Als Trainer sei Zinedine Zidane ein eher ruhigerer Zeitgenosse, der sich nur selten empöre, heißt es. Ein Journalist eines spanischen Fernsehsenders versuchte sich in letzter Zeit häufiger daran, die Contenance des Trainers von Real Madrid auf die Probe zu stellen, indem er ihn mit Fragen zu Gareth Bale konfrontierte.
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So auch vor dem wichtigen vorletzten Spieltag in der spanischen Liga gegen den FC Villarreal (ab 21 Uhr im LIVETICKER und auf DAZN ), an dem die Königlichen mit einem Sieg ihren 34. Meistertitel perfekt machen können.
Wäre es denn nicht das Beste für alle, wenn Reservist Bale ob seines derzeitigen Verhaltens endlich Madrid verlassen würde, fragte der Journalist. "Meine Güte", antwortete Zidane, "was ist das denn bitte für eine Frage?" Wie alle anderen Spieler sei auch Bale voll auf das Spiel gegen Villarreal konzentriert, fügte er an, und überhaupt: "Er ist einer von uns."
Gareth Bale und die Fehde mit der spanischen Presse
Wer die jüngsten Spiele von Real verfolgte, bekam jedoch durchaus den Eindruck vermittelt, dass Bale nicht wirklich bei der Sache war. Der walisische Außenstürmer zog auf der zur Ersatzbank umfunktionierten Tribüne die Blicke auf sich, indem er wie ein kleines Kind herumalberte. Mal zog er sich den Mund-Nasen-Schutz über die Augen und tat für ein paar Sekunden so, als würde er ein Nickerchen halten, dann benutzte er ein Heft als "Fernrohr". Bei den meisten seiner Kollegen sorgte das für Belustigung, die spanische Presse hingegen stufte die Komödie um Bale als "respektlos" und "beschämend" ein.
Den Protagonisten abseits des Rasens wird es nicht im Geringsten interessieren. Für die Medien in Spanien hat er schon lange nichts übrig. Sein Berater Jonathan Barnett ging in den vergangenen Monaten häufiger an die Öffentlichkeit, um die Berichterstattung über Bale als "Müll" zu kennzeichnen.
"Von Tag eins an haben sie etwas gegen ihn", erklärte Barnett und berief sich damit auf einen Artikel der Sportzeitung Marca , in dem es kurz nach Bales Wechsel von Tottenham Hotspur nach Madrid im Sommer 2013 fälschlicherweise hieß, der Spieler leide an einem Bandscheibenvorfall. Auch empörten sich die Zeitungen in den vergangenen Jahren immer wieder über Bales offen zur Schau getragenes Hobby Golf, woraufhin dieser sich nach einem Länderspiel mit einem Banner ablichten ließ, auf dem stand: "Wales. Golf. Madrid. In that order."
© Red Bull Salzburg
Zinedine Zidane über Gareth Bale: "Er arbeitet professionell"
Eine Aktion, die außerhalb von Madrid für reichlich Gelächter sorgte, bei den Fans von Real aber alles andere als gut ankam. Schließlich stärkte er damit keineswegs seinen schweren, auch der nicht wegzudiskutierenden Medienkampagne gegen ihn geschuldeten Stand in Spanien. Bevor die Corona-Pandemie ausbrach, wurde er im Estadio Santiago Bernabeu bei nahezu jedem Ballkontakt ausgepfiffen. Zidane zog es deshalb teilweise sogar eher vor, Bale gar nicht oder nur bei Auswärtsspielen einzusetzen.
Mittlerweile macht der Real-Coach nur noch selten Gebrauch von ihm, weil mit Marco Asensio ein Spieler zurück ist, der vorwiegend auf Bales Position zum Einsatz kommt. Gleichwohl schafft es der Superstar immer wieder ins Aufgebot, weshalb sein jüngst eigen kreiertes Image vom Null-Bock-Profi mehr Schein als Sein ist. Würde er schlecht trainieren, hätte sein Vorgesetzter genügend Alternativen, um ihn zu streichen. "Ich respektiere Gareth sehr. Er macht nicht sein eigenes Ding, sondern ist ein Teil dieser Mannschaft und arbeitet professionell", bekräftigte Zidane erst im Juni.
Auch aus Teamkreisen war in den vergangenen Monaten immer wieder zu vernehmen, wie vorbildlich Bale mit seiner Situation umgehe. Schließlich hatte ihn der Verein im vergangenen Sommer zu einem Wechsel gedrängt. Bale möge doch "besser heute als morgen" von dannen ziehen, hatte ausgerechnet Zidane während der Vorbereitung auf die Saison gesagt.
Gareth Bale blieb nicht nur wegen des Geldes bei Real Madrid
Real lag zu jenem Zeitpunkt ein lukratives Angebot aus China für den Linksfuß vor, doch dieser schlug es zum Ärger der Verantwortlichen aus, was wiederum dazu führte, dass Bales Berater Barnett eine öffentliche Schlammschlacht mit der Führungsetage anzettelte. Zidanes Aussagen seien "unverschämt" und: Was denke sich ein Verein eigentlich, einen Spieler mit gültigem Vertag zu verjagen? "Sonst wollen Vereine doch immer, dass Spieler ihre Verträge halten", keifte Barnett.
Das Problem aus Reals Sicht im Fall Bale: Er, der Aussortierte, zählt mit einem Netto-Jahresgehalt von 17 Millionen Euro zu den Bestverdienern im Team. Der weit verbreitete Glaube, er habe nur deshalb einen Wechsel abgelehnt, entspricht aber nicht der ganzen Wahrheit. Tatsächlich entschied sich Bale auch gegen China, weil er mit seiner Familie in Europa bleiben und weiterhin in einer Topliga spielen wollte.
Aus der Premier League, in der er sich einst in Weltklasse-Sphären bewegt hatte, lagen schlichtweg keine stichhaltigen Angebote für ihn vor. Also blieb er in Madrid. Und kämpfte sich - auch aufgrund diverser Verletzungen - teilweise wieder in Zidanes Mannschaft zurück. Wenn er von Anfang an eine Chance bekam, wusste er aber nur selten zu überzeugen. Auch aus diesem Grund muss er sich auf den letzten Metern der Saison mit der Rolle als Tribünengast begnügen.
Saison 2019/20: Gareth Bale in Zahlen
Gespielte Minuten 1260 Tore 3 Vorlagen 2 Kreierte Großchancen 2 Vergebene Großchancen 4 Passquote 78,4 % Zweikampfquote 51,1 %
Ein Abnehmer für Gareth Bale ist nicht in Sicht
Mit zwei Toren und zwei Vorlagen in LaLiga hat er immerhin einen kleinen Anteil an dem fast nicht mehr zu nehmenden 34. Meistertitel. Es wäre seine insgesamt 16. Trophäe mit Real. Insbesondere an den vier Champions-League-Titeln 2014, 2016, 2017 und 2018 hatte er keinen unwesentlichen Anteil, beim bis dato letzten Triumph gegen den FC Liverpool (3:1) traf er sogar doppelt. Allein deshalb dürfte ihm die Kritik vonseiten der Presse und einiger Fans herzlich egal sein. Er macht - zumindest im Training - seinen Job, krümmt sich aber auch keinen Finger, solange er in den Plänen von Zidane nur eine Rolle als Nebendarsteller einnimmt. "Es gibt viele undankbare Menschen, aber Gareth muss niemandem mehr etwas beweisen", so Barnett.
Wie es nach der Saison mit Bale weitergeht, ist unklar. Die Madrilenen werden erneut alles versuchen, um ihn von ihrer Gehaltsliste zu bekommen. Allerdings werden sich nur wenige Klubs den mittlerweile 31-Jährigen leisten können und wollen, gerade in Zeiten von Corona. Sein Berater verwies zuletzt Gerüchte um einen Wechsel in die MLS ins Reich der Fabeln und ließ in diesem Zusammenhang ausrichten, Bale könne sich durchaus vorstellen, seinen bis zum 30. Juni 2022 datierten Vertrag in der spanischen Hauptstadt zu erfüllen. Schlecht scheint es ihm dort ja nicht zu gehen.