TSG Thannhausen, SC Bubesheim, Türkiyemspor Krumbach, TSV Ziemetshausen, FV Bosporus Thannhausen - heute ist Bajram Sadrijaj zu einem handelsüblichen Spieler-Steckbrief auf dem regionalen Amateurfußballportal FuPa verkommen. Doch selbst das ist schon fast zu viel gesagt, lediglich 23 Partien listet das Portal für ihn seit 2012.

Sadrijajs Geschichte begann im bayerischen Städtchen Thannhausen nahe Günzburg, wo er zwischen 1995 und 2004 für die Jugend der TSG auflief. Eine Geschichte, deren Anfang heutzutage kaum mehr möglich erscheint.

Vor bald 14 Jahren, am 9. September 2006, war Borussia Dortmund in Thannhausen zu Gast, 1. Runde im DFB-Pokal. Der BVB mühte sich unter Trainer Bert van Marwijk zu einem 3:0. Innenverteidiger Christian Wörns dürfte die Partie noch in guter Erinnerung haben, denn der Nationalspieler wurde in diesen 90 Minuten vom 20-jährigen Stürmer des Landesligisten mehr als gut beschäftigt - um es zu Gunsten von Wörns auszudrücken.

BVB-Sportdirektor Michael Zorc gefiel der quirlige und vor allem schnelle Sadrijaj bestens, immer wieder gewann er an diesem Nachmittag seine Eins-gegen-eins-Duelle. Bereits kurze Zeit später nahm Zorc Kontakt auf und hatte dabei durchaus im Sinn, dass der gebürtige Augsburger mit kosovo-albanischen Wurzeln vielleicht ja auch eine mögliche Option für den Profikader sein könnte.

Bajram Sadrijaj: BVB-Traum bekommt frühen Dämpfer

Aus heutiger Sicht ein ungewöhnlicher Gedanke, wenn man bedenkt, in welch unterklassigen Ligen Sadrijaj bis dato unterwegs war. Der Traum des Stürmers lebte, bekam allerdings sehr schnell einen gehörigen Dämpfer. 2007 drohte Sadrijaj das Karriereende, bei der bayerischen Hallenmeisterschaft zog er sich einen Kreuzbandriss im rechten Knie zu. Im Nachhinein weiß man: Es war der Auftakt in eine Zeit, die von permanenten Verletzungen geprägt war.

"Damals bekam ich von der Krankenkasse nur die OP-Kosten erstattet. Die Reha habe ich ganz allein geschafft und finanziert. In nur knapp sieben Monaten! Nach meinem Comeback habe ich in nur 1100 Spielminuten zehn Tore für Thannhausen erzielt. Sogar in der Bayernliga", erzählte Sadrijaj damals stolz.

Und tatsächlich: Zorc und der BVB warteten auf ihn. Im Sommer 2008 schließlich, als auch Jürgen Klopp bei der Borussia übernahm, unterschrieb Sadrijaj in Dortmund einen Zweijahresvertrag. Ebenfalls interessierte Klubs wie 1860 München und der FC Bayern schauten in die Röhre.

Klopp über Sadrijaj: "Werden noch viel Freude an ihm haben"

Sadrijajs Perspektive sah vor, bei den Profis zu trainieren, aber in der U23 zu spielen. Dieses Versprechen hielt jedoch nicht lange, denn bereits am 1. Bundesligaspieltag nahm ihn Klopp in den Profikader auf. Eine Woche später feierte er im Heimspiel gegen die Bayern gar sein 26-minütiges Bundesligadebüt.

"Bayro hat eine tolle Vorbereitung gespielt. Wir werden noch viel Freude an ihm haben", prognostizierte Klopp. Sadrijaj war damit zusammen mit Marcel Schmelzer eines der ersten schwarzgelben Talente, das vom heutigen Liverpool-Coach gefördert wurde.

Das war aber alles gar nichts im Vergleich zu Sadrijajs bis heute in BVB-Kreisen legendärem Auftritt zwei Wochen zuvor am 9. August 2008 an der Essener Hafenstraße. Die Schwarzgelben gastierten bei RWE in der 1. Runde des DFB-Pokals, als er eine Minute nach dem spielentscheidenden Dortmunder Tor zum 3:1 für Giovanni Federico eingewechselt wurde. Es war wohlgemerkt Sadrijajs erster Einsatz auf Profiniveau.

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Bajram Sadrijaj und sein Zwölf-Sekunden-Rot beim BVB-Debüt

Und dann das: Der Angreifer lief nach seiner Hereinnahme nur wenige Meter von der Seitenlinie entfernt aufs Feld, als das Spiel fortgesetzt wurde und er unmittelbar in einen Zweikampf ging. Dabei grätschte Sadrijaj von vorne wüst und übermotiviert in Gegenspieler Dennis Bührer hinein. Schiedsrichter Dr. Felix Brych zog sofort Rot . Nach nur zwölf Sekunden - Weltrekord! Bis heute steht Sadrijaj damit im Guinness-Buch der Rekorde.

"Zu 70 Prozent nehme ich den Feldverweis auf meine Kappe", sagte Klopp anschließend. "Vor der Einwechslung hatte ich ihn aufgefordert, richtig auf den Ball zu gehen. Obwohl ich natürlich nicht wollte, dass Bajram meine Aussage so konsequent umsetzt."

Sadrijaj, der nächsten Tag seinen 22. Geburtstag feierte, schilderte die Szene so: "Trainer Klopp hatte mich bei meiner Einwechslung darauf aufmerksam gemacht, welche Fehler gemacht wurden und wie er sich es vorstellt, den Gegner die Bälle nicht annehmen zu lassen und zu attackieren. Die Szene selbst sah ich weniger dramatisch, obwohl es im TV schon heftig aussah. Ich grätschte frontal auf ihn zu, weder gestreckt noch seitlich und erwischte ihn mitsamt Ball. Gleich Rot zu sehen war dann schon ein Schock - viele meinten, in anderen Ligen in Europa wäre es da sogar mit Einwurf weitergegangen."

Gegen Udinese wäre Sadrijaj beinahe der BVB-Held geworden

Wenige Wochen später, in der Bundesliga waren weitere 45 Einsatzminuten für ihn hinzugekommen, wäre er in der Verlängerung des UEFA-Cup-Rückspiels bei Udinese Calcio beinahe der Held des BVB geworden. Sadrijajs wunderbarer Schlenzer aus der Distanz in der 118. Minute wurde jedoch von Keeper Handanovic gerade noch über die Latte gelenkt. Kurz danach lag ihm eine Anfrage des albanischen Nationalverbandes vor.

Jedoch blieben das Sadrijaj einzige Highlights im schwarzgelben Dress. Auf einmal legte ihn eine Blinddarmentzündung flach, die sogar in einer Not-OP mündete. Probleme mit der Wade sowie eine hartnäckige Patellasehnenverletzung folgten, er kam in dieser Saison nur noch zu wenigen Kurzeinsätzen bei der U23. Im November 2009 entschied man sich schließlich, das lädierte Knie zu operieren - über vier Monate Pause. Sadrijaj sollte kein Spiel mehr für Dortmund bestreiten.

Dass der BVB schließlich seinen auslaufenden Vertrag nicht mehr verlängerte und Sadrijaj 2010 gehen ließ, hatte neben der üppigen Krankenakte vor allem auch mit seinen Umtrieben abseits des Platzes zu tun. Sadrijaj stieg der schnelle Aufstieg zum Profi zu Kopf, er begab sich in die Hände der zwielichtigen und mehrfach angeklagten Hamburger Osmani-Brüder. Die waren in Dortmund bereits als Berater von Nelson Valdez negativ aufgefallen.

Bajram Sadrijaj: Unprofessionell abseits des Platzes

Sadrijaj wurde von den Osmanis vereinnahmt, vor seiner Tür stand nun ein Porsche. Berater Dieter Pilz verlor zunehmend den Zugriff auf seinen Klienten, dessen Privatleben immer unprofessionellere Züge annahm. Sadrijaj war vom Kopf her nicht bereit genug für die Herausforderungen des Profidaseins, er ließ sich zu schnell beeinflussen und vom Neid auf andere treiben.

Der traurige Höhepunkt, der 24-Jährige war bereits Sportinvalide, lebte aber weiter in Westfalen, sollte am 20. Juni 2011 folgen. Im Zuge eines illegalen Straßenrennens in der Dortmunder Innenstadt knallte Sadrijaj mit seinem BMW-Cabrio gegen eine Ampel. Der Wagen schleuderte über den Fußweg gegen zwei parkende Autos und kam an einer Hauswand zum Stehen. Verletzte gab es glücklicherweise nicht, der Sachschaden betrug 91.000 Euro. Am Ende wurde das Verfahren vor dem Landgericht sogar eingestellt.

Sadrijaj zeigte sich reumütig und sprach von einem Riesenfehler, er sei in den falschen Kreisen unterwegs gewesen. Er kehrte in seine Heimat zurück, es wurde ruhig um ihn. Im Januar 2013 schloss er sich wieder der TSG Thannhausen in der Landesliga Südwest an, bereits Ende desselben Jahres kickte er für Bubesheim. Dort erlitt er kurz nach seinem Wechsel die nächste böse Verletzung - und zwar am zuvor noch nicht kaputten Knie.

Auch seine weiteren Wechsel verhalfen ihm offenbar nicht dazu, wieder Fuß zu fassen. Beobachter, die ihn in den letzten Jahren spielen sahen, sagen, der explosive Sadrijaj von früher ist Geschichte. Heute sticht er nicht mehr heraus, wenn er in den unterklassigen Ligen kickt. Den Eintrag in den Annalen des Sports und in der Geschichte des BVB hat er aber sicher.

Bajram Sadrijaj: Seine Leistungsdaten für den BVB

Wettbewerb Spiele Tore Vorlagen Minuten Bundesliga 3 - - 83 DFB-Pokal 1 - - 1 UEFA-Pokal 1 - - 36 3. Liga 1 - - 23 Regionalliga West 9 3 - 524