass "Schalke für Leon nicht das Ende der Fahnenstange sein würde." Die Vorahnung des früheren russischen Nationalspielers bewahrheitete sich, Gelsenkirchen sollte nicht auf ewig Goretzkas fußballerische Heimat bleiben. Tatsächlich hatte er anscheinend im FC Bayern schon früh seinen Wunschverein ausgemacht.

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Bayern schon früh Goretzkas Traumziel

"Ich kann mich noch an ein Gespräch mit ihm erinnern", sagt Kirchhoff. "Eben weil er so ein großes Talent war, habe ich ihn gefragt, bei welchem Klub er gerne einmal spielen würde. Real, Barca, Chelsea? Er hat schon damals gesagt, dass er gerne eines Tages für Bayern München spielen würde, wenn er sich den Verein aussuchen dürfte." Dies sei Goretzkas klares Ziel gewesen. "Das hat er erreicht und das freut mich sehr."

Dass ein Wechsel von Blau zu Rot nicht nur innerhalb der Münchner Stadtgrenzen geächtet wird, hatte bereits der Transfer von Manuel Neuer zum FCB gezeigt, auch in Goretzkas Fall stieß die Entscheidung bei den Schalker Anhängern auf wenig Gegenliebe. Viele Knappen dürften eine gewisse Genugtuung verspürt haben, als der einstige Liebling in seinem ersten Jahr nicht zum unangefochtenen Stammspieler beim Rekordmeister avancierte.

"Wenn man in München ankommt, ist das natürlich eine andere Hausnummer als auf Schalke oder bei anderen Klubs. Anfangs hatte er auch teilweise mit Verletzungen zu kämpfen.", sagt Neustädter. Erst nachdem Hansi Flick das Zepter von Niko Kovac übernommen hatte, mauserte sich der Bochumer zu einem wichtigen Baustein, besonders seit dem Restart nach der virusbedingten Unterbrechung.

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Kirchhoff: "Leon ist der geborene Box-to-Box-Spieler"

"Er hat zwar mittlerweile ein paar Kilos mehr, aber nicht an Speed und Agilität eingebüßt", sagt Kirchhoff. "Ganz im Gegenteil: Dass er sich noch einmal athletisch verbessert hat, hat ihm sicherlich geholfen. Leon ist der geborene Box-to-Box-Spieler, kann unglaublich große Distanzen in kürzester Zeit abdecken. Er ist energisch im Zweikampf und verbucht viele Balleroberungen."

Goretzkas Spiel sei Kirchhoff zufolge "in den vergangenen Monaten noch einmal gereift". Das macht der gebürtige Frankfurter, der selbst zwischen 2013 und 2016 bei den Bayern unter Vertrag stand, vor allem an Flick und dessen Veränderungen fest. "Man muss sagen, dass sowohl der Trainer- als auch der System-Wechsel vielen Jungs bei Bayern guttut", sagt Kirchhoff.

Leon Goretzkas Chip-Pass auf Gnabry "weltklasse"

Er führt aus: "Das gilt auch für Leon, er fühlt sich in dieser klaren Struktur offensichtlich wohler. Hinter sich hat er entweder Joshua Kimmich oder Thiago als Spielgestalter, er füllt die Rolle des Achters aus. Vor sich hat er noch Thomas Müller auf der Zehn. Das ist eine Konstellation, die herausragend passt. Jeder Spieler wächst an Erfolgserlebnissen und guten Spielen, das ist bei Leon auch sehr auffällig. Man muss sich nur das Tor gegen Barca anschauen, welches er für Serge Gnabry vorgelegt hat. Dieser Chip-Pass war weltkasse."

Nicht nur der von Kirchhoff angesprochene Pass verdiente ebenjenes Prädikat, sondern Goretzkas gesamte Darbietung beim 8:2 über die Katalanen. Der 25-Jährige untermauerte die starken Eindrücke, die er in der jüngeren Vergangenheit hinterlassen hatte, ließ seinen hochdekorierten Kontrahenten keinen Raum zur Entfaltung, stopfte Löcher, zeigte enorme Präsenz und schaltete sich immer wieder ins Offensivspiel der Münchner ein.

"So einen Spielertypen hatte Bayern früher nicht"

"Er ist ein Spieler, der sehr viel Dynamik mitbringt, physisch stark ist und auch vorne in die Tiefe geht", weiß Ex-Kollege Neustädter. "So einen Spielertypen wie ihn hatte Bayern früher nicht. Es ist immer wichtig, verschiedene Spielertypen in der Mannschaft zu haben, die sich ergänzen. Das ist bei den Münchnern aktuell gegeben."

Auch dank Goretzka, der nach der Wiederaufnahme des Spielbetriebs drei Tore sowie fünf Vorlagen beisteuerte. Nur Joshua Kimmich (66) kam seit Mitte Mai auf mehr Balleroberungen als Goretzka (65), kein Bayern-Spieler fing mehr Pässe ab (18), mit einer Zweikampfbilanz von 55,56 Prozent bewegte er sich mannschaftsintern zudem im oberen Drittel. Neustädters Fazit: "Jetzt sieht man, wozu er imstande ist, wenn er über einen längeren Zeitraum fit ist."

Aus Bayern-Sicht hat man sicherlich nichts dagegen, dass das so bleibt. Goretzka wird mit Sicherheit daran arbeiten, den Ist-Zustand mindestens beizubehalten. Na dann: Glück auf!