Nach der Funkposse beim Jubiläums-GP von Silverstone am vergangenen Wochenende und den daraus resultierenden gegenseitigen Schuldzuweisungen zwischen Sebastian Vettel und Ferrari, war Scuderia-Teamchef Mattia Binotto im Anschluss vor allem um eines bemüht: Einigkeit präsentieren.
Bloß keine Spekulationen um einen verfrühten Abgang Vettels beim italienischen Traditionsrennstall aufkommen lassen. "Nein, absolut nicht. Das wäre eine Schande, wenn wir so etwas tun würden", sagte Binotto angesprochen auf eine mögliche vorzeitige Vertragsauflösung der Bild am Sonntag .
"Sebastian ist ein Teil unserer Familie. Unabhängig von den Entscheidungen, die wir für die Zukunft getroffen haben. Wir vertrauen ihm - als Fahrer und als Mensch", war Binotto bemüht, die Wogen zwischen beiden Parteien zu glätten. Vettel sei ein großartiger Fahrer, der immer noch den Speed habe, um Spitzenplätze mitzukämpfen. "Darum würden wir so eine Entscheidung niemals treffen."
Auch nach dem Rennen in Barcelona spielte Binotto die Meinungsverschiedenheiten herunter und betonte gegenüber Sky , dass es "keine Missverständnisse" gebe. "Wir ziehen es vor, (am Funk; Anm. d. Red.) offen zu sprechen. Die Beziehung ist gut, und das Wochenende war ordentlich. Er hatte ein gutes Rennen. Er hat einen Schritt nach vorne gemacht."
Sein Pilot schlug ähnliche Töne an. Zwar sei Vettel mit seinem siebten Platz, immerhin das zweitbeste Saisonergebnis im schwierigen Jahr 2020, "nicht wirklich zufrieden", die Strategie seines Teams, auf dem Circuit de Catalunya, auf nur einen Boxenstopp zu setzen, sei aber die richtige gewesen. "Wir haben viel Risiko genommen, andererseits hatten wir nichts zu verlieren. Die Reifen hätten nicht so lange halten sollen, wie sie gehalten haben. Ich glaube, da haben wir dann gut reagiert", so der Heppenheimer gegenüber Sky .
© GEPA
Sebastian Vettel: "Man muss jetzt nicht darauf rumreiten"
Auf der Strecke hatte sich das zuvor noch anders angehört. Dort schimpfte Vettel über die erneuten Kommunikationsprobleme mit Ingenieur Riccardo Adami. Auf die Frage, wie schnell er mit den frischen Reifen nach dem Boxenstopp fahren solle, bekam Vettel keine Antwort. Als Adami dann einige Umläufe später wissen wollte, ob der Deutsche das Rennen mit diesem Pneus-Satz zu Ende fahren wolle, platzte dem Deutschen der Kragen. "Ah, verdammt, ich habe euch das doch vorhin gefragt", funkte ein verärgerter Vettel zurück. Ein emotionaler Ausbruch, den er später richtigstellte: "Ich war ein bisschen angekratzt. Man muss da jetzt nicht darauf rumreiten."
Ob der Rosenkrieg zwischen Vettel und Ferrari damit ad acta gelegt werden kann, darf bezweifelt werden. Trotzdem: Beide Seiten scheinen sich in internen Gesprächen darauf geeinigt zu haben, sich künftig mehr zurückzuhalten, auch weil keiner an einer Eskalation der Situation interessiert sein kann. Das Team aus Maranello benötigt auf der einen Seite einen zufriedenen und konkurrenzfähigen Vettel, um im Mittelfeld-Kampf gegen Racing Point, McLaren und Renault genügend Punkte einzufahren.
Auf der anderen Seite fährt Vettel um seine Zukunft in der Formel 1. Sich dabei als ständig motzender Arbeitnehmer zu präsentieren, der die Schuld hauptsächlich bei seinem Team sucht, dürfte wenig hilfreich sein - auch unter dem Gesichtspunkt, dass die sportlichen Highlights des Sebastian Vettel im Jahr 2020 bislang äußerst dünn ausfallen.
Für das kommende Rennen in Belgien will Ferrari umfassende Updates im aerodynamischen Bereich liefern. "Wir denken, dass wird ein gutes Paket sein", so Binotto. Vielleicht gibt es für Vettel dann einen Grund mehr, sich ganz auf das Sportliche zu fokussieren.
Formel 1: Die WM-Fahrerwertung nach sechs Rennen
Platz Fahrer Team Punkte 1 Lewis Hamilton Mercedes 132 2 Max Verstappen Red Bull 95 3 Valtteri Bottas Mercedes 89 4 Charles Leclerc Ferrari 45 5 Lance Stroll Racing Point 40 6 Alexander Albon Red Bull 40 7 Lando Norris McLaren 39 8 Sergio Perez Racing Point 32 9 Carlos Sainz McLaren 23 10 Daniel Ricciardo Renault 20 11Sebastian VettelFerrari16