Wenn man Hansi Flick gegenüber sein Bedauern ausdrückt, dass er bei seinem ersten und einzigen Pokalfinale 90 Minuten lang zuschauen musste, spart er nicht mit Zurechtweisung. "Ich war zweimal im DFB-Pokalfinale! 1986 mit Bayern gegen Stuttgart, da saß ich auf der Bank und mit Köln gegen Werder Bremen - da war ich gesperrt!", erklärte der Ex-Profi SPOX und Goal .

Die Erinnerungen könnten also besser sein. In seiner ersten Saison als Profi beim FC Bayern kam der damals 21-Jährige nur in sieben Pflichtspielen zum Einsatz und war daher auch im Endspiel beim 5:2 gegen den VfB nur zweite Wahl. Erst in den folgenden vier Jahren in München wurde der defensive Mittelfeldspieler zur Stammkraft und gewann viermal die Meisterschaft, nach Berlin schafften es die Bayern in dieser Zeit aber nicht mehr.

Das gelang Flick ein Jahr später bei seinem neuen Verein, doch er brachte sich selbst um den Lohn. Am letzten Bundesliga-Spieltag wurde der 1. FC Köln vom neuen Meister 1. FC Kaiserslautern mit 6:2 im eigenen Stadion gedemütigt und Flick sah nach einem Frust-Foul schon in der 31. Minute die Rote Karte. Damit war er nach damaliger Regelauslegung für das nächste Spiel gesperrt: Das eine Woche später stattfindende Pokalfinale gegen Werder Bremen, das die Geißböcke auch noch mit 3:4 im Elfmeterschießen verloren.

"Ich hatte gar nicht mehr im Kopf, dass er da gesperrt war", sagte sein ehemaliger Trainer Erich Rutemöller. "Aber was ich noch weiß, ist, dass er damals schon wie ein Trainer gedacht hat." Es dauerte jedoch noch fast drei Jahrzehnte, ehe Flick tatsächlich als Chefcoach erfolgreich sein sollte und nun auch im Pokalfinale endlich eine Hauptrolle spielt.

Spätestens seit dem souveränen Gewinn der Meisterschaft mit den Bayern wird der Trainer Land auf, Land ab in den höchsten Tönen gelobt. Doch noch vor etwas mehr als einem Jahr war Flick Privatier bei der Familie und weit weg von der großen Fußball-Bühne.

Flick: Als Mann hinter Löw glücklich und zufrieden

Ohnehin hatte er als Cheftrainer zuvor nur den seinerzeitigen Drittligisten TSG Hoffenheim betreut und war dort nach mehrfach verpasstem Zweitliga-Aufstieg Ende 2005 gefeuert worden war. Nach einem Kurzzeitjob als Co-Trainer von Giovanni Trapattoni bei RB Salzburg ging er zum DFB, wo er nach seinen acht erfolgreichen Jahren als Löw-Assistent als der perfekte zweite Mann galt. Er wolle "dem Jogi nicht in der Sonne stehen", hat er einmal gesagt. Als Mann dahinter sei er zufrieden und glücklich.

Seine Zukunft schien Flick dann ohnehin abseits des Rasens zu sehen und offenbar so nah wie möglich an seiner Heimat. Zunächst wurde er nach dem WM-Triumph 2014 neuer DFB-Sportdirektor, verabschiedete sich dort aber schon nach nicht mal drei Jahren Anfang 2017 aus familiären Gründen. "Den Job beim DFB hat er aufgegeben, um näher an der Familie zu sein", erzählte Kathrin Flick, eine seiner beiden Töchter, im Gespräch mit SPOX und Goal .

So war die Rückkehr zur nur 20 Kilometer vom Heimatort Bammental entfernten TSG Hoffenheim als Funktionär naheliegend, schon im Juni 2017 stieg er als Sport-Geschäftsführer ein und sollte laut Klubmäzen Dietmar Hopp für Aufbruchstimmung sorgen. Ein Comeback als Trainer im Profibereich schloss Flick aus. "Vielleicht mache ich bei meinem Enkelkind mal noch den Bambinitrainer", erklärte er damals.

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Aus für Flick nach acht Monaten im Hoffenheimer "Provinztheater"

Doch der vermeintlich perfekte Job endete nach nicht mal acht Monaten und einem verlorenen Machtkampf mit Hopp und Co. in Unfrieden. "Flick ist zum Opfer des Systems geworden. Wie schon einige andere vor ihm, wurde der harmoniebedürftige Hansi vom Hof gejagt. Provinztheater", kommentierte die ortsansässige Rhein-Neckar-Zeitung .

Man habe aber auch in der kurzen Zeit bemerkt, dass Flick "kein Büromensch" sei und viel lieber und "mit Feuereifer" auf dem Platz stehe, sagt einer aus der Vereinsführung rückblickend. "Ich habe nach Hoffenheim noch das eine oder andere Angebot für die Position des Sportdirektors oder Sportvorstandes vorliegen gehabt. Aber da habe ich schon gespürt, dass mich diese Position nicht mehr reizt", meinte Flick.

Doch auf dem Trainerposten bestand nicht unbedingt Bedarf für den "ewigen zweiten Mann", zumindest in der Chefrolle. Stattdessen genoss der Badener die Zeit mit Kindern und Enkeln, wartete aber laut eigener Aussage nur auf das richtige Angebot. "Ich habe nur eine Auszeit genommen und wollte nach der Zeit in Hoffenheim wieder zurück in das Trainer-Business", sagte Flick vor dem Pokalfinale zu SPOX und Goal .

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Flick und der FC Bayern: Entscheidendes Wiedersehen mit Uli Hoeneß im Odenwald

Schon drei Monate nach seinem Ende bei der TSG kam es im nahen Odenwald zu einem offenbar entscheidenden Wiedersehen. Beim Benefizspiel der Bayern-Allstars gegen eine Odenwald-Auswahl im Örtchen Mudau war auch Uli Hoeneß vor Ort, der zunächst seine Würstchen grillte und sich danach auf der Tribüne lange mit Flick unterhielt, den er als Manager 1985 vom SV Sandhausen zum FCB geholt hatte.

In den Monaten danach soll der Klubboss Flick zunächst eine Position im Bayern-Nachwuchscampus angeboten haben, doch erst nach der folgenden Saison fand sich der passende Posten. Nach einem rumpeligen ersten Jahr unter Niko Kovac entschied sich die Vereinsführung angesichts des Double-Gewinns gegen eine Entlassung des schon damals umstrittenen Trainers. Stattdessen wurde ihm auf maßgebliche Initiative von Hoeneß hin und mit Billigung von Kovac Flick als zusätzlicher Co-Trainer zur Seite gestellt.

"Als das Angebot des FC Bayern kam, musste ich nicht lange nachdenken. Ich wollte wieder mit Topspielern auf dem Trainingsplatz stehen", berichtete Flick nach seiner Rückkehr an die Säbener Straße. Dennoch glaubt einer, der ihn sehr gut kennt, dass ein solches Comeback als Mann in der zweiten Reihe für Flick auch nur beim deutschen Rekordmeister ein Thema werden konnte: "Ich denke, bei keinem anderen Verein hätte er diesen Job angetreten."

Flick im zweiten Kovac-Jahr bei Bayern: Übergangslösung für den Worst Case

Der unausgesprochene Hintergedanke in der Vereinsführung war allerdings auch der Wunsch, eine mögliche Übergangslösung für den Worst Case zu haben. Der trat bereits Anfang November ein, als Kovac nach der 1:5-Pleite in Frankfurt entlassen wurde. Flicks Erfolgszug mit den Münchnern, die die Konkurrenz weit hinter sich ließen und nun vom Double und vielleicht sogar dem Triple träumen dürfen, war aber kein Selbstläufer.

Zum einen, weil anfangs auch im Verein die Skepsis groß war, ob Löws Schattenmann ausgerechnet beim "FC Hollywood" die Nummer eins sein könnte. Carlo Ancelottis Assistent Willy Sagnol war in einer ähnlichen Situation zwei Jahre zuvor als Interimscoach gescheitert und hatte den Verein nach der Rückkehr von Jupp Heynckes verlassen müssen. Und die Führung gab auch Flick zunächst nur für zwei Spiele, dann bis zur Winterpause das Vertrauen und dachte gleichzeitig über eine "große Lösung" mit Erik ten Hag und Thomas Tuchel nach.

Bis man bei den Bayern erkannte, dass man diese Lösung bereits im Haus hatte. Denn Flick machte in kurzer Zeit fast alles richtig. Denn dem gebürtigen Heidelberger gelang es, nach und nach die Fans, die Startruppe und die Führung mit seinem uneitlen und empathischen Auftreten wie mit seiner fachlichen Kompetenz und seiner Menschenführung zu überzeugen.

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"Seitdem wir Hansi befördert haben, spielen wir wirklich attraktiven und erfolgreichen Fußball", sagte der Vorsitzende Karl-Heinz Rummenigge nach dem vorzeitigen Gewinn der Meisterschaft. "Klima, Geist und Mentalitätt im Team" würden wieder stimmen, kommentierte die FAZ danach: "Das ist mehr, als sich der FC Bayern in so kurzer Zeit wünschen konnte."

Im Saison-Rückblick ist Flick quasi der Anti-Klinsmann: Große Taten statt großer Sprüche. Denn der gebürtige Heidelberger hat bis jetzt offenbar wirklich jeden Spieler jeden Tag besser gemacht. Während der kurzzeitige Hertha-Hoffnungsträger Klinsmann Berlin schon längst verlassen hat, steht Flick genau dort am Samstag gegen Leverkusen vor dem nächsten Triumph.

Bundesliga-Tabelle: FC Bayern mit Flick souverän Meister

Platz Team Sp. Tore Diff Pkt. 1. Bayern München 34 100:32 68 82 2. Borussia Dortmund 34 84:41 43 69 3. RB Leipzig 34 81:37 44 66 4. Borussia M'gladbach 34 66:40 26 65 5. Bayer Leverkusen 34 61:44 17 63 6. TSG Hoffenheim 34 53:53 0 52 7. Wolfsburg 34 48:46 2 49 8. SC Freiburg 34 48:47 1 48 9. Eintracht Frankfurt 34 59:60 -1 45 10. Hertha BSC 34 48:59 -11 41 11. 1. FC Union Berlin 34 41:58 -17 41 12. Schalke 04 34 38:58 -20 39 13. 1. FSV Mainz 05 34 44:65 -21 37 14. 1. FC Köln 34 51:69 -18 36 15. FC Augsburg 34 45:63 -18 36 16. Werder Bremen 34 42:69 -27 31 17. Fortuna Düsseldorf 34 36:67 -31 30 18. SC Paderborn 07 34 37:74 -37 20