2020 wird in vielerlei Hinsicht kein normales Jahr für die NFL. Jegliche Offseason-Aktivitäten der Teams fanden bislang exklusiv virtuell statt und auf den Trainingsplatz werden die Spieler auch erst in ein paar Wochen zurückkehren. Bis dahin stehen individuelle Workouts an, um die Fitness langsam mit Blick auf den Saisonstart im September zu steigern.

Entsprechend offen sind daher auch noch die internen Positionskämpfe bei manch einem Team. In normalen Jahren gäbe es zum Start des Camps schon eine erste Tendenz, welche Spieler sich an die Spitze der Depth Charts setzen werden, doch ohne Mini-Camps fällt eine solche Einschätzung ziemlich schwer. Da zudem auch die Preseason in diesem Jahr nicht stattfinden wird, bekommt das Training Camp eine umso größere Bedeutung für die Formung der Team-internen Hackordnungen.

NFL Training Camp Battles 2020

Chicago Bears: Quarterbacks Nick Foles vs. Mitchell Trubisky

Mitchell Trubisky geht in sein viertes und finales Vertragsjahr in der Windy City. Die Bears haben die Fifth-Year Option seines Rookie-Deals nicht gezogen und setzen ihn damit gehörig unter Druck. Nach einer durchwachsenen Rookie-Saison und einer klaren Steigerung im zweiten Jahr ging die Leistungskurve des einstigen zweiten Picks insgesamt im Draft 2017 wieder gen Süden.

Die Entwicklung ging also nicht ihren gewünschten Gang, sodass sie in Chicago nun offenbar bereit sind, die Reißleine zu ziehen und das Experiment Trubisky zu beenden. Ganz abschreiben wollen sie ihn aber noch nicht. Offiziell ist von einem offenen Wettbewerb die Rede.

In selbigen wird nun auch Nick Foles eingreifen, der für einen ordentlichen Preis (Viertrundenpick) aus Jacksonville losgeeist wurde und dem bis zum Ende seines restrukturierten Vertrags 2022 noch 17 Millionen Dollar garantiert sind. Viel Geld für einen Backup.

Nun kommt Nick Foles aber auch nicht mit einer exzellenten Vita daher, sodass auch dessen Ernennung zum Starter nicht in Stein gemeißelt sein dürfte. Für ihn spricht aber trotz der nicht vorhandenen Mini-Camps, dass er seine Coaches und damit das grundsätzliche Offensivsystem bereits bestens aus seiner Zeit bei den Eagles (Offensive Coordinator Bill Lazor) respektive Chiefs (Head Coach Matt Nagy) kennt.

Und Trubisky? Für ihn spricht, dass er das System und seine Mitspieler aus den vergangenen paar Jahren bereits bestens kennt. Beide verbindet, dass sie 2019 alles andere als überzeugend spielten. Trubisky machte Rückschritte in nahezu allen Bereichen, während Foles vor und nach seiner Schlüsselbeinverletzung nicht wirklich in Schwung kam und schließlich seinen Starter-Job an Rookie Gardner Minshew verlor.

Basierend darauf steht den Bears also tatsächlich ein sportlich offener Wettbewerb ins Haus. Einer, der sich vielleicht auch bis in die Saison hineinziehen könnte, zumal es keine Preseason für die Simulation des Ernstfalls geben wird. Ursprünglich war geplant, dass ultimativ beide Preseason-Snaps mit den Startern spielen sollen, gewissermaßen als Höhepunkt des Duells. Gibt es jetzt die Entscheidung im Camp? Oder doch nochmal einen Wechsel früh in der Regular Season?

Denver Broncos: Running Backs Phillip Lindsay vs. Melvin Gordon

Stellte man sich in den vergangenen Jahren die Frage nach den Schwachstellen der Denver Broncos, rückte das Run Game nicht direkt in den Fokus. Mit Phillip Lindsay und Royce Freeman waren ohnehin gute Leute im Backfield beschäftigt, die zu überzeugen wussten als Komplementär-Waffen eines in der kommenden Saison stark verbesserten Passspiels.

Umso überraschender war es daher, dass die Broncos mit Melvin Gordon einen noch dazu teuren Running Back (13,5 Millionen garantiert über zwei Jahre) unter Vertrag nahmen.

Gordon ist zweifelsohne ein Top-Runner, doch wie Lindsay auch ist er kaum ein Faktor im Passspiel, weshalb ihn die Chargers auch ohne weiteres ziehen ließen und stattdessen lieber den Vertrag von Austin Ekeler, einer der aktuell besten Receiver aus dem Backfield ligaweit, verlängerten.

In Denver streiten sich nun also im Grunde zwei sehr ähnliche Running Backs um den Starter-Job neben Quarterback Drew Lock im Backfield. In einem System, das wohl sehr viel passlastiger als bislang daherkommen wird.

Für Gordon spricht, dass er viel Geld kostet und damit nicht unbedingt auf der Bank sitzen sollte. Für Lindsay, der in seinem finalen Vertragsjahr gerade mal 750.000 Dollar verdient und anschließend Restricted Free Agent wird, spricht die bessere Vorsaison. Lindsay war laut Football Outsiders in den Metriken DYAR (94, Platz 16) und DVOA (1,9 Prozent, Platz 17) jeweils klar besser als Gordon (DYAR: 8, Platz 32 / DVOA: -7,5 Prozent, Platz 33) und damit deutlich effizienter.

Gordon streikte zunächst und war später angeschlagen, doch kam er am Ende noch auf zwölf Einsätze im Vorjahr. Letztlich muss man wohl konstatieren, dass eigentlich beide nicht unbedingt die ideale Besetzung für eine passlastige Offensive sind, Lindsay in diesem Team und diesem System aber bislang schon durchaus einen gewissen Wert nachgewiesen hat. Gordon dagegen kommt neu dazu und muss sich erstmal einfinden.

Green Bay Packers: Wide Receiver hinter Davante Adams

Seit längerem schon ist bekannt, dass die Green Bay Packers gewisse Probleme auf Wide Receiver haben. Davante Adams ist die klare Nummer 1 und sicherlich einer der besten Receiver in der NFL. Daran besteht kein Zweifel. Doch dahinter ist die Depth Chart alles andere als klar.

Seit ein paar Jahren bereits versuchen die Packers hier günstige Lösungen zu finden mit späten Draftpicks, Undrafted Free Agents oder Verpflichtungen von Practice Squads der Konkurrenz. Bislang jedoch kristallisierte sich daraus keine klare Hierarchie heraus. Speziell die Positionen 2 und 3 der internen Rangfolge sind nicht klar definiert und damit auch in diesem Training Camp wieder vakant.

Basierend auf den Vorstellungen des Vorjahres zeigte Allen Lazard (118 DYAR, Platz 36 / 14,8 Prozent DVOA, Platz 18) noch die konstantesten Leistungen. Dahinter herrschte schon ein deutlicher Abstand zu Marquez Valdes-Scantling (-13 DYAR, Platz 71 / -15,5 Prozent DVOA, Platz 72). Dahinter rangierte dann Geronimo Allison, der mittlerweile in Detroit spielt.

Im Endeffekt war allerdings wohl ohnehin eher Running Back Aaron Jones die zweitbeste Anspielstation für Aaron Rodgers hinter Adams, was die allgemeine Thematik noch etwas verwässert haben dürfte.

Zu den Genannten gesellen sich im anstehenden Camp Jake Kumerow, Neuzugang Devin Funchess und der zuletzt verletzte Deutsch-Amerikaner Equanimeous St. Brown. Lazard und Valdes-Scantling mögen zwar als Favoriten in diesen Mehrkampf gehen, doch war im von Rodgers früher in der Offseason geäußerten Wunsch nach Verstärkungen im Receiving Corps abzulesen, wie wenig zufrieden der QB mit seinem Personal bislang war. Dass die Packers dies dann komplett ignorierten und keinen einzigen Receiver im Draft zogen, erscheint auch heute noch unbegreiflich.

Das Rennen wird somit weit offen sein und ohne Mini-Camps kann sich auch noch niemand einen Vorsprung erarbeitet haben. Somit bleibt die Depth Chart auf Receiver die größte Baustelle in Green Bay.

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Indianapolis Colts: Running Backs Jonathan Taylor vs. Marlon Mack

Die Colts verblüfften etwas mit ihrer Entscheidung, in der zweiten Draftrunde mit Jonathan Taylor einen Running Back zu ziehen.

Mack spielte eine solide dritte NFL-Saison und bestätigte seine Rolle als Finisher (17 Touchdowns in den vergangenen zwei Jahren). Zudem durchbrach er erstmals in seiner Karriere die 1000-Rushing-Yard-Marke. Im Passspiel dagegen ist er noch nie ein Faktor gewesen und das wird sich voraussichtlich auch nicht ändern.

Mit Taylor kommt nun ein Running Back, der seine Qualitäten ebenso vor allem als Runner hat. In drei Jahren für Wisconsin lief er für über 6000 Yards und erzielte 50 Touchdowns. Doch auch er war nie wirklich ein echter Faktor im Passspiel. Auf dem College sicherlich kein Problem, in der NFL jedoch sehr wohl.

Beide sind sich also recht ähnlich, was die generellen Qualitäten angeht, wenngleich Taylor als der fraglos talentiertere Runner daherkommt. Doch es gibt noch einen anderen, womöglich entscheidenden Unterschied zwischen beiden Spielern.

Während Taylor als Rookie nun vier Jahre günstig unter Vertrag steht, geht Mack schon in sein viertes und finales Vertragsjahr. Insofern scheint es nicht abwegig, dass die Colts letztlich wohl eher Taylor vorne sehen und ihm über die Saison hinweg mehr Touches ermöglichen werden als Mack, der Free Agent wird.

Für Mack spricht natürlich, dass er System und seine O-Line-Kollegen bereits seit geraumer Zeit kennt, doch letzten Endes werden die Colts auch sehen wollen, was sie in Taylor haben. Schließlich werden sie ihn im Camp erstmals überhaupt bei sich in Aktion sehen. Mack dagegen ist bekannt.

Hier sprechen wir also wohl nur kurzfristig über einen echten Positionskampf, mutmaßlich noch bis in die Regular Season hinein. Mittel- und langfristig jedoch dürfte Taylor die Nase vorn haben.

Los Angeles Rams: Malcolm Browns vs. Darrell Henderson vs. Cam Akers

Das Hierarchie im Backfield der Rams wird in der kommenden Saison im offenen Schlagabtausch geregelt. Todd Gsrcey ist weg und seine Nachfolge alles andere als klar.

Aus dem Vorjahr kommen Malcolm Brown und der letztjährige Drittrundenpick Darrell Henderson zurück. Da die Rams aber von keinem der beiden wohl vollends überzeugt waren, legten sie in diesem Jahr nochmal nach: Für einen unverständlich hohen Draftpick (2. Runde) wurde auch noch Cam Akers an die Westküste geholt.

Brown durfte hinter Gsrcey nur gelegentlich ran, während Henderson ganze 39 Carries in 13 Spielen sah. Im Passspiel waren beide kein Faktor und um dies vorwegzunehmen: Das gilt auch für Akers, der ebenfalls eher auf dem Boden seine Qualitäten hat.

Insofern ergibt sich auch hier eine Konstellation, in der drei relativ ähnliche Runner um Carries kämpfen. Die zwei Überbleibsel aus dem Vorjahr haben den Vorteil, das Team und das System zu kennen, während Akers aber gewisse Vorschusslorbeeren mitbringt, schließlich ist ein Zweitrundenpick ein ziemlich hoher Preis für einen Running Back. Sprich: Das Team dürfte zunächst mal von Akers überzeugt sein.

Ob sich diese Überzeugung im Verlauf des Camps aber schon in eine Starter-Rolle ummünzen lässt, ist die große Frage. Für die anderen beiden spricht, dass sie schon länger dabei sind, aber auch noch keine große Abnutzung erfuhren, da sie hinter Gsrcey kaum gefordert waren. Frisch sollten also alle drei in die Saison gehen.

Am meisten Druck hat indes Brown, denn für ihn ist 2020 das finale Vertragsjahr, anschließend wird er Free Agent. Henderson, aus dem College vor allem als Big-Play-Runner bekannt, und Akers, der bei Florida State hinter einer desolaten Line arbeiten musste, dagegen sind noch drei respektive vier Jahre unter Vertrag und haben entsprechend mehr Zeit, sich zu etablieren.

Miami Dolphins: Die Offensive Line

Theoretisch wird auch die Frage spannend, wer denn nun als Starting Quarterback in die Saison geht - Rookie Tua Tagovailoa oder der erfahrene Ryan "Fitzmagic" Fitzpatrick. Doch hier sollte klar sein, dass dieser Job langfristig dem Hawaiianer und kurzfristig bedingt durch die Umstände höchstwahrscheinlich Fitzpatrick gehört.

Für die kommende Saison dagegen steht vor allem eine Positionsgruppe unter besonderer Beobachtung: Die Offensive Line. Sowohl im Run Blocking als auch in der Pass Protection war diese Unit 2019 bodenlos und gehörte zum Schlechtesten, was die NFL zu bieten hatte.

Entsprechend wurde viel Kapital in die Front gesteckt. Klar sein dürfte schon jetzt, dass Neuzugang Ted Karras den Center geben wird. Ebenso wird wohl Ereck Flowers Left Guard und Jesse Davis Right Tackle spielen. Doch Left Tackle und Right Guard sind offene Wettbewerbe.

Auf Right Guard könnte Michael Deiter, der letztjährige Drittrundenpick, starten. Er spielte im Vorjahr noch eher schlecht als recht Left Guard. Mit Robert Hunt wurde allerdings ein verheißungsvolles Projekt in Runde 2 des diesjährigen Drafts gezogen. Er könnte mit einem guten Camp Deiter bereits auf die Bank verdrängen, zumal Letzterer durch das schwache Vorjahr nicht unbedingt mit großem Vorsprung in die Vorbereitung gehen dürfte.

Zudem steht ein Wechsel auf Left Tackle ins Haus: Hier teilten sich im Vorjahr J'Marcus Webb und Julie'n Davenport die Starts auf. Webb ist mittlerweile Free Agent und Davenport muss sich im Camp gegen Erstrundenpick Austin Jackson behaupten. Auch dieser gilt noch als Projekt, bringt aber großes Potenzial mit.

Auf beiden genannten vakanten Positionen gilt somit, dass sich ein Spieler, der noch sehr jung ist und nicht lange in der Liga spielt, mit einen Rookie mit viel Potenzial messen muss. In jedem Fall eine spannende Konstellation.

New England Patriots: Quarterbacks Cam Newton vs. Jarrett Stidham

Lange sah es so aus, als ob Jarrett Stidham tatsächlich als Starter in die erste Saison nach Tom Brady bei den New England Patriots gehen würde. Brian Hoyer wurde zwar ein offener Wettbewerb in Aussicht gestellt, doch wirklich daran geglaubt hat wohl niemand.

Dann allerdings kam Cam Newton für wenig Geld (1,5 Millionen Dollar garantiert) und stellte die Quarterback-Konstellation beim sechsmaligen Super-Bowl-Champion gehörig auf den Kopf.

Geht man rein nach Talent, dürfte nämlich der MVP von 2015 klar die Nase vorn haben im Kader der Patriots. Geht man dagegen nach Erfahrung im System von Offensive Coordinator Josh McDaniels, dann hätte Stidham Vorteile. Und generell dürfte eines unter Head Coach Bill Belichick klar sein: Es spielt der, der am wertvollsten für das Team ist. Nicht der im Zweifel größere Name.

Allerdings spricht das nun weder für den einen noch den anderen, denn beide sind keine QBs wie Tom Brady, also reine Pocket Passer. Beide sind durchaus gut zu Fuß, Newton natürlich nochmal deutlich mehr als Stidham. Und so steht zunächst mal die Frage im Raum, wie denn das System überhaupt aussehen wird in der kommenden Saison. Zu erwarten sind in jedem Fall mehr Varianten wie RPOs oder vielseitige Read Options mit mehr Fokus auf dem Laufspiel.

Doch selbst dann wäre wohl Newton letztlich in der besseren Position, denn wenn man schon mehr auf den Lauf geht - und diese Theorie kursiert spätestens seit der Galavorstellung von Lamar Jackson gegen die Patriots im Vorjahr in Foxboro - dann sollte auch der beste Athlet Quarterback spielen.

Letztlich wird viel auf die Leistungen im Camp ankommen, speziell auch in Sachen Zusammenspiel. Während Newton zuletzt schon Privat-Workouts mit Julian Edelman, N'Keal Harry und Mohamed Sanu abgehalten hat, ist aus der vergangenen Preseason bekannt, dass Stidham eher mit der jüngeren Garde im Einklang ist, etwa mit Jakobi Meyers.

Beachtenswert ist dieses Duell jedoch allemal, denn einen echten Quarterback-Wettbewerb sah man in New England seit 2001 nicht mehr.

Philadelphia Eagles: Wide Receiver

Speed war das Element, das den Eagles im Receiving Corps in der Vorsaison weitestgehend abging. Letztlich brachte dieses Element nur DeSean Jackson mit, der aber nahezu die komplette Saison verletzt verpasst hatte. Entsprechend bemühten sich die Eagles nun darum, genau dieses Defizit zu bekämpfen.

Im Draft kam in Runde 1 Jalen Reagor, der die 40 in 4,47 Sekunden bei der Combine lief. In Runde 5 kam John Hightower (40-Yard-Dash: 4,43 Sekunden). Zudem wurde ein Trade für Marquise Goodwin eingefädelt, der die 40 einst in 4,27 Sekunden lief. Diese drei schnellen Leute gesellen sich nun zu Jackson, Alshon Jeffery und JJ Arcega-Whiteside als aussichtsreichste Kandidaten für Touches in Philly.

Eigentlich scheint die Hierarchie relativ klar, mit Jeffery und Jackson außen und Reagor im Slot. Doch auf den zweiten Blick wird Jeffery die Saison mit einer Fußverletzung wohl auf der PUP List eröffnen und damit zunächst mal ausfallen. Und schon entsteht ein interner Wettkampf um die Nachfolge.

Der letztjährige Zweitrundenpick Arcega-Whiteside dürfte dabei ebenso Chancen haben wie auch Goodwin im Slot, sollte Reagor nach außen wechseln. Ebenfalls zu nennen ist Greg Ward Jr., der im Vorjahr durch zahlreiche Verletzungen der Kollegen ins Rampenlicht rückte und durchaus solide agierte - besser als etwa Arcega-Whiteside.

Insgesamt jedoch wird der Konkurrenzkampf generell hart sein, denn eventuell wird Jefferys Ausfall auch durch noch mehr 12-Personnel, also Formationen mit zwei Tight Ends und nur zwei Wide Receivern, kompensiert. Mit Zach Ertz und Dallas Goedert stehen hier zwei gefährliche Passempfänger parat.

San Francisco 49ers: Wide Receiver

Die 49ers spielen ohnehin viel 21-Personnel, also mit Fullback, Running Back und einem Tight End, damit also auch nur mit zwei Wide Receivern. Insofern stellte sich ohnehin die Frage, wie die Hierarchie hinter Deebo Samuel, der auch durch Emmanuel Sanders' Abgang nach New Orleans zur Nummer 1 aufgestiegen war, aussieht.

Doch Samuel brach sich den Fuß Mitte Juni und wird die Saison womöglich auf der PUP List beginnen. Daher ergibt sich für San Francisco im Camp eine interessante Situation: Nicht nur ein Wide-Receiver-Platz muss neu besetzt werden, sondern gleich zwei.

Die besten Chancen hat dabei perspektivisch Erstrundenpick Brandon Aiyuk, für den die Niners hochgetradet hatten. Er passt wie Samuel perfekt ins System und ist besonders gut mit dem Ball in der Hand, soll also für viele Yards nach dem Catch sorgen. Er galt als ein klarer Wunschspieler von Shanahan im Draft. Doch wie schnell kann er sich in dieser ungewöhnlichen Offseason nach oben arbeiten? Und: Wer spielt ihm gegenüber?

Im Vorjahr zeigte gerade Kendrick Bourne gute Ansätze, während der letztjährige Drittrundenpick Jalen Hurd noch immer auf sein NFL-Debüt wartet. Er verpasste die Saison 2019 mit einer Stressfraktur im Rücken komplett. Eingeplant ist er allerdings eher für eine Art "Big Slot"-Rolle, was im Offensiv-Konzept Kyle Shanahans gerade im Run-Blocking helfen könnte. Ob er aber bereit wäre, auch als Nummer 2 zu spielen, muss er erst noch nachweisen.

Ansonsten bleiben noch Rollenspieler wie Dante Pettis oder Trent Taylor, der im Vorjahr ebenfalls lange mit einem ähnlichen Fußbruch zu kämpfen hatte wie Samuel jetzt.

Samuels wahrscheinlicher Ausfall zu Saisonbeginn ist für die Niners noch kein existenzieller Schlag und sollte kurzfristig aufgefangen werden. Für die Nachrücker ist es vielmehr eine Chance, sich nun in den Vordergrund zu spielen.

Seattle Seahawks: Pass-Rush

Die größte Schwachstelle in der Defense der Seattle Seahawks ist der Pass Rush. Das wird dadurch verstärkt, dass Jadeveon Clowney nicht mehr Teil des Teams ist und man zudem im Zentrum Quinton Jefferson via Free Agency an die Bills verloren hat. Eine Rückkehr Clowneys ist dem Vernehmen nach nicht ausgeschlossen, wirklich Bewegung herrscht in der Sache aber nicht.

Insofern ist Pass-Rush immer noch die größte Baustelle - umso kurioser, dass mit Jamal Adams nun für einen extrem hohen Preis ein Safety geholt wurde . An der Front allerdings stellt sich die Frage, wer denn die Edge-Positionen einnehmen wird, um den gegnerischen QB unter Druck zu setzen und die eigene Secondary dementsprechend zu entlasten.

Gesetzt sein dürfte Rückkehrer Bruce Irvin, der zuletzt in Carolina aktiv war. Er zeigte im Vorjahr immer noch solide Vorstellungen, ist aber mit seinen 32 Jahren durchaus schon etwas weiter von seinem Topniveau entfernt. Auf der anderen Seite wartet L.J. Collier, der im Vorjahr in der ersten Runde des Drafts gezogen wurde, dann aber absolut kein Land sah. Er absolvierte nach anfänglicher Knöchelverletzung zwar elf Spiele, doch sah er kaum das Feld. Das macht ihn für 2020 zur Wundertüte und keinesfalls einer von Anfang an festen Größe.

Dahinter sieht es allerdings nicht unbedingt besser aus. Mit Benson Mayowa kam ein ebenfalls recht hüftsteifer End von den Raiders, während Rasheem Green in zwei NFL-Jahren auch eher uninspirierte Vorstellungen ablieferte, obgleich er 2019 achtmal startete. Hier deutete sich letztes Jahr zumindest ein positiver Trend an.

Diese wacklige Gesamtsituation könnte nun dazu führen, dass Rookies wie Darrell Taylor (2. Runde) und Alton Robinson (5. Runde) schon früh ihre Chance bekommen.

Insgesamt scheint hier alles möglich zu sein - inklusive einer Rückkehr von Clowney. Aber beruhigt in die Saison gehen können sie mit diesem Pass-Rush nicht in Seattle.