"Ich hätte nie gedacht, dass jemand dazu fähig ist, was Michael heute mit uns gemacht hat. Er ist aktuell der spannendste Spieler in der Liga. Ich glaube, das war heute Gott, der sich als Michael Jordan verkleidet hat."

Als Larry Brid im April 1986 diese Aussage in die Mikrofone der Journalisten diktierte, war ihm die Bewunderung für die Leistung dieses aufstrebenden Bulls-Stars deutlich anzumerken. Unfassbare 63 Punkte hatte Jordan den ruhmreichen Celtics in ihrer eigenen Halle eingeschenkt. Noch heute steht diese Zahl als Playoff-Rekord.

Jordan absolvierte gerade seine zweite NBA-Saison, nachdem er im Jahr zuvor zum Rookie of the Year gewählt worden war. Nach nur drei Spielen in seiner Sophomore-Saison brach sich Jordan jedoch den Fuß, eigentlich drohte das Saisonaus. His Airness arbeitete aber wie ein Besessener an einem Comeback und kam tatsächlich noch in den letzten 15 Saisonspielen zum Einsatz.

Chicago Bulls ohne Michael Jordan unterirdisch

"Ich hatte eine Scheiß-Angst", erinnerte sich der damalige Bulls-GM Jerry Krause später in einem Interview mit Adrian Wojnarowski. "Ich wollte nicht als der Mann in die Geschichte eingehen, der Jordan zu früh wieder aufs Feld gelassen hat." Jordan hingegen bettelte bei Coach Stan Albeck, der schließlich grünes Licht für den späteren GOAT gab.

Ohne Jordan waren die Bulls eine Trümmertruppe. Als Ersatz hatte Chicago für einen alternden George Gervin getradet, dazu stand mit Orlando Woolridge immerhin ein talentierter Flügelspieler im Kader. Dennoch gewannen die Bulls ohne MJ nur 21 von 64 Partien, nur dank einer 9-9-Bilanz mit Jordan retteten sich die Bulls als achtes und letztes Team im Osten in die Playoffs.

Die Liga bestand damals aus lediglich 23 Teams, der Osten stellte davon elf. Den Bulls gelang so das Kunststück, mit der viertschlechtesten Bilanz der kompletten Liga in die Postseason einzuziehen.

Und die Celtics? Die waren gerade auf dem Zenit ihres Schaffens. 67 Siege fuhren Bird und Co. in dieser Saison ein, im heimischen Boston Garden verloren sie nur eine von 41 Partien, gegen die Portland Trail Blazers.

Boston Celtics eines der besten Teams aller Zeiten

Noch heute können Celtics-Fans alle Namen dieses ikonischen Teams herunterbeten. Defensiv-Spezialist Dennis Johnson auf der Eins, Danny Ainge daneben als Shooter. Larry Bird gab den Spielmacher auf dem Flügel, während Kevin McHale im Low Post seine Gegenspieler reihenweise folterte. Abgerundet wurde das Team von der vielleicht besten Center-Rotation aller Zeiten mit Chief Robert Parish und Bill Walton, einem früheren MVP, der von der Bank kam.

Niemand gab entsprechend einen Pfifferling auf die Bulls, die bereits im ersten Spiel hoffnungslos unterlegen waren (104:123), obwohl Jordan 49 Punkte machte, was den stolzen Johnson (9x All-Defense) mächtig wurmte.

Jerry Sichting, Johnsons Backup, berichtete gegenüber nba.com : "Nach Spiel 1 war er in der Dusche und nagelte den Boxscore an die Wand. Er sagte: 'Die gute Nachricht ist, dass wir sie geschlagen haben. Michael wird nicht noch einmal ein solches Spiel hinlegen.'"

Was Johnson nicht ahnte: Es sollte für ihn noch viel dicker kommen!

"Ich wünschte, ich wäre Zuschauer gewesen"

Drei Tage später schenkte der 23-jährige Jordan Boston in Spiel 2 63 Punkte ein. Wie ESPN Stats & Info später ermittelte, kamen 23 davon gegen Johnson und 19 gegen Ainge. Zwölf seiner 22 Jumper gingen durch die Reuse, bei Drives traf Jordan 8/14.

"Es war unglaublich. Ich wünschte, ich wäre nur ein Zuschauer gewesen und hätte mich zurücklehnen können", erinnerte sich Bulls-Kollege Woolridge, der selbst ein ausgewiesener Scorer war. "Als ich mit ihm auf dem Feld war, konnte man ahnen, dass etwas Magisches passieren wird."

Insgesamt nahm der Guard 41 Würfe (22 Treffer, kein einziger Dreier), nur bei drei davon war er freistehend. Apropos freistehend: Jordan bekam außerdem 21 Freiwürfe zugesprochen, 19 davon verwandelte er.

So erzwang Jordan auch eine Verlängerung. Die Celtics führten sechs Sekunden vor dem Ende mit zwei Punkten, bevor Jordan noch einmal über das komplette Feld jagte und einen Jumper über McHale nahm. Der Wurf verfehlte, doch Jordan bekam einen (sehr zweifelhaften) Pfiff. Bei seinem Versuch stand MJ sogar hinter der Dreierlinie, allerdings gibt es erst seit 1995 die Regel, dass man bei einem entsprechenden Foul auch drei Freiwürfe bekommt.

Die Uhr war zu diesem Zeitpunkt schon abgelaufen, also stand Jordan einsam an der Linie wie bei einem technischen Freiwurf. MJ versenkte beide, den ersten mit ein wenig Glück, und ballte in typischer Jordan-Manier die Faust. Es waren die Punkte 53 und 54 für den GOAT.

Celtics-Guard Dennis Johnson foulte mit Absicht aus

"Er wird nicht 77 Punkte machen. Wenn er 77 Punkte macht, beende ich sofort meine Karriere", erklärte Bird nach dem Spektakel in einem Interview. Zum Glück konnte er seine Laufbahn fortsetzen. Es sollten in den beiden Verlängerungen "nur" noch neun weitere Zähler hinzukommen, obwohl die Celtics nun vermehrt doppelten.

Trotzdem fand Jordan weiterhin Wege zu scoren und brachte gerade Johnson zur Weißglut. Sixers-Legende Mo Cheeks teilte nach Johnsons Tod im Jahr 2015 im Philadelphia Inquirer eine Geschichte, die dieser ihm zu Spiel 2 erzählt hatte.

"Jordan war auf dem Weg zu 60 Punkten. Dennis hatte vier oder fünf Fouls und foulte schnell. Normalerweise diskutiert man mit dem Referee, wenn man ausfoult. Dennis rannte aber sofort zur Bank. Er wollte nicht auf dem Feld stehen, wenn Jordan die 60 knackt."

Ausgerechnet Johnson-Ersatz Sichting brachte die Celtics in der zweiten Verlängerung auf die Siegerstraße, Jordans Jumper im Anschluss war zu kurz und Parish machte per Floater alles klar. Auch 63 Jordan-Punkte reichten für Chicago an diesem Abend in Boston nicht, 131:135 hieß es letztlich nach 58 Minuten Spielzeit. "Die Punkte sind mir völlig egal. Ich würde alle meine Punkte gegen einen Sieg eintauschen, wenn ich könnte", erklärte ein frustrierter Jordan im Anschluss.

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63 Punkte reichen nicht zum Sieg

Die Bulls verloren letztlich auch das folgende Heimspiel und kassierten einen Sweep. Boston hielt Jordan bei nur noch 19 Zählern, wodurch sein Playoff-Schnitt auf 43,7 Zähler sank. Den Rekord für eine Serie hält Jerry West (46,3).

Die Celtics rollten anschließend weiter durch die Playoffs und holten ihren dritten Titel in der Ära Larry Bird. Noch heute wird dieses Team als die womöglich beste Mannschaft aller Zeiten gehandelt.

Auch im Jahr darauf traf Jordan wieder auf die Celtics, erneut gelang dem Rekordchampion ein Sweep. Erst 1988 konnte MJ seine erste Playoff-Serie mit den Bulls gewinnen, ein 3-2-Erstrundensieg gegen die Cleveland Cavaliers - im Schnitt schenkte er den Cavs 45,2 Zähler pro Spiel ein.