Abrechnung zum Abschluss: Rio-Weltmeister Andre Schürrle hat mit nur 29 Jahren überraschend sein Karriereende verkündet und gleichzeitig die Fußballbranche scharf kritisiert. "Man muss ja immer eine gewisse Rolle spielen, um in dem Business zu überleben, sonst verlierst du deinen Job und bekommst auch keinen neuen mehr", sagte Schürrle dem Spiegel.
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Im Fußballgeschäft zähle "nur die Leistung auf dem Platz". Dabei dürften "Verletzlichkeit und Schwäche zu keinem Zeitpunkt existieren", so Schürrle und kommt zu der Erkenntnis: "Ich brauche keinen Beifall mehr."
Schürrle offenbarte im Spiegel, dass er zuletzt oft einsam gewesen sei, gerade als "die Tiefen immer tiefer wurden und die Höhepunkte immer weniger". Nach der Auflösung seines bis Juni 2021 laufenden Vertrags bei Vizemeister Borussia Dortmund am Mittwoch machte Schürrle daher nun endgültig Schluss. "Die Entscheidung", betonte er, "ist lange in mir gereift".
Andre Schürrle über die Chelsea-Zeit: "Ich wollte nicht mehr Fußball spielen, ich war völlig am Ende"
Im Jahr nach seinem Wechsel von Bayer Leverkusen zum FC Chelsea feierte Schürrle seinen größten Erfolg. Mit der deutschen Nationalmannschaft wurde er 2014 in Brasilien Weltmeister. Im Finale gegen Argentinien bereitete er den einzigen Treffer von Mario Götze in der Verlängerung vor.
Diese Vorlage bleibe "unvergessen", betonte Bundestrainer Joachim Löw, der seinem ehemaligen Schützling Respekt zollte. Er habe ihn "bereits in seinen jungen Jahren als charakterstarken und vorausschauenden Spieler kennengelernt, der sich immer in den Dienst der Mannschaft gestellt hat".
Wie bei der WM 2014. Die Wochen in Brasilien seien "die geilste Zeit meines Lebens gewesen." Die Nationalmannschaft hat er dabei immer "als Nest" empfunden. "Es war eine Flucht aus dem Trott, den man Tag für Tag im Verein hat", sagte Schürrle, der in seiner Zeit bei Chelsea in "ein tiefes Loch gefallen ist. Ich wollte nicht mehr Fußball spielen, ich war völlig am Ende."
Schürrle kehrte 2015 in die Bundesliga zum VfL Wolfsburg zurück, ein Jahr später wechselte er als Wunschspieler von Trainer Thomas Tuchel für 30 Millionen Euro nach Dortmund. Doch beim BVB erfüllte er die Erwartungen nicht, zuletzt war er an den FC Fulham und Spartak Moskau ausgeliehen.
Andre Schürrle: "Entweder ist man Depp oder Held. Dazwischen gibt es nichts"
In den Medien wurde er teils als "ausrangierter Weltmeister" bezeichnet. Diese Kritik hat ihn hart getroffen. "Darunter waren Sachen, die ich mir sehr zu Herzen genommen habe. Entweder ist man Depp oder Held. Dazwischen gibt es nichts", erklärte Schürrle, der 57 Länderspiele (22 Tore) absolvierte.
Rücktrittsgedanken kamen daher immer wieder, daran änderte auch die Zusammenarbeit mit einer Mentaltrainerin nichts. Schon in Wolfsburg habe er daran gedacht, "alles hinzuschmeißen". Auch 2017 gab es Überlegungen, die Karriere zu beenden. "Diese gesellschaftliche Erwartungshaltung hat schon gedrückt, dass man bis Mitte 30 eigentlich nicht aufhören kann."
Aus dem SPOX-Archiv: Andre Schürrle im Interview - schon 2010 nervte ihn das Fußballgeschäft
Konnte er jetzt aber doch. Sorgen über seine Zukunft macht sich Schürrle keine. Bei der Suche nach einer neuen Identität will er sich Zeit nehmen. "All das Geld, was ich verdient habe, ist eine enorme Erleichterung", sagte Schürrle.
Wegbegleiter Christian Heidel, Ex-Manager von Schürrles erster Profi-Station FSV Mainz 05, zog den Hut vor dessen Entscheidung. "Er hätte sicher noch einmal einen guten Vertrag unterzeichnen und viel Geld verdienen können, auch wenn die notwendige Motivation gefehlt hätte. Er geht den geraden und ehrlichen Weg mit 29 Jahren", sagte Heidel den Zeitungen der Funke Mediengruppe .
Andre Schürrle: Seine Leistungsdaten beim BVB
Wettbewerb Spiele Tore Vorlagen Minuten Bundesliga 33 3 9 1976 DFB-Pokal 6 2 - 284 Champions League 7 1 1 190 Europa League 4 2 - 360