Manchmal bedarf es keiner Meisterschaft, damit man sich an ein bestimmtes Team erinnert. Es muss nicht ewig zusammenspielen, keine Ära prägen, nicht den Startschuss oder das letzte Hurra in der Karriere eines Superstars darstellen.
Manchmal reicht auch ein Haufen bunter Charaktere, ein legendär kauziger Head Coach und ein bis heute genialer, weil so einfacher Slogan. Und, in diesem Fall, natürlich einer der größten Überraschungen der NBA-Geschichte.
Mavericks vs. Warriors: Davis gegen Goliath
Am 21. April 2007 war bei den Mavericks die Welt in Ordnung. Die Situation war sogar blendend. Nach der Enttäuschung in den Finals im Vorjahr hatte sich das Team von Avery Johnson nochmals gesteigert, mit 67 Siegen eine der besten Regular Seasons der Geschichte hingelegt. Franchise Player Dirk Nowitzki hatte den MVP-Award zwar noch nicht bekommen, galt aber als großer Favorit.
Entsprechend gingen die Mavs mit breiter Brust in die Playoffs, in der Hoffnung, in diesem Jahr endlich den ersten Titel der Franchise-Historie zu holen. Als Konkurrenten dafür galten die Suns, Spurs, vielleicht noch die Pistons oder Cavaliers. Sicher jedoch nicht das Team, das Dallas in der ersten Runde aus dem Weg räumen müsste.
Die Warriors hatten sich schließlich erst auf den letzten Drücker überhaupt für die Playoffs qualifiziert, waren zum ersten Mal seit 1994 dabei, mit 42 Siegen beileibe kein Top-Team. Die Favoritenrolle war also mehr als eindeutig verteilt. Und dennoch: Ein ganz normales 1-8-Matchup war diese Serie von Beginn an nicht.
Don Nelson hatte eine Rechnung offen
Von 1997 bis 2005 hatte Don Nelson bei den Mavericks an der Seitenlinie gestanden, war maßgeblich dafür verantwortlich, dass Nowitzki nach Dallas kam und sich dort durchsetzte, und kannte den Würzburger besser als jeder andere Coach in der NBA. Nelson war Dirks Förderer und aufgrund seiner unkonventionellen Ideen der perfekte Mann, um einen revolutionären Spielertypen wie ihn auf die Liga loszulassen.
Kurz vor den Playoffs 2005 hörte Nellie in Texas jedoch auf, weil er laut damaliger Aussage den Spaß am Coaching verloren hatte, und wurde von Johnson ersetzt. Jason Richardson von den Warriors hatte eine andere Erinnerung: "Nelson und die Mavs sind sich finanziell nicht einig geworden. Deswegen ging es auch um Rache", sagte der Team-Kapitän Jahre später zu SLAM .
Was auch immer der exakte Grund war, in jedem Fall schien Nelson eine Rechnung offen zu haben mit dem Team, bei dem sein Sohn Donnie nach wie vor als General Manager fungierte. Damit passte er ideal zu seiner neuen Mannschaft, einer Ansammlung von anderswo Aussortierten, die alle etwas zu beweisen hatten.
Warriors: Jeder hielt sich für unterschätzt
Dieses Gefühl zog sich durch den gesamten Kader. "Ich hielt mich für unterschätzt. Die Leute dachten, Baron Davis' Karriere wäre vorbei. Monta Ellis fühlte sich nicht wertgeschätzt, weil er ein Zweitrundenpick war. Stephen Jackson hatte einen schlechten Ruf wegen der 'Malice at the Palace'. Al Harrington hatte die besten Tage hinter sich. Matt Barnes war ein Wandervogel", blickte Richardson auf den Kader zurück.
Um das klarzustellen: Die Spieler, die Richardson dabei aufzählte, waren alle talentiert, teilweise sogar mal All-Stars. Sonderlich viel erwartete jedoch tatsächlich niemand von ihnen. Doch als Jackson und Harrington im Januar via Trade aus Indiana in die Bay Area kamen, klickte etwas. Speziell Jackson war ein Spieler nach dem Geschmack von Nelson.
Kurz nach dem Trade beorderte Nelson Jackson sowie Davis in eine Bar namens Smitty's Cocktails, wie Jackson später bei NBC Sports Bay Area erzählte. "Wir spielten Shuffleboard und tranken stundenlang Scotch. Als BD und ich sturzbetrunken sind, sagt Nellie: 'Ihr Jungs werdet meine Captains sein. Ihr leitet dieses Team und wir werden Spaß haben.'"
"Nellie-Ball" auf der höchsten Stufe
Er sollte Recht behalten. Jackson war nicht nur ein guter Trinkpartner, sondern er brachte auch eine spielerische Komponente, die endgültig "Nellie-Ball" in seiner allerhöchsten Stufe möglich machte. Nelson war nie ein Coach, der Experimente gescheut hätte. In dieser Saison trieb er das Ganze auf die Spitze: Die Warriors spielten oft komplett ohne Bigs, mit einem irrsinnigen Tempo und endlosen Switches, gerade Jackson und Barnes verteidigten dabei immer wieder größere Spieler.
"Sie brachten uns eine Aggressivität, die wir vorher nicht hatten", erinnerte sich Center Adonal Foyle bei SLAM . "Stephen dachte, dass er ein Guard und ein Big Man war - dass er alles tun konnte - und er hat die Leute mitgerissen." Die Dubs beendeten die Saison on fire, gewannen 16 der letzten 21 Spiele und ballerten sich so auf der Zielgeraden noch in die Postseason.
Hier wartete dann das Duell mit dem vermeintlichen Überteam der Regular Season, aber gerade Jackson, der 2003 mit den Spurs Meister wurde, scheute dieses Duell keineswegs. "Es war vielleicht diese Naivität, die uns damals geholfen hat", sagte Nelson. Natürlich war es aber noch mehr als das.
Dallas spielte noch immer mit Nelsons Offensive
Nelsons Nachfolger Johnson brachte bei den Mavs zwar seine eigenen Ideen ein, seine Änderungen bezogen sich aber insbesondere auf die Defensive. Dallas hatte unter Nelson zumeist höchstens mittelmäßig verteidigt, unter Johnson stellte man 06/07 das fünftbeste Defensiv-Rating. Vorne allerdings verließ man sich noch immer auf zu viele Plays, die Nelson selbst etabliert hatte.
Das nutzte er nun. "Er hat uns alle Insider-Informationen weitergegeben", sagte Richardson später im Interview mit SPOX . "Wir kannten wirklich jeden Move von Dirk und wussten immer, wie wir reagieren mussten. Damals war sein Post-Game noch nicht ganz so ausgereift, deswegen konnte er es noch nicht so bestrafen, wenn er von einem kleineren Spieler wie Captain Jack physisch verteidigt wurde."
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Die Oracle Arena wird zu "Roaracle"
Mit diesem Basiswissen und einer vorne halsbrecherischen Spielweise überrumpelten die Warriors Dallas im ersten Spiel. Davis und Jackson legten kombiniert 56 Punkte auf, Nowitzki kam auf 14 Zähler bei 4/16 aus dem Feld. Der Heimvorteil war also direkt futsch, im zweiten Spiel fanden die Mavs jedoch die richtige Antwort und besiegten die frechen Underdogs deutlich.
Wer jedoch dachte, nun wäre wieder alles in der Reihe, unterschätzte sowohl die Spieler der Warriors als auch ihre Fans - denn nun ging es nach Oakland, wo über ein Jahrzehnt sehnsüchtig auf Playoff-Basketball gewartet wurde. Die legendäre "Roaracle Arena" erwachte aus ihrem Dornröschenschlaf und füllte den Slogan "We Believe!" endgültig mit Leben. Nie zuvor wurde ein 42-Siege-Team von einer solchen Euphorie begleitet.
Und selten zuvor passte ein Slogan so gut zu einer bestimmten Truppe. Die Warriors hätten in dieser Serie keine Chance haben sollen, stattdessen verpassten sie den Mavs nun in Spiel 3 eine 18-Punkte-Packung und gewannen Spiel 4 nach spätem Comeback. Spiel 5 schnappte sich Dirk mit 30 Punkten gegen die Elimination, doch danach ging es wieder nach Oakland.
"Ich wartete darauf, dass Dallas aufwacht"
"Ich wartete die ganze Zeit darauf, dass Dallas aufwacht", sagte Nelson später. "Spiel 6 wäre ihre Chance gewesen." Die Warriors gewannen stattdessen mit 25 Punkten Unterschied, ließen sich von ihren Fans feiern und feierten selbst ausgelassen. Barnes sagte Jahre später zu Arash Markazi, dass nach dem Spiel im Penthouse von Nelson mit unter anderem Woody Allen, Jessica Alba und Snoop Dogg Party gemacht wurde. Warum auch nicht? Etwas anderes hätte zu diesem Team kaum gepasst.
Die Warriors zogen eine Runde weiter, wo gegen Utah nach fünf Spielen Endstation war. Danach fiel das Team sofort auseinander, weil Richardson getradet wurde. Bei der nächsten Playoff-Teilnahme für Golden State 2013 hieß der beste Spieler des Teams bereits Stephen Curry. Trotzdem wird jeder Spieler der "We Believe"-Mannschaft in Oakland bis heute wie ein Familienmitglied behandelt.
Dirk Nowitzki: Niederlage 2007 "Teil meiner Karriere"
Und Nowitzki? Der schleuderte nach Spiel 6 voller Wut ein Objekt (wohl einen Stuhl oder Mülleimer) im Spielertunnel gegen die Wand. Das Loch, das dabei entstand, wurde später von Dirkules signiert und dann sogar mitgenommen, als die Warriors von der Oracle Arena ins Chase Center in San Francisco umzogen. Den MVP-Award bekam er erst, als sein Team schon längst im Urlaub weilte.
"Es ist ein Teil meiner Karriere, ein Teil meiner Geschichte. Ich kann nichts daran ändern. Ich mache auch keine Scherze darüber, weil es hart war, das zu erleben", sagte Nowitzki vergangenes Jahr zu The Athletic . "Ich denke aber trotzdem, dass diese Niederlagen mich zu einem besseren Spieler gemacht haben und dazu geführt haben, dass wir 2011 den Titel holen konnten."
Das war Nelson als Coach wiederum nie vergönnt, auch wenn der heute 80-Jährige als Spieler mit den Boston Celtics fünf Meisterschaften gewann. Dafür leitete er mit diesem Team wieder einmal eine Revolution ein - und deutete für kurze Zeit an, was in dieser Halle und mit diesen Fans möglich sein könnte.