Wegen der Coronakrise beginnt der sichtbare Arbeitsalltag von Millionen Menschen weltweit aktuell beim Haaransatz und endet irgendwo im Brustbereich. Je nachdem, wie die Webcam gerade eingestellt ist. Was unterhalb des Bauchnabels passiert, spielt dementsprechend keine Rolle. Und da bequem bekanntlich beliebter ist als unbequem, bedeutet das: Jogginghose! Aus einer reinen Freizeitbekleidung wurde eine Freizeit- und-Arbeitsbekleidung.
- Giefer im Interview: "Der Sieger bekommt ein lebendiges Kamel"
- Hofmann-Interview: Wie der Gladbach-Kicker zum Subway-Betreiber wurde
Und damit zu Gabor Kiraly. Einem Jogginghosen-Visionär, der diesen schlabberigen Beinschmuck schon bei der Arbeit in ungarischen, deutschen und englischen Fußballstadien trug, als sich andere noch in Anzugshosen oder Jeans in sogenannte Büros quälten. Durch die globale Homeofficeisierung des Arbeitsalltags auf Grund der Coronakrise fand er jedoch Millionen Nachahmer - und aus einem Visionär wurde ein Profiteur.
Denn mittlerweile trägt Kiraly keine Jogginghosen mehr, sondern verkauft sie. In seiner Heimatstadt Szombathely betreibt er einen eigenen Laden und außerdem und in diesen Zeiten viel wichtiger: einen Onlineshop im Internet. Neben anderen Produkten wie Torwarthandschuhen ist die Jogginghose dort aktuell der Verkaufsschlager . "Wegen des Coronavirus' verkaufe ich noch mehr Jogginghosen als davor", verkündet Kiraly im Telefongespräch mit SPOX und Goal durchaus stolz. Wie viele genau, will er nicht verraten.
Der Einstieg in diesen Geschäftszweig war nur eine logische Entscheidung. Kaum jemand besitzt in Sachen Jogginghose schließlich so eine Expertise wie Kiraly.
Kiraly war meist unumstrittener als die Jogginghose
Und das kam so: Als der junge Kiraly Mitte der 1990er Jahre noch für seinen Heimatklub Szombathelyi Haladas spielte, vergaß der klubeigene Zeugwart vor irgendeinem Spiel dessen normale Torwarthose. In der Not bekam Kiraly stattdessen eben eine gerade verfügbare graue Jogginghose. "Wir haben gewonnen und dann eine Siegesserie gestartet. Deswegen habe ich sie einfach immer weiter getragen", erinnert er sich. "Von meinen 26 Jahren als Torwart habe ich 23 in Jogginghose gespielt."
1997 machte er den Stil international. Kiraly wechselte erstmals ins Ausland zu Hertha BSC, später spielte er bei verschiedenen Klubs in England sowie bei Bayer 04 Leverkusen und 1860 München, ehe er 2015 nach Szombathelyi zurückkehrte und dort 2019 seine aktive Karriere beendete. Während Kiraly als Fußballtorwart bei seinen Klubs meist schnell zum unumstrittenen Stammkeeper avancierte, musste die Jogginghose in der Modewelt lange um Anerkennung kämpfen.
Das erste Modell soll der Gründer des französischen Sportartikelherstellers Le Coq Sportif, Emile Camuset, bereits in den 1920er Jahren produziert haben, hinterfragt wurde sie fortan jedoch permanent. Modepapst Karl Lagerfeld etwa verkündete 2012: "Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren."
Kiraly ließ sich davon selbstverständlich nicht beirren. Ganz im Gegenteil: Vier Jahre nach diesem vernichtenden Urteil qualifizierte er sich mit der ungarischen Nationalmannschaft vollkommen kontrolliert für die Europameisterschaft 2016 - und trug seine Jogginghose daraufhin ausgerechnet in Lagerfelds Wahlheimt Frankreich stolz über die lokalen Grünflächen und sogar bis ins Achtelfinale.
© imago images
Kiraly verzichtet im privaten Rahmen auf Jogginghosen
Anschließend stieg er mit seinem eigenen Modell in den Markt ein. "Damals bin ich gerade 40 Jahre alt geworden und habe mir gedacht: 'Das ist ein gutes Alter, um eine eigene Jogginghose zu produzieren'", sagt Kiraly. "Das Logo auf der Jogginghose zeigt meinen Jubel, als ich mich mit Ungarn für die EM qualifiziert habe. Stoff und Schnitt habe ich selbst ausgewählt."
Verfügbar ist die sogenannte K1RALY MACKO - was übersetzt so viel wie "Kiraly Teddybär" bedeutet - im traditionellen grau sowie im kecken schwarz. Sie verfügt beidseitig über Taschen, mit einem Band kann der Bund verengt und geweitet werden. Maschinenwaschbar bei 30 bis 40 Grad, nicht trocknergeeignet. Der Kaufpreis beträgt 9.000 Forint im Onlineshop zuzüglich 1.500 Forint Versandkosten, zusammengerechnet also etwa 30 Euro. Auf Wunsch verziert sie Kiraly sogar mit einer persönlichen Widmung.
Während die Jogginghose wegen der Coronakrise von der reinen Freizeit- zur Freizeit- und-Arbeitsbekleidung von Millionen Menschen wurde, legt Kiraly aber weiterhin größten Wert auf eine strickte Trennung. "Abgesehen von Trainingseinheiten oder Spielen habe ich noch nie eine Jogginghose getragen. Das reicht mir bei der Arbeit", sagt er. "Zuhause trage ich nur kurze Hosen."