"Der Großteil meines Geldes ist für Alkohol, Weiber und schnelle Autos draufgegangen. Den Rest habe ich einfach verprasst", sagte George Best einmal. Wie untrennbar das Klischee des exzessiven, trinkfesten Raufbolds an der Identität des britischen Fußballs haftet, untermauern seit jeher die legendären Viten um Best, Paul Gascoigne, Robin Friday und Co.

Einer, der sich nahtlos in die Chronik der alten Haudegen einreiht, ist Craig Bellamy. Auf dem Platz bestach der Waliser durch unbändigen Willen, Explosivität und pure Besessenheit. Bellamy ließ sich nicht zügeln - von seinen Gegenspielern ebenso wenig wie von seinen eigenen Kameraden. "Er kann es mit der ganzen Welt aufnehmen", sagte sein ehemaliger Wales-Coach John Toshack. Diese Aussage war durchaus wörtlich zu verstehen.

Alkoholexzesse, Wrestling-Einlagen, Prügel mit dem Achter-Eisen: Bellamy trieb seine Trainer stets in den Wahnsinn und nur die wenigsten waren in der Lage, den exzentrischen Hitzkopf im Zaum zu halten. Zugleich lieferte er die genau die Art von Pub-tauglichen Anekdoten, die ihm innerhalb der Fanszene Kultstatus bescherten.

Die pikante Mischung aus Talent und Exzentrik

Bereits mit 15 Jahren zog es den in Cardiff geborenen Bellamy nach Norwich, wo er sich innerhalb von knapp vier Jahren zum vielversprechenden Sturmtalent mauserte und im Sommer 2000 für umgerechnet rund zehn Millionen Euro von Coventry City verpflichtet wurde. Ein weiteres Jahr später folgte der Wechsel zu Newcastle United.

Dort nahm ihn Sir Bobby Robson unter seine Fittiche und platzierte ihn in der Offensive neben dem legendären Alan Shearer. Die Rechnung ging auf: Mit dem unermüdlichen und Freiraum schaffenden Bellamy im Rücken erzielte Shearer 23 Tore in der Premier League - der zweitbeste Wert seiner Karriere - und führte sein Team auf Platz vier. Bellamy traf neunmal. In der darauffolgenden Saison erreichten die Magpies sogar den dritten Rang.

"Wenn er auf dem Feld steht, gibt er nicht weniger als 100 Prozent. In vielerlei Hinsicht ist er der perfekte Profi", sagte Robson bei WalesOnline . Gleichzeitig lernte der Coach jedoch schnell, "dass man bestenfalls nicht in einen Streit mit Craig Bellamy gerät". Spielerische Klasse gab es im Falle Bellamys nur im Gesamtpaket mit einem äußerst exzentrischen Auftreten. "Er gehört zu den großmäuligsten Spielern, die ich je getroffen habe", so Robson. Überall, wo Bellamy auftauchte, eckte er an - sei es bei Mitspielern, Fans, Medien oder Trainern.

Craig Bellamy im Steckbrief

geboren 13. Juli 1979 in Cardiff Größe 1,73 m Position linker Flügel, Stürmer Stationen Norwich Jugend, Coventry City, Newcastle United, Celtic FC, Blackburn, Liverpool, West Ham, ManCity, Cardiff, Liverpool, Cardiff PL-Spiele/-Tore 294/81

"Fuck the game, fuck the club, fuck John Carver"

So zum Beispiel vor einer UEFA-Cup-Partie im März 2004, als er sich mit dem Co-Trainer John Carver anlegte. "Wir sind am Flughafen angekommen, um zum Spiel gegen Real Mallorca zu reisen und hielten uns dort in einem Nebenraum auf", blickte Newcastle-Legende Shay Given in seiner Biografie "Shay: Any Given Saturday' zurück: "Aus welchem Grund auch immer hatte Craig entschieden, nicht mitzureisen und drehte völlig durch: 'Fuck the game, fuck the club, fuck John Carver.' Als er Carver weiter beschimpfte, war es endgültig vorbei. Beide gingen aufeinander los, kämpften auf dem Boden und beleidigten sich gegenseitig. Ich konnte kaum glauben, was ich sah. Ich war nah am Geschehen dran und auf einmal warf Craig mit einem Stuhl, der mich nur knapp verfehlte."

"Bei einem Kampf geht es nicht nur um Fäuste. Was auch immer man zu fassen bekommt, nimmt man", gab Bellamy im Anschluss seine Wrestling-Weisheiten zum Besten. Wenige Minuten später bekam Robson, der sich im Raum nebenan in einer Presserunde befand, Wind von der Aktion und stürmte in den Raum. Qua seiner natürlichen Autorität gelang es dem Coach, Bellamy zu beruhigen und ihn ins Flugzeug zu bugsieren.

Shearer zu Bellamy: "Wenn Du je zurückkommst, schlage ich dir den Kopf ab"

Robson hatte ein Händchen dafür, den Hitzkopf zu kontrollieren. Als er im August 2004 nach einem schwachen Saisonstart jedoch entlassen wurde, neigte sich auch Bellamys Zeit bei den Magpies allmählich dem Ende zu. "Es ist wahrscheinlich meine größte Schwäche, dass ich mich nur schwer an jemand Neues anpassen kann", schreibt Bellamy in seiner Biografie "GoodFella." Diese Schwäche spiegelte sich auch im Verhältnis zu Graeme Souness wider.

Der neue Coach plante Bellamy zunächst auf dem Flügel statt im Zentrum ein, doch der sträubte sich dagegen. Regelmäßig gerieten die Beiden im Training aneinander. Nach der Auswechslung in einem Ligaspiel beschimpfte Bellamy seinen Trainer vor laufender Kamera als "verdammtes Arschloch". Nachdem Bellamy einige Wochen später dann eine Verletzung vorgetäuscht hatte, hatte Souness genug und verfrachtete den Querulanten für ein halbes Jahr zu Celtic Glasgow - eine Rückkehr war undenkbar. Auch Shearer, der trotz der sportlichen Erfolge des Duos ein schwieriges Verhältnis zu Bellamy pflegte, verabschiedete sich bereits von seinem Sturmpartner via SMS: "Wenn Du je nach Newcastle zurückkommst, schlage ich dir den Kopf ab."

So wechselte Bellamy dann im Sommer 2005 zu den Blackburn Rovers. Beflügelt von der vertrauensvollen Beziehung zu seinem neuen Coach und Landsmann Mark Hughes erzielte Bellamy 13 Ligatore und spielte sich innerhalb einer Saison wieder in den Fokus der Top-Klubs. Schließlich klopfte der FC Liverpool an und sicherte sich die Dienste des Walisers.

Bellamy vermöbelt Riise mit Golfschläger: "Er hätte meine Karriere beenden können"

Dass Bellamy - wahlweise aus Frust oder Freude - ganz gern mal zum Glas greift, war schon damals kein Geheimnis. Was ein alkoholisierter Bellamy zu leisten imstande ist, durfte dann Liverpools John Arne Riise bereits wenige Monate nach der Ankunft seines neuen Mitspielers am eigenen Leib erfahren.

Während eines Kurztrainingslagers vor dem Champions-League-Achtelfinale gegen den FC Barcelona im Februar 2007 organisierte Kapitän Steven Gerrard einen Mannschaftsabend in einer Karaoke-Bar. Ohne Trainer, mit Alkohol. Die Stimmung war losgelöst und Bellamy hatte bereits ein paar Pints intus, als er Riise aufforderte, beim Wettbewerb mitzusingen. Der Norweger, der die Situation in der Biografie "Running Man" aus seiner Sicht schilderte, entgegnete: "Ich singe nicht. Halt dein Maul oder ich schlag dich kaputt", woraufhin Bellamy zurückbrüllte: "Ich bring dich um, du rothaarige F***e."

Bevor die Situation komplett eskalierte, verließ Riise die Bar und begab sich auf sein Zimmer: "Ich bin ziemlich schnell eingeschlafen, es war vielleicht halb zwölf. Auf einmal wurde ich im Dunkeln wach und hörte, wie jemand die Tür öffnete. Ich drehte mich um, konnte aber in dem hellen Licht zunächst nichts erkennen. Doch dann sah ich ihn: Craig Bellamy an meinem Fußende mit einem Golfschläger in den Händen. Er holte aus und schlug so stark zu, wie er konnte."

Der mittlerweile sturzbetrunkene Waliser drosch mehrmals auf seinen Kameraden ein, erwischte ihn an der Hüfte und am Oberschenkel. "Er hätte meine Karriere beenden können", war sich Riise sicher, während Bellamy die Ereignisse nicht ganz so eng sah: "Ich habe ihn mit der Rückseite des Schlägers geschlagen. Aber ich habe nicht voll durchgezogen. Es war vielmehr ein Hieb, ehrlich."

Der englische Boulevard tauft Bellamy im Anschluss "The Nutter with the Putter" - der Irre mit dem Putter. Dass es sich bei der Tatwaffe zwar um ein Achter-Eisen und keinen Putter gehandelt hatte, sollte dabei nur eine Randnotiz bleiben. Bellamy wurde vom Verein mit einer Geldstrafe in Höhe von 120.000 Euro belangt. Wenige Tage später folgte das Hinspiel gegen Barca.

Nachdem die Reds zunächst mit 0:1 in Rückstand geraten waren, erzielte ausgerechnet Bellamy den zwischenzeitlichen Ausgleich und bejubelte seinen Treffer stilecht mit einem simulierten Golfschlag. Einige Buchmacher kam dieser Jubel teuer zu stehen: Sie hatten eine Quote von 100:1 geboten für den Fall, dass Bellamy ein Tor auf diese Art zelebrieren würde. Anschließend legte der Waliser dann noch den 2:1-Siegtreffer auf. Der Torschütze: John Arne Riise. "Es war vom Schicksal für uns beide bestimmt", lachte der Norweger im Anschluss über die hollywood-reife Episode. Die Streithähne hatten sich offenbar wieder lieb. Der Daily Mirror resümierte treffend: "Zwei über Par."

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Der Nomade zieht weiter

Liverpool erreichte in jenem Jahr das Finale der Königsklasse, musste sich dort jedoch dem AC Mailand geschlagen geben. Bellamy schmorte dabei die volle Spielzeit über auf der Bank und erfuhr auf dem Rückflug von Trainer Rafa Benitez, dass man künftig nicht mehr mit ihm plane. Next stop: West Ham United.

Nach anderthalb Jahren im Osten Londons zog es Bellamy im Januar 2009 zu Manchester City, wo er erneut unter seinem ehemaligen Weggefährten Mark Hughes trainierte. Die Folgesaison 2009/10 mutierte zur besten Premier-League-Spielzeit seiner Karriere, was die Zahlen anging. Trotz der zwischenzeitlichen Amtsübernahme von Roberto Mancini erzielte Bellamy zehn Tore und bereitete zehn weitere vor.

Diverse Uneinigkeiten mit dem italienischen Trainer führten letztlich jedoch dazu, dass Bellamy sein Nomadendasein weiterführte: Erst per Leihe zum Heimatklub aus Cardiff, dann die Rückkehr nach Liverpool. Es war bereits der vierte Wechsel innerhalb von vier Jahren. Doch urplötzlich geriet das Fußballgeschäft in den Hintergrund.

Gary Speed begeht Selbstmord: "Die schlimmste Zeit meines Lebens"

Als Bellamy vom Suizid seines ehemaligen Mannschaftskameraden und langjährigen Freundes Gary Speed erfuhr, brach für ihn eine Welt zusammen. "Meinen besten Kumpel zu verlieren, hat alles verändert. Ich kann nicht glauben, wie hart das ist", sagt er dem Sunday Mirror . Der Vorfall beeinträchtigte Bellamy nachhaltig: Seine Ehe ging in die Brüche, er litt an Depressionen und nahm psychologische Unterstützung in Anspruch. "Es ist die schlimmste Zeit meines Lebens", sagte er damals.

Bellamy sehnte sich nach seinen Kindern und der Heimat. Auf eindringlichen Wunsch wechselte er nach Cardiff. Bei den Bluebirds erfüllte er sich schließlich im Spätherbst seiner Karriere "einen unmöglichen Traum." Angetrieben vom 33-jährigen Altmeister Bellamy, der in der Saison 2012/13 insgesamt 33-mal auf dem Platz steht und an zwölf Toren direkt beteiligt ist, schrieb der Zweitligist Geschichte: Erstmals seit 53 Jahren stieg Cardiff in die höchste englische Spielklasse auf. "Mit Cardiff aufzusteigen, ist der stolzeste Moment meiner Karriere. Nie zuvor hatte ich so ein Gefühl, denn es ging dabei um meinen Hintergrund und meine Geschichte", so Bellamy. Manchmal liegt das große Glück eben direkt vor der Haustür.

Seit jeher bemühte Bellamy jedoch nicht den geradlinigen, spießigen Weg. Nach insgesamt elf Profistationen und 78 Länderspielen verkündete er im Sommer 2014 sein Karriereende: "Es ist genug." Im Rückblick auf seine zahlreichen Eskapaden blieb ihm die Erkenntnis: "Ich glaube nicht, dass ich meinen Ruf jemals loswerde." Vielleicht ist das auch ganz gut so. Craig Bellamy und britische Fußballmentalität - das passte im wörtlichen Sinne wie die Faust aufs Auge.