Zurück zur alten Liebe, das funktioniert in den meisten Fällen nicht. Und wer die ersten Monate der zweiten Trainer-Ära von Zinedine Zidane bei Real Madrid verfolgte, der stellte sich mehr als nur einmal die Frage: Tat sich der einstige Weltfußballer nach seiner fast einjährigen Auszeit wirklich einen Gefallen damit, den unter Julen Lopetegui und Santiago Solari zu einer Ansammlung von übersättigten und überforderten Spielern verkommenen Champions-League-Giganten zu übernehmen?

Gerade die Vorbereitung auf die Saison glich einer Horrorfahrt. Der negative Höhepunkt ereignete sich knapp vier Monate nach Zidanes Comeback, am 27. Juli, als Real mit 3:7 vom Stadtrivalen Atletico vermöbelt wurde. Die Niederlage, obgleich sie im Zuge eines Marketingturniers in den USA zustande kam, versetzte neben den Fans auch die Verantwortlichen in eine Schockstarre. "Real ist eine Ruine", titelte die Sportzeitung AS damals. Zidane aber vertraute unbeirrt seiner Mannschaft und versprach: "Diese Spieler sind zu Großem fähig. Wir werden die Saison mit einem Titel beenden."

Real Madrid überzeugt als Kollektiv

Er behielt recht. Er formte aus einer Truppe mit viel Talent und viel Erfahrung, aber ohne klare Anleitung wieder eine schlagkräftige Gemeinschaft, die maschinenartig Triumph um Triumph einfuhr. Die nach der Corona-Pause gestartete Serie von zehn Siegen aus zehn Spielen wurde mit dem 34. Meistertitel belohnt. Einem verdienten Meistertitel, zu dem zuletzt zwar auch die eine oder andere Schiedsrichterentscheidung zugunsten Reals beitrug, vor allem aber die Leistung eines Kaders, der die nach dem Abgang Cristiano Ronaldos gen Turin im Sommer 2018 lange klaffende Wunde gemeinschaftlich heilte.

Anders als in der Epoche CR7 kann man aus diesem Real-Kader nicht einen einzelnen Spieler hervorheben. Er besteht aus einigen vielversprechenden Spielern wie Vinicius Junior (20), Fede Valverde (21) oder Ferland Mendy (26), denen die Zukunft gehört. Aber immer noch an erprobten Spielern, die ihre Gier nach Erfolgen wiederentdeckt haben. Gerade Sergio Ramos, der 34-jährige Abwehrchef mit Torjägergen, leistete einen bedeutenden Beitrag zum Titel. Auch der 32 Jahre alte Stürmer Karim Benzema, der sich aus dem Schatten seines alten Partners Ronaldos in die Form seines Lebens spielte. Oder Torhüter Thibaut Courtois (28), Dauerläufer Dani Carvajal (28) und die Mittelfeldmotoren Casemiro (28), Toni Kroos (30) und Luka Modric (34), die nach der vergangenen titellosen Saison schon abgeschrieben wurden. Zidane baute sie alle wieder auf.

Zinedine Zidane gehört zu den besten Trainern

Der Franzose schlüpfte aber nicht nur in die Rolle des erfolgreichen Moderatoren, sondern auch des klugen Taktikers. Der Schlüssel zum Erfolg war vor allem seine starke Defensive, die mit 23 Gegentoren die mit Abstand wenigsten in der Liga kassierte - und fast nur halb so viele wie bei Zidanes erstem Meistertitel 2017 (41). So kommt es auch nicht von ungefähr, dass der 48-Jährige den Titel als wichtigsten seiner bisherigen Trainerlaufbahn einstuft. Er hat seinen Skeptikern und sich selbst bewiesen, dass er auch ein Team ohne einen epochalen Ausnahmespieler wie Ronaldo zu Erfolgen führen kann. Wer im Schnitt alle 19 Spiele einen Titel gewinnt, kann ohnehin kein schlechter oder durchschnittlicher Trainer sein. Zidane gehört zu den besten. Seit seinem Amtsantritt 2016 hat europaweit kein Trainer so viele Titel gewonnen wie er.

Trainer Verein(e) seit 2016 Titel seit 2016 Zinedine Zidane Real Madrid 11 Pep Guardiola Manchester City, FC Bayern 10 Massimiliano Allegri Juventus 8 Unai Emery Arsenal, Sevilla, PSG 8 Thomas Tuchel PSG, Borussia Dortmund 5 Jürgen Klopp FC Liverpool 4

Der FC Barcelona braucht einen Umbruch auf allen Ebenen

Unabhängig davon lässt sich nicht wegdiskutieren, dass dieser Titel auch in Anbetracht der schwächelnden Konkurrenz aus Barcelona ein Muss für die Madrilenen war. Das Wohl und Wehe der Katalanen hing in dieser Saison zu oft von den Toren Lionel Messis oder den Paraden Marc-Andre ter Stegens ab. Dass sich Präsident Josep Bartomeu nun öffentlich über die Schiedsrichter brüskiert und eine Verschwörung gegen seinen Klub wittert, passt zu den wirren Machenschaften, die sich seit Jahren in der Führungsetage von Barca abspielen.

Messi formulierte es nach der entlarvenden Darbietung gegen CA Osasuna wie ein Realist: Barca war in diesem Titelrennen zu schwach und zu inkonstant, weniger hungrig als der Erzivale. Doch nicht nur das Team mit dem schon länger in der Kritik stehenden Trainer Quique Setien muss sich Vorwürfe machen. Es bedarf eines Umbruchs auf allen Ebenen, um nach den enttäuschenden internationalen Auftritten der vergangenen Jahre nicht auch noch national den Anschluss zu verlieren. Erst recht, wenn sich der 33 Jahre alte Messi (Vertrag bis 2021) eines Tages verabschiedet.