Bei allem Lob, das die Dallas Cowboys zuletzt für ihren überraschend schlüssigen Draft und eine durchaus brauchbare Free Agency bekommen haben, schwebt ein großes Manko über allem: Quarterback Dak Prescott und dessen offene Vertragssituation.
Die Cowboys, die bereits im Vorjahr versucht hatten, Prescott langfristig zu binden, haben es bislang nicht geschafft, Prescott zur Unterschrift zu bewegen. Stattdessen wurde der QB erwartungsgemäß mit dem exklusiven Franchise Tag gehalten - er darf somit mit keinem anderen Team verhandeln, würde aber im Gegenzug bei Unterschrift dieses Papiers garantierte rund 31,5 Millionen Dollar in der kommenden Saison verdienen.
Ein stolzer Betrag, besonders für Prescott, der als Viertrundenpick im Draft 2016 in seiner Karriere insgesamt erst etwas mehr als vier Millionen Dollar eingenommen hat. Ein Umstand, der wohl zumindest mal sicherstellt, dass er nicht in den Streik treten wird für die kommende Saison, sollte es bis zur Deadline am 15. Juli nicht zu einer Einigung zwischen beiden Parteien kommen.
Letzteres könnte aber zumindest dazu führen, dass Prescott auf Teile des Trainig Camps - wie auch immer das in Corona-Zeiten vonstatten ginge - verzichten könnte, was für alle Beteiligten problematisch wäre, da es schon kein Offseason-Programm gibt und zudem mit Mike McCarthy ein neuer Head Coach inklusive neuer Offense installiert wurde.
In diesem Szenario hat Prescott indes den Hebel komplett selbst in der Hand - die Cowboys werden den Franchise Tag auf keinen Fall zurückziehen, da Prescott ansonsten Free Agent werden würde. Und er würde auch keine Strafe zahlen müssen, da er essenziell erst "unter Vertrag" steht, wenn er den Franchise Tender auch tatsächlich unterschreibt, was er bislang nicht tat und wozu freilich auch keine Eile besteht.
Dallas Cowboys verpflichten Quarterback Andy Dalton
Dass die Cowboys mittlerweile mit Andy Dalton einen erfahrenen Backup engagiert haben , der im Notfall einspringen könnte, ist sicher gerade in der unklaren Lage ein Vorteil und gibt Dallas ein kleines Sicherheitsnetz.
Doch in den Verhandlungen mit Prescott wird Dalton letztlich eher kein großer Faktor sein. Die Offense ist auf Prescott, dessen Arm und dessen Mobilität ausgelegt. Dalton kann dies nicht reproduzieren und wäre lediglich eine - wenn auch sehr solide - Notlösung.
Das klare Ziel von Prescott und den Cowboys ist jedoch ohnehin eine langfristige Verlängerung der Zusammenarbeit. Aus Teamsicht gibt es ihnen Planungssicherheit, was dieser Tage ohnehin wichtig ist. Aus Spielersicht wäre er damit abgesichert, selbst wenn er sich in der kommenden Saison schwerer verletzen sollte. Ein Risiko, das bei einem Einjahresvertrag umso gravierender wäre.
Bleibt die Frage, wo die Verhandlungen denn stehen und woran es hakt. Die Bereitschaft, sich langfristig zu binden, ist grundsätzlich und offiziell hinterlegt bei beiden vorhanden - die Rahmenbedingungen dagegen sind offen.
Cowboys: Wie viel Geld verlangt Prescott?
Im Vorfeld der 2019er Saison hatten die Cowboys Prescott Gerüchten zufolge ein Angebot über drei Jahre und über 100 Millionen Dollar unterbreitet, Prescott jedoch lehnte ab.
Sein Agent strebte dem Vernehmen nach vielmehr ein Gehalt von bis zu 40 Millionen Dollar pro Jahr an - damit also fünf Millionen mehr im Schnitt als Topverdiener Russell Wilson von den Seattle Seahawks. Was auf den ersten Blick übertrieben wirkte, lässt sich angesichts der Entwicklung des Markts und den ständig steigenden TV-Geldern sowie der Salary Cap durchaus nachvollziehen. Es kam bekanntlich nicht zum Abschluss.
Nun scheinen sich die Cowboys auf einen Fünfjahresvertrag festgelegt zu haben, schließlich handelt es sich bei Prescott um einen der besten jungen Quarterbacks der Liga, der nun schon zweimal im Pro Bowl stand und 2016 Offensive Rookie of the Year wurde.
Käme er auf den freien Markt, wäre er sicherlich einer der gefragtesten Quarterbacks seit einiger Zeit. Prescott hingegen tendiert Berichten zufolge nun aber eher zu einem Vierjahresdeal - hier scheint aktuell der größte Teil der Debatte stattzufinden.
Dallas Cowboys: Vier oder fünf Jahre für Dak Prescott?
Der Gedanke dahinter: Am Ende dieses potenziellen Rekordvertrags wäre er dann gerade mal 30 Jahre alt, somit im besten Alter für einen weiteren Megavertrag für einen Quarterback in einer NFL, die dann womöglich wirtschaftlich noch besser dasteht mit den nächsten TV-Vertragen, die in Kürze ausgehandelt werden und wahrscheinlich eine weitere enorme Einnahmensteigerung für die Liga bedeuten würden - Big Player wie Amazon und Disney sollen stark an einem größeren Engagement interessiert sein.
Die Cowboys wiederum haben sich mit ihrem Geschäftsgebaren der vergangenen Jahre in eine schwierige Verhandlungssituation manövriert. Zum einen gelang es ihnen nicht, Prescott schon frühzeitig zu binden. Zwangsläufig wird es nun teurer als vor einem Jahr, als Prescott zumindest mal noch nicht nachgewiesen hatte, zur oberen Riege der Quarterbacks zu gehören. 2019 holte er dies jedoch eindrucksvoll nach.
Cowboys-COO Stephen Jones äußerte sich vor kurzem im Podcast von Pro Football Talk zu dem Thema dennoch überraschend offen: "Wir versuchen einfach unser Bestes, um den Kuchen bestmöglich so zu verteilen, um einen Super Bowl zu gewinnen. Wissen Sie, es gibt so viel Analytics, die zeigt, dass wenn ein Quarterback zu viel vom Salary Cap einnimmt, sich Ihre Chancen zu gewinnen verringern."
Jones betonte zudem, dass "keiner Dak mehr langfristig binden will als Jerry Jones und ich" und, dass Dak den "It-Faktor" habe. Doch die Aussage zu Analytics bedarf einer näheren Betrachtung. Nicht die Aussage an sich, denn die ist für sich genommen schon mal nicht bewiesen.
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Cowboys ignorierten Analytics bei Vertrag für Zeke Elliott
Der Zusammenhang zwischen dem Gehalt - und dem Cap-Hit - eines Quarterbacks und dem Erfolg des Teams ist eher zufälliger Natur. Natürlich fällt es leichter, ein starkes Team um den QB herum zu bauen, wenn dieser noch mit seinem günstigen Rookie-Vertrag spielt, denn dann bleibt mehr Platz unter der Gehaltsobergrenze für die Spieler um ihn herum.
Aber zu behaupten, dass Analytics beweisen würden, dass hochbezahlte QBs nicht gewinnen, ist schlicht falsch.
Zum blanken Hohn wird Jones' Aussage aber dann, wenn man bedenkt, wie wenig dieses Front Office das Thema Analytics noch vor einem Jahr interessiert hat: Damals nämlich statteten die Cowboys Running Back Ezekiel Elliott mit einem Rekordvertrag in Höhe von 90 Millionen Dollar (50 Millionen garantiert) aus.
Aus Analytics-Sicht begingen sie damit im Grunde eine Roster-Building-Todsünde, denn analytisch betrachtet ist es tatsächlich erwiesen , dass es keinen Sinn macht, Running Backs hoch zu bezahlen. Die Position ist schlicht nicht so wichtig für eine effiziente Offense und die Fülle an Talent auf dieser Position ist in der Spitze so gut, dass es unerheblich ist, wer denn nun diese Position bekleidet.
Unterm Strich war es ein großer Fehler, Elliott zu bezahlen - und dieser teure Vertrag erschwert die Prescott-Verhandlungen zusätzlich. Prescott auf der wichtigsten Position überhaupt im Football zu bezahlen, wäre dagegen der absolut richtige Schritt und unabdingbar, wollen die Cowboys tatsächlich auf absehbare Zeit mal wieder einen Super Bowl gewinnen.
"Wenn wir bereit sind zu spielen, wird er da sein"
Von einer Trennung geht zumindest niemand aus. Teameigner und General Manager Jerry Jones sagte erst kürzlich: "Wenn wir bereit sind zu spielen, wird er da sein."
Die Frage ist somit scheinbar nicht ob, sondern eher wann es denn zur Einigung mit Prescott kommt. Auf der einen Seite wäre es für beide Seiten sinnvoll, so schnell wie möglich zur Einigung zu kommen. Die Cowboys hätten Planungssicherheit, Prescott die Gewissheit, das seine Zukunft auch im Fall einer Verletzung gesichert wäre.
Darüber hinaus aber gibt es für die Cowboys noch einen weiteren Grund für eine schnelle Einigung: Der Fall Kirk Cousins.
Cousins und die Washington Redskins schafften es vor ein paar Jahren nicht, sich auf einen langfristigen Deal zu einigen, sodass die Redskins Cousins zweimal in Serie mit dem Franchise Tag belegten. Am Ende wäre ein dritter Tag schlicht viel zu teuer geworden für die Redskins, sodass diese letztlich tatenlos mit ansehen mussten, wie ihr potenzieller Franchise-Quarterback ohne Kompensation ging - und sich den Vikings mit einem voll garantierten Vertrag anschloss.
Das gilt es aus Sicht der Cowboys tunlichst zu vermeiden.
Dallas Cowboys: Corona-Krise erschwert Planungen
Nun befinden wir uns allerdings in einer alles andere als normalen Offseason. Die Coronavirus-Pandemie zieht auch in der NFL ihre Kreise und wird mit großer Wahrscheinlichkeit auch diese Liga treffen. Selbst wenn der Spielplan so durchgezogen werden kann wie in der Vorwoche verkündet, wird es sehr sicher keine Zuschauer geben, womit große Einnahmeverluste zu erwarten sind. Selbst wenn der Spielbetrieb 2020 nicht betroffen sein sollte, was aktuell noch in den Sternen steht, hätte dies wohl zumindest für die Folgejahre Konsequenzen.
Adam Schefter von ESPN spekulierte kürzlich in einem Podcast von NFL Update , dass zur Kompensation der Verluste die Salary Cap für 2021 womöglich drastisch gesenkt werden könnte. In dieser Saison beträgt die Obergrenze 198 Millionen Dollar. Schefter, der wohl besser als jeder andere NFL-Insider vernetzt ist, rechnet mit einer Reduzierung dieser Zahl um "irgendwas zwischen 30 und 80 Millionen Dollar", was ein drastischer Einschnitt wäre.
Sollte es dazu kommen, wäre dies gerade für Prescott durchaus ein guter Grund, schon in diesem Jahr zu unterschreiben. Aus Cowboys-Sicht dagegen stellt sich die Frage, ob diese Ungewissheit nun gut oder schlecht für die aktuellen Verhandlungen wäre.
Sie hätten bei einem diesjährigen Abschluss die Personalie vom Tisch. Doch stünden dann 2021 vielleicht gravierende Cuts an, besonders wenn Prescott den erwarteten Rekorddeal bekäme. Auf der anderen Seite hätten sie dann vielleicht 2021 ein gutes Argument, den Preis zu drücken - und generell dann ein besseres Verständnis, wie die wirtschaftliche Lage nach Corona aussähe.
Die Cowboys haben unter der Führung der Jones-Familie die Tendenz, bis zur Sichtweite einer Deadline nicht wirklich ihre Karten auf den Tisch zu legen, weshalb hier erst Mitte Juli mit einer Lösung zu rechnen ist.
Aber letztlich bleibt wohl bei allen Beteiligten die Erkenntnis, dass man die aktuell verzwickte Situation durchaus hätte vermeiden oder zumindest einfacher gestalten können. Beide Seiten sind jetzt an einem heiklen Punkt, die Stimmung in solchen Verhandlungen kann jederzeit kippen. Und so bleibt auch die Warnung der jüngeren Geschichte: die Cowboys sollten die vertragliche Situation mit Prescott vermutlich nicht auf die Spitze treiben.