Nach all den Monaten der Ungewissheit wieder Fußball spielen zu können, sei "ein Geschenk", sagte Pep Guardiola nach dem Re-Start in der Premier League im Juni. Ein Hauch Enttäuschung wehte in seinen Aussagen trotzdem mit. "Ohne Zuschauer", meinte er, "wird es einfach nicht dasselbe sein".
Das wurde vor allem am letzten Spieltag deutlich, als sein Team im heimischen Etihad Stadium auf Norwich City traf und er in der 85. Minute David Silva vom Feld nahm. Mit einem vollen Stadion wäre in jenem Moment ohrenbetäubender Applaus ertönt, so erhoben sich aber nur die Ersatzspieler und Manchester Citys Trainerteam von ihren Plätzen, um Silva bei dessen Abschied vom englischen Fußball Tribut zu zollen.
"Das", sagte Guardiola hinterher angefressen, "waren die bescheidensten Standing Ovations aller Zeiten". Er kündigte an, für Silva noch ein würdiges letztes Spiel organisieren zu wollen, wenn die Corona-Krise endgültig vorbei sei. Der "Little Magician", der kleine Magier, wie sie Silva in Manchester nennen, sei schließlich "eine der größten Legenden, die der Verein hervorbrachte".
Guardiola: "Auf engem Raum nie so einen Spieler gesehen"
Das ist gewiss nicht übertrieben, wenn man bedenkt, dass die Citizens im Vergleich zum Stadtrivalen United, dem FC Liverpool oder den Londoner Riesen lange im Mittelmaß des englischen Fußballs versunken waren, ehe Scheich Mansour Bin Zayed Al Nahyan im Jahr 2009 seine Milliardenschatulle öffnete.
Ein Jahr später verpflichtete er Silva für knapp 29 Millionen Euro vom FC Valencia. Eine Investition, die sich auszahlte, denn der Spanier avancierte prompt zum Stammspieler und behauptete sich trotz der stetig wachsenden Konkurrenz im Offensivbereich unter verschiedenen Trainern.
"Wenn er fit ist, spielt David bei mir immer", sagte Manuel Pellegrini einmal. Und dessen Nachfolger Guardiola, der ja schon so einige große Mittelfeldstrategen in seiner Trainerlaufbahn um sich hatte, schwärmte: "Auf engem Raum habe ich noch nie so einen Spieler gesehen wie ihn."
David Silva ist Manchester Citys Rekordspieler
Der Raumbeherrscher mit dem feinen linken Fuß machte sich in Manchester aber auch einen Namen als eifriger Vollprofi. Mit 435 Einsätzen ist er heute nicht grundlos der Rekordspieler der Skyblues. Drei weitere könnten im Idealfall noch bis zum 23. August noch hinzukommen, sollte City nach dem Triumph im Champions-League-Achtelfinale gegen Real Madrid weiter brillieren.
"Der Champions-League-Titel wäre das perfekte Ende, darauf haben wir in all den Jahren so hart hingearbeitet", so Silva. Er, einmal Welt- und zweimal Europameister mit Spanien, ist aber nicht der Typ Fußballer, den in erster Linie Titel antreiben. Die Liebe zum Spiel steht für ihn über allem. Deshalb möchte er nach der Saison auch eine neue Herausforderung annehmen.
Mit seinen 34 Jahren könnte er gewiss noch ein oder zwei weitere Spielzeiten in Manchester verbringen, was Guardiola ihm englischen Medienberichten zufolge auch angeboten haben soll, aber eben nicht mehr als Stammkraft. Das ist nicht in seinem Sinn. Solange er sich fit fühlt, will er auf dem Platz stehen und seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen.
Schon mit 11 hätte Silva zu Real Madrid wechseln können
Das hinderte ihn auch mehrfach daran, zu Real Madrid zu wechseln. Silva, geboren und aufgewachsen auf der kanarischen Insel Gran Canaria, hätte schon als 11-Jähriger die Möglichkeit gehabt, beim größten Verein seines Heimatlandes zu spielen. Nach einem Probetraining in Madrid entschied sich sein Vater dagegen.
"Es wäre zu früh gewesen, das zu machen. Wir sind dann so verblieben, dass ich noch einmal im Jahr darauf vorbeischaue. Aber ich bin dann nicht mehr dorthin geflogen", erzählte Silva in der Dokumentation Made in Gran Canaria , die City zu seinem Abschied produzierte. "Sie haben mich jedes Jahr angerufen, aber ich bin nicht mehr los", fügte er mit Blick auf das Real-Interesse hinzu.
Stattdessen landete er mit 14 in Valencia. Der für seine gute Jugendarbeit bekannte Klub bot seinem Vater einen Job und ihm die Möglichkeit, sich in einem ruhigen Umfeld zu entwickeln. Silva mauserte sich zu einem Supertalent - und bildete nach zwei Leihen in Eibar und Vigo gemeinsam mit David Villa ein furchterregendes Offensiv-Duo, hinter dem spätestens nach der Saison 2009/10 halb Europa her war.
David Silva im Steckbrief
geboren 8. Januar 1986 in Arguineguin, Gran Canaria, Spanien Größe 1,70 m Gewicht 67 kg Position offensives Mittelfeld starker Fuß links Stationen CD Arguineguin Jugend, FC Valencia Jugend, SD Eibar, Celta Vigo, FC Valencia, Manchester City Profispiele/-tore/-vorlagen (Verein) 635/112/173
Vor seiner Entscheidung, zu City zu wechseln, klopften erneut die Königlichen bei ihm an. Wieder blieb er davon unbeeindruckt, wohl wissend, dass ein Jahr zuvor gerade erst Weltstar Kaka bei Real unterschrieben hatte und er dort nur einer von vielen Spielern für die Offensive gewesen wäre. Valencia selbst, hieß es, weigerte sich zudem, einen direkten Konkurrenten zu stärken. Also planten die Madrilenen um und verpflichteten auf Anraten ihres damals neuen Trainers Jose Mourinho nach der WM in Südafrika den deutschen Newcomer Mesut Özil fürs offensive Mittelfeld.
"Das Projekt City hat mich einfach am meisten gereizt. Ich war sofort ein wichtiger Bestandteil der Mannschaft und hatte auch die Aussicht auf Erfolge", erklärte Silva. Sein Plan ging auf, er gewann als Stammspieler insgesamt 13 Titel mit den Citizens, darunter vier Meisterschaften.
Valencia-Rückkehr ausgeschlossen: Geht Silva nach Rom?
Jetzt, im Herbst seiner Karriere, geht es ihm vorrangig aber nur noch ums Spielen. Wo er das in Zukunft tun wird, ist noch nicht sicher. Es ranken sich Gerüchte um einen Wechsel zu Lazio Rom nach Italien, auch mit Vereinen aus Übersee-Ligen soll Silva zuletzt intensive Gespräche geführt haben. Da seine Mutter japanischer Herkunft ist, gilt auch Asien als Option. Ausgeschlossen, so viel ist sicher, ist nur eine Rückkehr nach Spanien.
"Ich persönlich hätte mir ja eine zweite Etappe bei Valencia gewünscht", verriet sein Vater Fernando dem Radiosender Onda Cero . Silva aber wolle "eine neue Liga und ein neues Land kennen lernen".