Seine Freunde, die er aus der niederländischen Nationalmannschaft schon seit Jahren kannte, sie warnten ihn. Sie erkannten, dass Wesley Sneijder so nicht weiter machen konnte, dass er auf die schiefe Bahn geraten war. "Ruud van Nistelrooy wies mich darauf hin, Arjen Robben wies mich darauf hin. Sie redeten auf mich ein, sagten mir, dass ich meine Disziplin wahren müsse. Sie sagten, es würde nicht mehr lange gut gehen, wenn ich so weiter mache", schreibt der frühere Weltklasse-Mittelfeldspieler in seiner kürzlich erschienen Autobiografie.

Ein Jahr nach van Nistelrooy und zur gleichen Zeit wie Robben wechselte Sneijder im Sommer 2007 von Ajax Amsterdam zu Real Madrid. Er war 23, kostete für damalige Verhältnisse durchaus stolze 27 Millionen Euro. Die Welt, sie schien ihm zu Füßen liegen. Und Sneijder kostete es aus.

"Ich war jung, ich genoss den Erfolg und all die Aufmerksamkeit", sagt er heute. "Ich war mir nicht bewusst, dass mein Wechsel zu Real auch einen Wechsel ins Nachtleben von Madrid bedeutete. Ich wurde da hinein gesogen."

Wesley Sneijder: Spektakulärer Start bei Real Madrid

Dass die ersten Wochen bei den Königlichen so spektakulär liefen, bekräftigte ihn vermutlich noch zusätzlich in dem Gefühl, über den Dingen zu schweben. Am ersten Spieltag der Saison 2007/08, als er mit van Nistelrooy, Raul und Robinho Reals Glanz-Offensive bildete, gelang dem Neuen aus Holland gleich das 2:1-Siegtor im Derby gegen Atletico. Am zweiten Spieltag schnürte Sneijder beim 5:0 in Villarreal einen Doppelpack und lieferte einen Assist, auch beim 3:1 gegen Almeria am dritten Spieltag traf er.

Gefeiert wurden die schnellen Erfolge ausgiebig. Drogen habe er zwar nicht zu sich genommen, "aber ich trank viel Alkohol", gesteht Sneijder. "Ich hatte einen Rock'n-Roll-Lebensstil als einer der Stars von Real Madrid. Ich konnte machen, was ich wollte. Selbst wenn ich vollkommen betrunken war, fuhr ich durch die Straßen und gab überall, wo ich war, tausende von Euros für Getränke aus."

Sportlich ging es nach den furiosen ersten Wochen indes bergab. Natürlich auch, weil das Leben als Fußballprofi nicht mit ständigen Feier- und Alkoholexzessen vereinbar ist. "Körperlich habe ich es zunächst nicht bemerkt. Ich stand am nächsten Tag auf, als wäre nichts passiert", erzählt Sneijder. "Aber mit der Zeit wurde ich im Training immer schlechter und unkonzentrierter. Ich belog mich selbst und sagte, dass alles gut lief."

Wesley Sneijder: "Ich ließ die Leute mich wie einen Star behandeln"

Zwar konnte er durch seine überragende Technik, durch seine Spielintelligenz einiges wieder wettmachen und die schlechte Physis mitunter kaschieren. Doch dass er immer weniger lief, immer weniger bereit war, seine Leistung abzurufen, machte ihm mehr und mehr zu schaffen.

In Sneijders zweiter Saison erschwerten Verletzungsprobleme die Lage zusätzlich, immer häufiger fand er sich nun auf der Bank wieder oder stand gar nicht erst im Kader. Lediglich zwei Tore und drei Vorlagen gelangen dem Niederländer in der Spielzeit 2008/09 in 28 Einsätzen. Party machen war trotzdem weiterhin angesagt, irgendein Teamkollege fand sich immer, mit dem er die Nacht zum Tag machen konnte. "Meistens war das Guti", erzählt der heute 36-Jährige, der nach seinem Karriereende im Sommer 2019 aktuell an einem Comeback für den FC Utrecht arbeitet.

"Ich war schwach und überhaupt nicht standhaft. Ich ließ die Leute mich wie einen Star behandeln", sagt er. Und was für ihn im Nachhinein am schlimmsten wiegt: "Ich habe nicht realisiert, dass die Wodkaflasche mein bester Freund geworden war."

"Ich machte Party mit falschen Freunden, Frauen und Alkohol"

Die Ehe mit seiner ersten Frau, Ramona Streekstra, zerbrach an der wilden Zeit in Madrid, 2009 erfolgte die Scheidung. Sie nahm ihren gemeinsamen Sohn Jessey mit, den Sneijder fortan nur noch selten sah. "Ich machte häufig Party mit vielen falschen Freunden, mit Frauen und Alkohol", sagt er reumütig. "Alles lief in schrecklicher Art und Weise aus dem Ruder."

Die Zeit bei Real endete 2009 nach zwei Jahren, die Blancos verkauften Sneijder für 15 Millionen Euro an Inter Mailand. Sportlich ein absoluter Glücksfall für den Edeltechniker mit dem gefürchteten Distanzschuss. Denn nur knapp ein Jahr nach dem bitteren Aus bei Real gewann er mit Inter bekanntlich unter Jose Mourinho das Triple aus italienischer Meisterschaft, Pokal und Champions League, führte Holland dann bei der WM 2010 bis ins Finale und wurde beim Ballon d'Or auf Platz vier gewählt.

Sneijder bewies, dass er einer der besten Spieler der Welt sein konnte. Bei Real hatte er dieses Potenzial aber kaum einmal abrufen können - vor allem, weil er dem Nachtleben Madrids ein bisschen zu sehr zugewandt war.