Florian Wirtz durfte nicht reden nach dem nicht nur für ihn historischen Abend. Dafür lobte ihn sein Förderer. "Er war wichtig für uns, deshalb ist es eine Ausnahme, dass ich mal über einen Spieler von uns rede", meinte Peter Bosz nach dem 4:1 von Bayer Leverkusen in Bremen über den Youngster. "Er hat von Anfang an gut gespielt, Bälle gehalten und gut nach vorne gespielt."
Florian Wirtz: Die Zahlen zu seinem Bundesliga-Debüt
gespielte Minuten 62 Ballaktionen 39 Pässe 22 Passquote 81,8 Prozent Torschüsse 0 Zweikämpfe 23 Zweikampfqote 43,5 Prozent Ballbesitz verloren 7 Laufstrecke 8,13 Kilometer
Dabei stellte Wirtz eine neue Bestmarke auf und ließ ausgerechnet Kai Havertz hinter sich: Mit 17 Jahren und 15 Tagen ist der Mittelfeldspieler nun der jüngste Profi in der Geschichte von Bayer Leverkusen, der jemals im Oberhaus eingesetzt wurde. Zuvor hatte Nationalspieler Havertz, gegen Bremen der Matchwinner, den Rekord gehalten.
Nur zwei Spieler waren überhaupt jünger in der Bundesliga-Geschichte: Nuri Sahin bei Borussia Dortmund (16 Jahre, elf Monate und ein Tag) und Yann Aurel Bisseck beim 1. FC Köln (16 Jahre, elf Monate und 28 Tage). Dass Rekordhalter Sahin sein Debüt damals in Bert van Marwijk einem niederländischen Trainer verdankte, ist vermutlich kein Zufall.
Bayer Leverkusens Trainer Peter Bosz überzeugte Florian Wirtz vom Wechsel
Denn Coaches aus dem Nachbarland haben seit jeher mehr Mut beim Einbau von Talenten bewiesen, etwa Louis van Gaal beim FC Bayern mit Thomas Müller, Holger Badstuber und David Alaba. Und Bosz war beinahe von Anfang an in den Transfer von Wirtz involviert.
Ein Gespräch zu Jahresbeginn in einer Loge der BayArena mit dem Trainer, den Vorstandsbossen Fernando Carro und Rudi Völler sowie Sportdirektor Simon Rolfes gab letztlich den Ausschlag für die Entscheidung pro Leverkusen und gegen die prominenten Mitbewerber: Der FC Bayern, Borussia Dortmund, RB Leipzig, Schalke 04 und angeblich sogar der FC Liverpool wollten Wirtz verpflichten.
"Ich wusste, dass viele Vereine interessiert sind und dann haben wir überlegt, bevor er irgendwo anders hingeht, wollen wir versuchen, dass er zu uns kommt und weiter zu Hause wohnen kann", erklärte Rolfes bei SPOX und Goal . "Ich kenne den Spieler, seit er 14 ist. Es hat sich etwas überraschend die Möglichkeit ergeben, weil der Vertrag auslief und dann haben wir uns bemüht."
Riesenärger beim 1. FC Köln über den Verlust von Wirtz
Beim 1. FC Köln war man extrem verärgert und wetterte gegen einen Verstoß der 2001 von den Vorständen beider Klubs und von Borussia Mönchengladbach getroffenen Absprache, gegenseitig keine Spieler aus dem Nachwuchs abzuwerben. Doch bei Bayer sah man sich nicht daran gebunden, da man Wirtz direkt als Profi unter Vertrag nahm.
Ein herber Schlag für die Geißböcke, denn der offensive Mittelfeldspieler gilt als einer der größten Hoffnungsträger im deutschen Fußball. Der Kölner Express bezeichnete Wirtz als den "besten Mittelfeldspieler, der in den vergangenen 30 Jahren die FC-Jugend durchlaufen hat". Der DFB-Auswahlspieler, dem ein herausragendes Spielverständnis nachgesagt wird, hatte maßgeblichen Anteil am Gewinn der deutschen U17-Meisterschaft im vergangenen Juni. Überregionale Bekanntheit erhielt er durch sein Tor von der Mittellinie fünf Sekunden nach dem Anstoß beim 10:0 im Junioren-Bundesligaspiel gegen den Wuppertaler SV im Dezember.
Wirtz, der seit 2010 beim FC spielte, wohnt bei seiner Familie im nördlich von Köln gelegenen Pulheimer Stadtteil Brauweiler. Offenbar mit Blick auf lukrative Offerten lehnten die Eltern, die auch als seine Berater fungieren, nach Angaben der Kölnischen Rundschau beim Eintritt des Sohns in die U16 den in diesem Alter üblichen Dreijahresvertrag plus ein nachverhandelbares weiteres Jahr ab und beharrten auf einem Kontrakt über nur zwei Spielzeiten. So kamen die Leverkusener ins Spiel.
Rudi Völler lockte mit den Vorbildern Kai Havertz und Julian Brandt
"Wir haben Florian in den Gesprächen eine sportliche Perspektive aufgezeigt und sicherlich auch davon profitiert, dass wir in der Vergangenheit vielen jungen Spielern wie Kai Havertz, Julian Brandt oder Benjamin Henrichs sehr früh die Chance gegeben haben, sogar in der Champions League aufzulaufen. Diesen Vorteil haben wir uns erarbeitet, und mit diesem Pfund nicht zu wuchern, wäre dumm und verantwortungslos unserem Verein gegenüber", sagte Völler damals.
Nur viereinhalb Monate später wurde dessen Prophezeiung in Bremen bereits in die Tat umgesetzt. Nach der Verletzung von Lars Bender erst in den Kader gerückt, stand Wirtz am Montagabend direkt in der Startelf und überzeugte mit einem für sein Alter äußerst abgeklärten Auftritt. "Das ist immer etwas Besonderes, wenn man ein Debüt macht. Erst recht mit 17", meinte Bosz. "Es war alles in allem eine gute Leistung von ihm, er war nicht nervös."