MLB 2020: Ein Sprint, kein Marathon

2020 ist alles anders. Das gilt zwangsläufig auch für eine MLB-Saison, die es so noch nie gegeben hat. Wann auch immer man sich mit Baseball und speziell der MLB und seinen 162 Spielen pro Team pro Saison beschäftigt, kommt vor allem eine Floskel zum Einsatz: "Es ist ein Marathon und kein Sprint."

Einige Teams nehmen dies seit jeher wörtlich und verpatzen gerne mal den Saisonstart. Das Paradebeispiel der jüngeren Vergangenheit sind dafür die Washington Nationals 2019. Sie starteten ihre erste Meister-Saison der Franchise-Geschichte mit einer lausigen 27-33-Bilanz, fanden danach aber in die Spur und gewannen bekanntlich die World Series - in Spiel 7 noch dazu.

Langer Atem ist entscheidend im Baseball, aber nicht unbedingt in dieser Saison. Wer so startet - und 60 Spiele werden in diesem Jahr die komplette Regular Season umfassen -, der wird wohl nicht die Playoffs erreichen.

Konkret bedeutet das für die kommende Saison vor allem eines: Will man am Ende erfolgreich sein, muss man als Team und als einzelner Spieler von Beginn an voll da sein. Ausrutscher werden so hart bestraft wie wohl noch nie im Baseball.

Mehr noch: Die Analytics-Experten von FanGraphs erwarten, dass bis zu 17 Teams (!) zwischen 30 und 33 Spielen gewinnen könnten. Das verspricht nicht nur enge Rennen in den meisten Divisons, sondern auch ein wahnsinnig enges Rennen im Kampf um die jeweils zwei Wildcard-Plätze in den beiden Ligen.

Das hat etwa zur Folge, dass Bullpens besonders in den Fokus rücken. Wer gerade am Ende des Spiels keine verlässlichen Relief Pitcher hat, könnte in arge Probleme geraten.

MLB 2020 - Projection: 30-Siege-Teams pro Division

Division Anzahl der Teams NL East 4 NL Central 4 AL Central 3 NL West 2 AL East 2 AL West 2

(Quelle: FanGraphs )

Die St. Louis Cardinals etwa werden auf ihren Closer Jordan Hicks verzichten müssen, der aufgrund von gesundheitlichen Bedenken auf die Saison verzichtet. Die New York Yankees wiederum werden den Saisonstart wohl ohne ihren Closer Aroldis Chapman bestreiten müssen, der nach einem positiven Coronatest noch nicht wieder ins Teamtraining eingestiegen ist. Was normalerweise nur eine Randnotiz früh in der Saison wäre, könnte nun schon ein Faktor werden, der über den Erfolg einer ganzen Saison entscheidet.

Eine weitere nicht zu vernachlässigende Änderung in dieser Saison ist die Zusammensetzung des Spielplans. Der Playoff-Modus bleibt bestehen, damit auch die Wildcards. Doch da der Spielplan auf 60 Spiele beschränkt ist, kommt es zur Konstellation, das Teams - auch um unnötige Reisen zu vermeiden - nur gegen die eigene Division (40 Spiele) und gegen die geographisch analoge Division der anderen Liga spielen (NL West vs. AL West, NL Central vs. AL Central, NL East vs. AL East).

Das heißt: In Sachen Wildcard-Rennen wird es keinen wirklich fairen Wettbewerb geben, wenn es hier zum Vergleich zwischen Teams unterschiedlicher Divisions kommt. Ein Team aus den Ost-Divisions wird in diesem Jahr naturgemäß einen deutlich schwierigeren Spielplan haben als eines aus den West-Divisions, wo viel Durchschnitt herrscht. Insofern rückt der Gewinn der eigenen Division noch mehr in den Vordergrund als sonst ohnehin schon.

MLB 2020: Wie ist die Corona-Lage vor dem Saisonstart?

"Kann ich mich hinstellen und ihnen nun sagen, dass es alles funktionieren wird? Ich weiß einfach nicht, ob ich dafür genügend Informationen habe", sagte der Head Athletic Trainer der Kansas City Royals, Nick Kenney, vor kurzem gegenüber Reportern und betonte: "Ich bekomme aber täglich ein besseres Gefühl für die Lage." Das Thema war freilich das Hygienekonzept der MLB.

Besagtes Konzept sieht vor, dass jeder Spieler, Coach und Betreuer alle zwei Tage getestet wird und im Falle eines positiven Tests isoliert wird. Rapide Tests und Contact Tracing als wichtige Faktoren zum Schutz der Spieler - und des Spielbetriebs.

Zu sagen, dass dies in der MLB seit Anfang Juli, dem Start des "MLB Summer Camps", reibungslos funktionierte, wäre jedoch übertrieben. Zu oft gab es Fälle, in denen ganze Teams länger als geplant - ca. 24 Stunden - auf ihre Testergebnisse warten mussten und daher teilweise sogar ganze Trainingseinheiten abgesagt wurden. Manche Teams hatten sogar das Problem, dass die Tester gar nicht erschienen und man Tests buchstäblich selbst durchführen und einschicken musste. Mittlerweile jedoch soll die Maschinerie einigermaßen laufen.

Zuletzt veröffentlichte die Liga am 17. Juli ihre Gesamttestergebnisse. Das Ergebnis war vielversprechend: Von 10.548 Tests waren nur sechs positiv (5 Spieler, 1 Betreuer). Das entspricht einer Quote von nur 0,05 Prozent. Seit Vorbereitungsstart Anfang Juli gab es insgesamt 93 positive Tests beim kompletten Personal, lediglich acht davon waren Spieler. Zudem vermeldeten 28 verschiedene Teams mindestens einen positiven Corona-Fall.

MLB 2020: Prominente Namen unter Corona-Fällen

Aufgrund von Datenschutzrichtlinien dürfen Teams die Namen der Spieler, die positiv getestet wurden, nur mit deren Einverständnis veröffentlichen. Die namhaftesten bekannten Fälle sind dabei wohl First Baseman Freddie Freeman (Atlanta Braves), Second Baseman D.J. LeMahieu und Closer Aroldis Chapman (beide New York Yankees) oder auch Outfielder Charlie Blackmon (Colorado Rockies).

Das Konzept der Liga sieht vor, dass Spieler, die während der Saison positiv getestet wurden, auf eine spezielle Injured List gesetzt werden, deren Länge variabel ist. Nach einem positiven Test muss der Spieler in Quarantäne und darf erst wieder am Training und Spielbetrieb teilnehmen, wenn er mindestens zweimal innerhalb mehrerer Tage negativ getestet wurde.

Zur Durchführung der Tests hat die MLB ihr Doping-Labor in Utah sowie eine Einrichtung der Rutgers University in New Jersey beauftragt. Lokale Labore sollen zwar auch benutzt werden können, durch die zentralisierten Lösungen wird jedoch sichergestellt, dass die Testkapazitäten der Normalbevölkerung nicht beeinträchtigt werden.

Was die generelle Standhaftigkeit des MLB-Konzepts angeht, zeigte sich Dr. Zachary Binney von der Emory University (Atlanta/Georgia) gegenüber der Los Angeles Times durchaus positiv gestimmt. Das habe mit der bisherigen Arbeit der Liga zu tun, aber auch mit dem Sport Baseball an sich: "Es ist schwieriger im Basketball oder im Football, denn jeder hat engen Kontakt mit jedem anderen. Baseball hat dagegen gewissermaßen einen eingebauten Vorteil."

MLB 2020: Welchen Einfluss hat der universelle Designated Hitter?

Seit den 70er Jahren bereits spielt man in der American League mit einem Designated Hitter - ein Spieler, der nur offensiv zum Einsatz kommt und gewissermaßen den Pitcher in der Schlagreihenfolge eines Teams vertritt. Ins Leben gerufen wurde er, um älteren Spielern, die zwar noch gut mit dem Schläger umgehen können, aber im Feld nicht mehr gut genug waren, eine Chance auf eine längere Karriere zu geben. Heutzutage jedoch wird der DH kreativer genutzt.

DH, Pinch-Hitter, Perfect Game? Baseball-Begriffe kurz erklärt im MLB-Glossar!

Kaum ein AL-Team hat heutzutage noch einen festen DH. Die Tage, in denen ein Frank Thomas bei den Chicago White Sox, Edgar Martinez (Seattle Mariners) oder zuletzt "Big Papi" David Ortiz (Boston Red Sox) Stammkräfte auf DH waren, sind vorbei. Heutzutage verwendet ein Team den DH hauptsächlich als Möglichkeit, einem Stamm-Feldspieler eine kleine Verschnaufpause zu gönnen. Anstatt ihn aber komplett aus dem Lineup zu nehmen, wird er als DH eingesetzt und muss dann eben nicht im Feld ran, was je nach Position durchaus anstrengend sein kann, wenn man die komplette Woche durchspielt.

MLB 2019: Teams mit den meisten verschiedenen Spielern auf DH

Team Designated Hitter New York Yankees 15 Chicago White Sox 14 Cleveland Indians 13 Toronto Blue Jays 13 Minnesota Twins 11 Houston Astros 11 Tampa Bay Rays 11 Texas Rangers 11

Wie Jayson Stark von The Athletic ermittelt hat, setzten acht der 15 AL-Teams im Vorjahr mindestens elf verschiedene Spieler als DH ein. In einer verkürzten Saison, in der es kaum Verschnaufpausen geben wird, könnte dies somit zu einem noch wichtigeren Faktor werden.

Das allerdings sind Luxusprobleme für die AL-Teams, die schlicht jeden Tag mit dem DH planen. Doch was passiert bei den Teams der National League? Keines dieser Teams ist in Sachen Kaderzusammenstellung darauf vorbereitet, einen Designated Hitter überhaupt im Team zu haben. Die Entscheidung, den DH universell einzusetzen, wurde final erst Ende Juni getroffen - da standen die Kader im Prinzip schon fest.

Nun stellt sich für diese 15 Teams also die Frage, wie genau sie diesen Posten denn besetzen wollen. Naheliegend ist für viele, dass hier nun in erster Linie derjenige Bankspieler eingesetzt wird, der sonst immer erster Kandidat auf eine Einwechslung anstelle des Pitchers ist. Oder ein Stammspieler bekommt mal eine Pause.

Nun gibt es aber auch in der NL durchaus Teams, die direkt vom DH profitieren werden. Die New York Mets kommen hier zuvorderst in den Sinn: Outfielder Yoenis Cespedes spielte aufgrund diverser Verletzungen zuletzt 2018 in der MLB und wirkt zumindest mal was seine Fitness und seine Beinmuskulatur angeht, immer noch nicht wieder fit. Doch sein Schläger dürfte funktionieren, weshalb er der ideale DH-Kandidat ist. Aber auch andere potenzielle Spitzenteams wie die Los Angeles Dodgers weisen einen so breiten Kader auf, dass hier einfach einer der Ersatzleute zu mehr Einsatzzeit kommen wird als sonst. Die Allzweckwaffen Matt Beaty oder Kike Hernandez kommen hier als erstes infrage.

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Die andere Seite der Medaille: Den Zuschauern geht damit natürlich auch ein gewisser Unterhaltungswert verloren. Nicht alle Pitcher sind an der Platte überfordert. Madison Bumgarner (Arizona Diamondbacks) etwa schlägt schon gerne mal einen Homerun. Allerdings sei an dieser Stelle bemerkt, dass mit dem anstehenden Tarifvertrag - der aktuelle läuft 2021 aus - ohnehin erwartet wird, dass der DH in allen Spielen zum Einsatz kommt. Insofern können sich die NL-Teams nun schon mal an die neuen Gegebenheiten gewöhnen.

MLB 2020: Wie verhält sich die Liga beim Thema "Social Justice"?

Die NFL hat bereits angekündigt, dass sie kniende Spieler während der Nationalhymne anders als früher unterstützen werde. Zudem genehmigte sie nun auch entsprechende Sticker auf den Helmen. Die NBA wiederum wird sogar Botschaften anstelle des Namens der Spieler auf den Trikots bei ihrer Rückkehr in den Spielbetrieb Ende Juli zulassen und auf dem Court in Orlando wird der Schriftzug "Black Lives Matter" zu sehen sein. Doch was macht eigentlich die MLB in dieser Sache?

Viel ist noch nicht klar, allerdings betonten bereits mehrere Teams, dass sie hinter ihren Spielern stehen werden, wenn diese sich zur Sache äußern wollen, in welcher Form auch immer.

Mit gutem Beispiel voran gingen etwa Manager Gabe Kapler und seine San Francisco Giants, die schon bei einem Testspiel während der Hymne knieten. Die Milwaukee Brewers machten kürzlich ein Mannschaftsfoto, in dem alle Beteiligten ein T-Shirt mit der Botschaft "Justice, Equality, Now" (Gerechtigkeit, Gleichheit, Jetzt) trugen. Bei den New York Yankees wiederum wurde am Dienstag ein Zoom-Meeting - zum Zwecke des Social Distancings - abgehalten, um etwaige Aktionen zu besprechen. Wortführer soll dabei Outfielder Aaron Judge gewesen sein.

Alles in allem wird also auch die MLB, die auf ihren Social-Kanälen aktuell ein weißes Logo auf schwarzem Untergrund anstelle der eigentlichen Farbgebung (blau, rot, weiß) als Avatar verwendet, buchstäblich Farbe bekennen und nicht schweigen.

MLB 2020: Werden Spieler Masken tragen?

Grundsätzlich gilt die Maskenpflicht für alle, die gerade nicht am Spiel teilnehmen, also auch für Ersatzspieler im Dugout und auf der Tribüne, den Betreuern, Coaches und Managern. Zudem tragen alle Umpire (Schiedsrichter) eine Gesichtsmaske.

Darüber hinaus steht es den Spielern auch frei, während des Spiels eine Maske zu tragen. Im Training sorgte so etwa Superstar Mike Trout von den Los Angeles Angels schon für Aufsehen. Clint Frazier von den Yankees wiederum kündigte bereits an, seine Maske grundsätzlich auch im Spiel zu tragen und steckte dafür sogar schon Kritik auf Social Media von Fans ein, die das Tragen einer Maske ablehnen.

MLB 2020: Wird es Zuschauer in den Stadien geben?

Die aktuelle Lage in den USA macht es schlicht unmöglich, zum Saisonbeginn Zuschauer im Stadion zu haben. Stattdessen werden zahlreiche Teams vermehrt Werbebanner auf den Tribünen ausbreiten. Vereinzelt setzen Teams gerade hinter der Home Plate aber auch auf Papp-Bilder der Fans, die solche käuflich erwerben können - der Erlös kommt einem guten Zweck zugute.

Die Liga betont allerdings, dass man den weiteren Verlauf der Pandemie abwarten wolle, um eine endgültige Entscheidung über Zuschauer in den Ballparks zu treffen. So wie sich die Situation gerade in Florida, Texas und Arizona derzeit aber darstellt, bleibt es äußerst unwahrscheinlich, dass wir in diesem Jahr noch Zuschauer in der MLB sehen werden.

Abgesehen davon wird es während der Spiele jedoch künstliche Zuschauergeräusche geben. Diesen Stadionsound liefert das Videospiel "MLB 20: The Show" von "San Diego Studios" (exklusiv auf der Playstation zu haben).

Damit aber nicht genug, denn die MLB lässt ihre Fans auch noch auf ganz besonderem Wege außerhalb des Stadions am Spiel teilhaben. Mit einer neuen App nämlich können Fans interaktiv Teil des Geschehens werden. Sie heißt "Cheer at the Ballpark" und Fans suchen sich während ein Spiel läuft ein Team aus, das sie anfeuern wollen. Während die Fans das Spiel dann live am TV oder per Stream schauen, können sie wahlweise anfeuern, klatschen oder buhen und all das wird dann Einfluss auf den Stadionsound haben - so als wären sie tatsächlich im Stadion.

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MLB 2020: Wo spielen die Blue Jays?

Die kanadische Regierung hat Spiele in Toronto untersagt. Grund dafür ist die stete Ein- und Ausreise nach Kanada aus den USA, wo die Corona-Lage exorbitant schlechter ist als im Norden. Seit Monaten sind daher ohnehin schon die Grenzen zwischen den Nachbarstaaten geschlossen. Man will daher kein Risiko eingehen und so müssen sich die Blue Jays nach einer Alternative umschauen.

Die schien zunächst auch gefunden: Die Blue Jays sollten übereinstimmenden (kanadischen) Medienberichten zufolge nach Pittsburgh/Pennsylvania umziehen und dort im PNC Park der Pirates den Großteil ihrer Heimspiele austragen. Der Staat Pennsylvania lehnte einen entsprechenden Antrag jedoch ab.

"In den letzten Wochen haben wir im Südwesten von Pennsylvania einen deutlichen Anstieg der COVID-19-Fallzahlen erlebt", sagte Gesundheitsministerin Dr. Rachel Levine.

Laut ESPN besteht eine Möglichkeit für die Blue Jays darin, die Heimspiele in der Stadt des jeweiligen Gegners zu absolvieren, also dort als Heimmannschaft zu spielen.