Herr Rolff, mit 36 Jahren beendeten Sie Ihre aktive Karriere. Wann haben Sie erstmals mit dem Gedanken gespielt, Trainer zu werden?
Wolfgang Rolff: Ich habe mir mit 30 ungefähr das erste Mal darüber Gedanken gemacht. In diesem Alter hat man als Spieler bereits eine Menge Erfahrung gesammelt. Während meiner Zeit bei Fortuna Köln hat der damalige Präsident Jean Löring darüber nachgedacht, mich als Trainer zu installieren. Das hat zwar letztlich aus unterschiedlichen Gründen nicht funktioniert, aber es war für mich klar, dass ich dem Fußball erhalten bleiben möchte und wenn möglich, als Trainer.
Waren Sie im Laufe Ihrer Karriere bereits die rechte Hand des Trainers?
Rolff: Ich war während meiner Karriere oft Kapitän, dadurch war ich mit ungefähr ab 27 bis zu meinem Karriereende die rechte Hand des Trainers. Ich war zudem schon immer ein Mannschaftsspieler und habe mich vor allem für den Umgang mit jungen Spieler eingesetzt
1997 übernahmen Sie den Posten des Co-Trainers beim HSV unter Felix Magath. Wie kam es dazu?
Rolff: Der damalige Sportdirektor Bernd Wehmeyer hat mich kontaktiert und gesagt, dass es Probleme gibt und gefragt, ob ich mir den Job vorstellen kann. Der HSV hatte eine gute Mannschaft, konnte aber nicht das umsetzen, was in ihr steckte. Ich habe nicht lange darüber nachgedacht und zugesagt.
Wie haben Sie den Trainer Magath kennengelernt?
Rolff: Wir haben früher bereits beim HSV zusammengespielt, später war er bei Bayer Uerdingen mein Manager. Wenn man sich so lange und so gut kennt, dann entwickelt man ein gewisses Vertrauen. Er hatte seine Ideen und war damit auch immer erfolgreich.
Viele verbinden mit Magaths Training den Medizinball. War das schon immer Teil seiner Trainingsmethoden?
Rolff: Training mit dem Medizinball ist ja nicht schlimm. Es kommt ganz darauf an, wie man ihn einsetzt (lacht). Das gleiche gilt für Hürden, Sprungseile usw. Andere Trainer trainieren auch mit Medizinbällen, sicherlich hat der ein oder andere Trainer nicht so oft Medizinbälle genutzt. Am Ende kommt es darauf an, wie erfolgreich man ist und das war Magath. Er hat viele Klubs gerettet, ich kann nicht sagen, ob im Anschluss Probleme aufgetaucht sind. Aber ob das an den Medizinbällen lag, sei einmal dahingestellt (lacht).
Wie kann man sich die Aufgaben eines Co-Trainers zur damaligen Zeit vorstellen?
Rolff: Das Trainerteam war damals nicht so groß wie heute. Wir hatten einen Torwarttrainer und zwei Co-Trainer. Damals musste man neben der Trainertätigkeit auf dem Platz beispielsweise das Scouting selbst abdecken. Das hieß damals noch Spielbeobachtung und man musste nach dem Training noch zu Spielen fahren, um die Spieler unter die Lupe zu nehmen. Der Co-Trainer und der Torwarttrainer teilten sich auf und übernahmen die Arbeit. Darüber hinaus haben wir uns um die verletzten Spieler gekümmert. Heute gibt es ganze Abteilungen für solche Aufgaben.
Welche Erwartungen hatten Sie an die Co-Trainer-Tätigkeit?
Rolff: Ich wollte frei arbeiten und meinen Teil mit einbringen. Das hat auch in den ganzen Jahren in Absprache mit den Cheftrainern gut funktioniert, sodass ich so trainieren konnte, dass es am Ende Erfolg brachte. Ich konnte mich ausleben und das einbringen, was mich als Spieler ausgezeichnet hat.
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"Einige Jugendspieler dachten, dass Training mit angezogener Handbremse reicht"
Zum Beispiel?
Rolff: Beispielsweise der Umgang mit jungen Spielern. In Bremen (2004 - 2013, die Red.) war für Talente, wie zum Beispiel Martin Harnik oder Max Kruse schwer, ins Team zu kommen, weil wir mit Spielern wie Diego, Torsten Frings oder Miroslav Klose eine super Mannschaft hatten. Dann ist es nicht einfach, die Jungs bei der Stange zu halten. Das habe ich probiert und ihnen einiges auf den Weg gegeben. Wenn man sich die Entwicklung ansieht, können alle eine super Bundesliga-Karriere oder eine internationale Karriere vorweisen. Dem ein oder anderen konnte man auch eine professionellere Einstellung einreden.
Kam es vor, dass Spieler keine professionelle Einstellung an den Tag gelegt haben?
Rolff: Nicht direkt. Einige Jugendspieler dachten sicherlich, dass Training mit angezogener Handbremse ausreicht. Allerdings kann ich keinen älteren Star verdrängen, wenn ich mit Handbremse trainiere, da sie routinierter sind. Wenn man als junger Spieler mehr Power hat, muss man das auch zeigen, um sich in den Fokus zu spielen. Der ein oder andere Spieler musste das lernen. Es gab wenige Spieler, die keine professionelle Einstellung an den Tag gelegt haben. Die meisten haben das Maximum aus ihrer Karriere rausgeholt und dafür muss man am Ende nicht unbedingt Nationalspieler geworden sein.
Fällt Ihnen dazu ein konkreter Name ein?
Rolff: Zum Beispiel Dominic Peitz, der früher bei den Bremer Amateuren und jahrelang in der zweiten und dritten Liga gespielt hat. Er war vom Einsatz her vorbildlich, es fehlt dann eben ein ganz kleines Stück für die Bundesliga. Für sich persönlich hat er aber unheimlich viel gewonnen. Er hat immer das umgesetzt, was man ihm vermittelt hat. Ich habe auch einen Mesut Özil trainiert, der Nationalspieler und Weltmeister wurde, aber einen anderen Karriereweg als Peitz eingeschlagen hat. Er hatte sicherlich auch andere Fähigkeiten, aber beide können auf eine großartige Karriere zurückblicken.
Inwieweit hat Ihre Erfahrung einen Teil dazu beigetragen, Spieler in die richtige Bahn zu lenken?
Rolff: Als Spieler hat man alles erlebt, sei es englische Wochen oder gewonnene und verlorene Finals. Ich finde, dass für ein Trainerteam Erfahrung wichtig ist, die den Spielern vermittelt werden kann. Die Spieler hören zu, sind wissbegierig und finden vieles aus der Vergangenheit spannend. Sie versuchen das auch in der Zukunft umzusetzen, was schön anzusehen ist. Wenn die Spieler einen erfolgreichen Trainer haben, wollen sie erreichen, was er bereits erreicht hat.
Konnten Sie Spieler mit Ihrer Geschichte mitreißen?
Rolff: Der ein oder andere Spieler hat gefragt, wie die Freizeitgestaltung früher ablief, als es noch keine PlayStation gab. Damals haben wir noch Tischtennis, Skat oder Poker gespielt. Die Gamer, die es heute unter den Profis gibt, gab es damals nicht. Wir mussten uns anders beschäftigen. Ich kann mir vorstellen, dass einige aktuelle Profis nach der Karriere in den eSport übergehen.
Wie meinen Sie das konkret?
Rolff: Manch einer hat ja bereits ein Team. Während zu meiner Zeit Spieler gesagt haben, dass sie Trainer werden und im Fußballgeschäft bleiben wollen, wird es vielleicht Spieler der jüngeren Generation geben, die sich stattdessen im Gaming etablieren wollen, ob das jetzt FIFA ist oder andere Spiele.
Rolff über Meppen, Stuttgart und Leverkusen
Nach Hamburg übernahmen Sie den SV Meppen als Cheftrainer. Wie kam der Schritt zum Cheftrainer zustande?
Rolff: Wenn man Cheftrainer werden kann, dann sollte es auch das Ziel sein. Daher habe ich mich zu dem Schritt entschlossen.
In Meppen blieben Sie knapp sieben Monate. Woran scheiterte es dort?
Rolff: Meppen kämpfte zu dem Zeitpunkt um den Klassenerhalt in der zweiten Liga. Zuvor hatten Sie um den Aufstieg in die Bundesliga gespielt. Das Problem war die Altersstruktur, der Durchschnitt lag bei 33 oder 34 Jahren. Man hat über Jahre hinweg mit derselben Mannschaft gespielt und die Verjüngung verpasst. Als ich kam, wollte ich junge Spieler einbinden, was teilweise funktioniert hat. Wir haben gute Spiele gemacht, nur die Ergebnisse haben leider nicht gestimmt. Wenn man nur Unentschieden spielt oder knapp verliert, dann leidet der Glauben der Mannschaft, das Ruder noch umreißen zu können, darunter. Hinzu kamen Verletzungen der älteren Spieler, sodass wir letzten Endes die Klasse nicht halten konnten.
Direkt im Anschluss erhielten Sie ein Angebot vom VfB Stuttgart, einer Spitzenmannschaft, gespickt mit Top-Spielern. Dort waren Sie wieder als Co-Trainer tätig. Wie schwer war die Umstellung aus dem Tabellenkeller der zweiten Liga in die obere Region der Bundesliga?
Rolff: Die Umstellung fiel mir absolut nicht schwer. Die Mannschaft hatte einige Nationalspieler, dort herrschte eine ganz andere Qualität. Die Arbeit in Meppen war gut, aber nicht von Erfolg gekrönt, während die spätere Arbeit von erfolgreich war. Wenn man die gleiche Arbeitsweise bei Spielern anwendet, die jünger und talentierter sind, dann weiß man, dass man Erfolg haben kann. Ich konnte die Arbeitsweise und den Fußballstil, den mir als Spieler vermittelt wurde, auf die Mannschaft übertragen. Wenn man früher selbst mit Abseitsfalle und Pressing gespielt hat, dann überlegt man, wie man das als Trainer einbauen kann.
Zwischen 2000 und 2001 arbeiteten Sie als Assistent von Berti Vogts bei Bayer Leverkusen. Dort standen ebenfalls viele Stars unter Vertrag. Wie war der Umgang mit Größen wie Ulf Kirsten, Ze Roberto oder Michael Ballack?
Rolff: Wir haben nicht nach Namen aufgestellt. Dass man mit manchen besser auskommt und dass einige mehr Sympathien für einen hegen ist normal. Es herrschte ein Top-Niveau, wir haben international gespielt und sind am Ende Vierter geworden. Leider hat sich der Klub dazu entschieden, dass der vierte Platz für eine Weiterbeschäftigung nicht ausreicht.
Also hatte der Verein höhere Ambitionen?
Rolff: Das Ziel war die Qualifikation für die Champions League, der vierte Platz reichte damals nicht für die direkte Qualifikation. Wir haben guten Fußball abgeliefert, viele Tore geschossen und begeisternd gespielt. Am Ende ist es natürlich schade, dass man die Qualifikation in der neuen Saison nicht miterleben darf.
Im Anschluss engagierte Sie Vogts als Co-Trainer der kuwaitischen Nationalmannschaft. Wie entstand diese Idee?
Rolff: Er fragte mich, ob ich die Reise mitmachen möchte, nachdem wir in Leverkusen bereits zusammengearbeitet haben. Wir haben uns dann die Mannschaft angeschaut und eine gute Mischung aus erfahrenen Spielern und jungen Talenten vorgefunden . Dementsprechend waren die Voraussetzungen gut. Wir wurden Dritter im Golf-Pokal, von daher lief alles gut.
Mit welchen Erwartungen gingen Sie diese Aufgabe an?
Rolff: Ähnlich wie in Deutschland - Talente entwickeln und erfolgreich sein. Der ein oder andere junge Spieler hätte sicherlich nach Europa gehen können, was dann aber vielleicht an Bequemlichkeit gescheitert ist. Sie waren auch so zufrieden mit ihrem Leben.
Mit welchen Herausforderungen mussten Sie bei dieser Station umgehen?
Rolff: Ich musste mich natürlich umstellen. Wenn man im Ausland arbeitet, muss man unter anderem religiöse Aspekte beachten. Es gibt beispielsweise bestimmte Gebetszeiten. Wenn man trainieren möchte, muss man den Plan dementsprechend anpassen, sonst steht man allein auf dem Platz. Die ersten zwei, drei Trainingseinheiten kam es schon vor, dass ich eine Viertelstunde warten musste, bis die Spieler da waren. Das gleiche gilt auch für die Fastenzeit, die unterschiedlich ausgelegt ist. Wenn ein Spieler drei Tage länger nicht isst, muss man einfach Fingerspitzengefühl haben und in die Spieler reinhören. Wenn man das eine gewisse Zeit lang gemacht hat, entwickelt man ein Gespür dafür, wie man die Spieler führen muss.
Warum war Ihr Engagement nach knapp einem Jahr zu Ende?
Rolff: Vogts ist dann nach Schottland gegangen und der Verband wollte mich behalten. Ich habe zunächst auch beschlossen in Kuwait zu bleiben, allerdings kam dann 2001 die zweite Kriegswelle, weshalb ich nach Deutschland zurückgekehrt bin.
Rolff über Werder-Krise: "Vielleicht von ihrer Spielkultur abgekommen"
2004 heuerten Sie als Co-Trainer von Thomas Schaaf bei Werder Bremen an. Wie entstand der Kontakt zwischen Ihnen?
Rolff: Der Kontakt entstand durch Klaus Allofs. Der damalige Co-Trainer Karl-Heinz Kamp hatte Hüftprobleme, weshalb Werder einen zusätzlichen Co-Trainer dazu holen wollte. Am Ende bin ich knapp neun Jahre geblieben.
Werder hatte in der Saison zuvor das Double geholt. Wie haben Sie die Stimmung innerhalb der Mannschaft wahrgenommen?
Rolff: Die Stimmung war großartig, die Mannschaft war super. Trotzdem wird man gejagt und muss sich neu beweisen. Die Herausforderung war, die nächsten Jahre oben zu bleiben, und das mit einem wesentlich kleineren Budget als das von Bayern München oder Borussia Dortmund.
Die ersten sechs Saisons Ihrer Amtszeit beendete Werder bis auf 2008/09 immer auf einem Europapokal-Platz. Ab der Saison 2010/2011 ging es dann bergab. Wie erklären Sie sich diesen plötzlichen Einbruch, der bis heute anhält?
Rolff: Ich glaube, wir hatten in den letzten Jahren Probleme mit der Transferpolitik. Wir konnten die Spieler nicht mehr eins zu eins ersetzen, wie es uns zuvor gelungen war. Wir mussten Spieler verkaufen, um ein gewisses Budget aufrechtzuerhalten, da wir verglichen mit Bayern oder dem BVB nicht diese Anzahl an Sponsoren hatten. Daher war es immer ein harter Kampf, eine Top-Mannschaft zu haben und auf hohem Niveau zu spielen. Wir haben super Talente verpflichtet, wie zum Beispiel Naldo oder Petri Pasanen, die bereits im Ausland Erfahrung gesammelt hatten und bei uns eingeschlagen haben. Natürlich haben wir auch etablierte Nationalspieler wie Marko Arnautovic oder Eljero Elia geholt. Allerdings konnten wir in der Kürze der Zeit das nicht wie gewünscht umsetzen, weil die jungen Talente von Null auf Hundert in der Bundesliga Fuß fassen mussten. Am Ende ist es schwer, wenn man zu viele Spieler aufgrund von Verletzungen oder Abgängen ersetzen muss und die jungen Spieler konnten das nicht auffangen in der Saison.
Wie bewerten Sie die aktuelle Situation an der Weser?
Rolff: Mit Blick auf die Namen und das Gehaltsgefüge hat Werder eine gute Mannschaft, kann es aber aktuell nicht auf dem Platz umsetzen, weil sie vielleicht von Ihrer Spielkultur abgekommen sind.
Inwiefern?
Rolff: Ich glaube, dass diese Mannschaft wesentlich offensiver spielen kann und dadurch auch erfolgreicher wäre. Das hat sie in den ersten Jahren unter Florian Kohfeldt bereits unter Beweis gestellt.
Woran liegt diese Umstellung?
Rolff: Sie haben im Augenblick vielleicht nicht den Mut, das nötige Risiko zu gehen. Um den Klassenerhalt zu schaffen, muss die Mannschaft diesen Mut allerdings wiedererlangen. Sie muss der Konkurrenz zeigen, dass Sie Chancen kreieren kann, vorne pressen und aggressiv sein kann - das habe ich bislang in dieser Saison nicht gesehen. Ich vermisse diesen Biss, wieder Herr im Haus sein zu wollen. Vielleicht hat Kohfeldt momentan eine andere Denkweise und meint, mit einer verhaltenen Spielweise wieder zum Erfolg zu gelangen.
Der Trend spricht nicht gerade für Kohfeldt.
Rolff: Er genießt weiterhin die Rückendeckung des Vereins und die Verantwortlichen sind sogar bereit, mit ihm in die zweite Liga zu gehen. Von daher kann er ruhig den offensiven Stil, der der Mannschaft besser liegt, spielen lassen. Ich bin davon überzeugt, wenn diese Mannschaft offensiver und näher am Strafraum spielen würde, würde auch ein Claudio Pizarro wieder mehr Tore schießen, als wenn er sich in der Nähe der Mittellinie bewegen muss.
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Rolff: Özil? "Konnte im Schatten von Diego viel lernen"
Sie waren insgesamt neun Jahre lang bei Werder an der Seite von Schaaf. Bestand zwischendurch die Möglichkeit, einen anderen Weg einzuschlagen und Cheftrainer zu werden?
Rolff: Ich hatte ein Angebot von einer Mannschaft aus Ägypten. Die Arbeit in Bremen hat so viel Spaß gemacht, dass ich abgelehnt habe. Zudem gab es später Anfragen aus der dritten Liga und Regionalliga, aber nicht aus der Bundesliga. Da waren keine Top-Mannschaften dabei, bei denen man sagen konnte, dass man von heute auf morgen Erfolg haben wird. Wir waren mit Bremen so erfolgreich, dass ich es vorgezogen habe, Champions League zu spielen und Spieler zu Nationalspielern zu formen, anstatt einen Cheftrainerposten zu übernehmen.
Bereuen Sie die Entscheidung im Nachhinein?
Rolff: Absolut nicht. Die Mannschaft hat offensivstarken Fußball gespielt und selbst bei einem 0:3-Rückstand immer an daran geglaubt, das Spiel zu drehen. Wenn man Teil davon sein darf, vergisst man manchmal seine eigene Karriere und hat Freude am Erfolg des Teams. Natürlich hätte ich das ein oder andere Jahr länger Cheftrainer sein können, aber ich war als Co-Trainer immer erfolgreich und habe immer mit erfahrenen Trainern, und heutigen Freunden, zusammengearbeitet - das war für mich das i-Tüpfelchen auf meiner Karriere.
Welcher Moment hat sich bei Ihnen während Ihrer Zeit in Bremen besonders eingeprägt?
Rolff: Vielmehr als ein einzelner Moment hat sich bei mir die Art und Weise eingeprägt, wie wir versucht haben Spiele zu drehen, selbst zu gestalten und an unserer offensiven Philosophie festzuhalten. Auch wenn die letzten zwei Jahre nicht mehr so erfolgreich waren, haben wir immer unser System beibehalten und das Risiko gesucht.
Sie durften eine Vielzahl an Spielern coachen. Wer hat Sie am meisten überrascht?
Rolff: Mir würden einige Spieler einfallen, aber ich sage Özil. Er war ein großes Talent, hatte aber sicherlich körperliche Defizite mit 18 Jahren. Er hat super daran gearbeitet und konnte im Schatten von Diego damals viel lernen. Dank seines Talents, seiner Schnelligkeit und seinem Passspiel hat er unheimlich viel dazugewonnen und eine tolle Karriere hingelegt. Die Voraussetzungen hatte er schon immer, die Umsetzung später bei Real Madrid und auch bei Arsenal war stark.
Auch Kevin de Bruyne nahmen Sie eine Saison lang unter Ihre Fittiche. Wie erinnern Sie sich an seine Anfangszeit in Bremen?
Rolff: Kevin kam damals von Chelsea zu uns. In Deutschland ist es gang und gäbe, dass man mehr laufen muss als in England oder in Belgien. Er meinte: 'Es ist super mit Ball zu trainieren, aber ihr trainiert so viel ohne' (lacht). Obwohl wir bei Werder immer viel mit Ball trainiert haben. Er hat das aber gut angenommen und was er jetzt daraus macht, ist natürlich traumhaft. Er war schon immer ein großartiges Talent mit unheimlichen Fähigkeiten - schnell, beidfüßig, gefährliche Standards.
De Bruyne galt damals schon als vielversprechendes Talent und war unter anderem auch beim BVB im Gespräch. Waren Sie überrascht, dass er sich für Bremen entschieden hatte?
Rolff: Ich glaube, Klaus Allofs und Thomas Schaaf haben ihm in den Gesprächen gut aufgezeigt, welche Spieler bei Werder einen großen Karrieresprung gemacht haben, sei es Johan Micoud oder auch Diego. Dadurch hat er auch daran geglaubt und gesehen, dass er bei uns den nächsten Schritt machen kann.
2013 endete die Ära Schaaf nach 14 Jahren. Wie haben Sie das Aus in Erinnerung?
Rolff: Wir haben damals die Klasse gehalten, dementsprechend war es schade, dass man nicht mehr mit uns weitermachen konnte oder wollte. Es wäre schön gewesen, wenn man den Neuanfang gemeinsam hätte angehen können. Ansonsten habe ich tolle neun Jahre in Bremen erlebt. Das hat man nicht überall, wenn man sieht, wie schnelllebig das Trainergeschäft heutzutage ist.
Anschließend arbeiteten Sie erneut mit Vogts zusammen - diesmal bei der aserbaidschanischen Nationalmannschaft, ehe Sie 2014 gemeinsam mit Thomas Schaaf zu Eintracht Frankfurt wechselten. War es für Sie im Voraus immer klar, dass Sie wieder zusammenarbeiten möchten?
Rolff: Als ich mit Vogts in Aserbaidschan war, war die Voraussetzung für die Stelle in Frankfurt, dass ich beide Jobs machen konnte. In der Länderspielpause konnte ich dann die Nationalmannschaft betreuen und gleichzeitig bei der Eintracht arbeiten .
2016 ging es nach China zu SD Luneng, wo Sie erneut mit Magath zusammenkamen. Wie blicken Sie auf diese Zeit zurück?
Rolff: Der Klub war super geführt, die Bedingungen in der Stadt und im Team waren hervorragend. Wir hatten viele ausländische Spieler und haben den Klub im unteren Tabellendrittel übernommen und ins Mittelfeld geführt.
Die meisten Co-Trainer verbringen Ihre Laufbahn an der Seite eins Cheftrainers. Sie haben im Laufe Ihrer Karriere hauptsächlich mit drei Cheftrainern zusammengearbeitet - Magath, Vogts, Schaaf. Wie kommt das?
Rolff: Sie sind keine Ja-Sager und verfügen über ausreichende Menschenkenntnisse und Erfolgsdenken. Sie legen ihren Fokus ebenfalls auf Talentförderung, daher hat das gut gepasst. Außerdem kannte ich sie bereits jahrelang als Spieler und als Trainer. Wie unterscheiden sich diese drei Trainer?
Rolff: Alle drei sind auf ihre Weise erfolgsorientiert und zielstrebig. Sie arbeiten hart und haben eine klare Vorstellung von Training und Arbeitsauffassung.
Sie waren sowohl in Kuwait als auch Aserbaidschan und China tätig. Welche Unterschiede haben Sie zwischen Deutschland und dem Ausland erlebt?
Rolff: Der erste Unterschied ist, dass ich im Ausland nicht aus dem Wasserhahn trinken konnte, was ich hier liebe (lacht). Man muss sich den Gegebenheiten anpassen. Sportlich gesehen muss man sagen, dass dort kein Top-Niveau herrscht, wie es in Deutschland der Fall ist. Das hängt zum Teil auch mit der Ländergröße zusammen, wie in Kuwait oder Aserbaidschan. China ist dagegen natürlich eine andere Dimension und ist ein top geführtes Land mit viel Geld. Dort liegt das Problem eher in der Logistik der Jugendarbeit. Man müsste viel mehr investieren, um in den nächsten zehn Jahren eine Mannschaft zu haben, die international mithalten kann.
Hatten Sie ein schockierendes Erlebnis während Ihrer Zeit im Ausland?
Rolff: Während des zweiten Irak-Krieges ist eine Bombe in einem Einkaufszentrum, das unweit von uns lag, explodiert. In diesem Moment sagte ich mir: 'Ich nehme meine Familie mit und wir fliegen zurück nach Deutschland.'
Wie hat sich das Trainerbusiness im Vergleich zu Ihrer Anfangszeit in Ihren Augen verändert?
Rolff: Heutzutage wird mehr mit Analysen gearbeitet, während das Bauch- und Fingerspitzengefühl dadurch etwas in den Hintergrund geraten ist. Die eigene Einschätzung wird jetzt mit Daten wider- bzw. hinterlegt. Ich glaube trotzdem, dass Trainer, die bereits lange im Geschäft sind, nach wie vor mit ihrem Fingerspitzengefühl arbeiten können.
Was hätten Sie von den aktuellen Möglichkeiten früher gerne zur Verfügung gehabt?
Rolff: GPS-Daten. Es ist natürlich gut zu wissen, wie weit oder wie schnell ein Spieler läuft. Man muss das aber richtig einordnen können. Ein Horst Hrubesch war beispielsweise kein Sprinter, ihn konnte man auch nicht zu einem formen, und er hat trotzdem seine 20 bis 30 Tore pro Saison geschossen. Man muss einen Mix zwischen dem Alten und dem Neuen finden, um erfolgreich zu sein.
Rolff: "Physiotherapeut sehr wichtig für einen Klub"
Nach 20 Jahren im Trainergeschäft haben Sie einiges erlebt. Welche Funktion ist im Team hinter dem Team am wichtigsten?
Rolff: Ich glaube, dass der Physiotherapeut und der Masseur eine enge Verbindung zu den Spielern haben, weil sie sie zwischen ihren Händen haben. Das war früher bereits immer eine Anlaufstelle für Spieler, die sehr viel aus dem Privatleben der Profis und des Trainerteams wusste. Das ist sehr wichtig für einen Klub.
Seit 2017 sind sie vereinslos. War es eine bewusste Entscheidung, eine Pause zu machen oder fehlten die richtigen Angebote?
Rolff: Es gab Anfragen, allerdings stand ich da noch bei Luneng unter Vertrag. Ich bin vor den Internationalen Sportgerichtshof CAS gezogen, weil wir uns nicht einigen konnten, und habe gewonnen. Ich habe immer versucht, etwas zu machen, aber es hat nicht geklappt.
Wie fühlt sich das an, wenn man zuvor nahezu ununterbrochen im Geschäft tätig war?
Rolff: Die Zeit vergeht ziemlich schnell. Ich gucke mir oft Spiele oder Trainingseinheiten an und war auch beim letzten Trainerlehrgang. Ich bin in den Medien nicht so vertreten, wie man es vielleicht sein müsste, um morgen einen neuen Job zu bekommen.
Planen Sie in Zukunft noch mal auf der Trainerbank Platz zu nehmen?
Rolff: Ich hatte vor der Coronakrise einige Angebote aus dem asiatischen Raum. Wenn die Pandemie zu Ende ist, hoffe ich, dass diese Anfragen wieder aufleben und ich mir intensiver darüber Gedanken machen kann.
Welche Funktionen sind im Gespräch?
Rolff: Im Vietnam geht es um den Aufbau und die Unterstützung von Stützpunkten. In China geht es um die Betreuung eines Nachwuchsleistungszentrums und in Südkorea wäre es eine Cheftrainerstelle.
Wenn Sie auf Ihre Spielerkarriere zurückblicken: Wer war Ihr bester Mitspieler?
Rolff: Thomas von Heesen. Ein Top-Spieler, der leider trotz seiner Technik, Schnelligkeit und Torgefährlichkeit nie A-Nationalspieler geworden ist. Darüber hinaus auch Youri Djorkaeff, mit dem ich in Straßburg gespielt habe, der bereits mit 19 Jahren ein großes Talent war und eine Weltkarriere gemacht hat.
Wer war dagegen Ihr härtester Gegenspieler?
Rolff: Ein unangenehmer Spieler war Lothar Matthäus. Er hatte alle Tugenden eines Weltklasse-Spielers. Matthäus ist sicherlich ein Spieler, der auf höchstem Niveau zu nennen ist.